Eine kurze Geschichte der Firma Wilmking aus Gütersloh, in ihrer Zeit die weltweit größte Fabrik für Mause- und Rattenfallen

Fotos: Detlef Güthenke

Hier kommt die Maus.
Der Mensch ist sich selbst der größte Feind. Wir dachten, dies würde uns die Geschichte lehren. Seit dem 24. Februar tut dies die Gegenwart. Tierische Bedrohungen hingegen scheinen kaum noch eine Rolle zu spielen. Unter den zehn biblischen Plagen, die nach dem zweiten Buch Mose im Alten Testament Ägypten heimsuchten, befanden sich Frösche, Stechmücken, Stechfliegen und vor allem Heuschrecken, die in ihrem massenhaften Auftreten alles vernichteten, was den Menschen als Lebensgrundlage diente. Krisen- und Kriegszeiten wurden in ihren Auswirkungen durch solche Plagen weiter verschärft. Bis heute treten überall auf der Welt, mal mehr, mal weniger, Nahrungskonkurrenten auf den Plan, die den Menschen nicht nur lästig, sondern durchaus bedrohlich werden: Mäuse und Ratten als Überträger von Krankheiten und vor allem als Verzehrer der knappen Ernährungsressourcen. Auch bei weniger zahlreichem Auftreten wurde ihnen der Kampf angesagt, etwa während des Nationalsozialismus in Deutschland unter der Parole „Kampf dem Verderb!“ Neuerdings ist der Klimawandel Auslöser unkontrollierter Mäuseplagen, etwa im Juni vergangenen Jahres in Australien in Folge extremer Dürren. Nichts und niemand war vor ihnen sicher, nur, weil sie einst von europäischen Siedlern eingeschleppt worden waren und sich den widrigen Klimabedingungen hervorragend anzupassen vermochten.

Aus die Maus.
Im Abwehrkampf gegen die Nager wurden Mausefallen erfunden, zumeist trickreiche Konstruktionen aus Draht und Holz. In 10.000 Jahren Menschheitsgeschichte sollen 200 verschiedene Modelle entwickelt worden sein, wie ein Sammler aus Wiesbaden ermittelte. Wandernde Mausefallenhändler zogen mit ihnen durch ganz Europa, denn Bedarf bestand überall. Die Industrialisierung ermöglichte eine serielle und damit kostengünstige Herstellung der Mausefalle. 1901 stieß der Gütersloher Gustav Wilmking eher zufällig auf ein Modell einer Hamburger Import-Export-Firma, entwickelte es weiter und meldete dafür ein Reichspatent an. Zu dem Zeitpunkt hatte sich Wilmking als vielseitiger Konstrukteur und Geschäftsmann bereits einen Namen gemacht. Seit 1871 führte er die 1843 von seinem Vater Johann Friedrich in der Berliner Straße im Haus des heutigen Tabakgeschäfts Friesenhausen ansässige Schlosserei. Ein breites Geschäftsfeld kennzeichnete den Betrieb: Für die Eisenbahn übernahm er für 20 Jahre sämtliche Schlosserarbeiten, verlegte selbst hergestellte Rohre für das neue Wasserwerk und stellte mit Herden, Öfen, Jauchepumpen, Geldschränken, Blitzableitern, Fahrradlampen, Schreibmaschinen, Waagen und Gewichten ganz unterschiedliche metallene Produkte her. Die Mausefalle brachte die Trendwende: Weg von den in Handarbeit in geringer Stückzahl gefertigten komplexen Metallkonstruktionen und hin zu einfach herzustellender Massenware, nun vor allem aus Holz.

1906 entstand ein neues Werk in Kattenstroth an der Neuenkirchener Straße. Die Mäuse- und Rattenfallen wurden zu Bestsellern, erst recht durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, mit dem eine erneute Nagerplage einherging. 1916 wurde ein eigenes Sägewerk angegliedert, was dem enormen Holzbedarf für die jährlich in vielen Millionen hergestellten Mausefallen geschuldet war. „Schweres, gut ausgetrocknetes, rißfreies Buchenholz gibt der Falle eine gute Grundlage, auf der Metallteile fest ‚verankert’ sind“, so hieß es in einem Verkaufsprojekt aus den 1930er-Jahren. Mit Wäscheklammern waren weitere Massenartikel aus Holz hinzugekommen, dagegen blieben Liegestühle oder die heute kurios anmutenden Schüsselhalter aus Holz eher eine Randerscheinung.

Die Katze lässt das Mausen nicht.
Doch, das musste sie, denn ihre Aufgabe hatte nun der Luchs übernommen. Unter diesem Markennamen traten die Schlagfallen von Wilmking aus Gütersloh ihren weltweiten Siegeszug an. Flotte Werbesprüche und verkaufsfördernde Maßnahmen verfehlten ihre Wirkung nicht:

„Ob Edelsteine oder Baumwollballen,
Ob Schweizer Käse oder Mausefallen –
Entscheidend ist die Qualität
Und wie’s mit dem Verdienste steht.
Drum wählt man, handelt sich’s um Fallen
Die Marke ‚Luchs‘ vor andern allen.“

1929, drei Jahre nach Gustav Wilmkings Tod, waren es bereits mehr als 300 Millionen. Varianten der Luchs-Falle trugen den unterschiedlichen Bedingungen auf Exportmärkten Rechnung, etwa vom Typ „Fuchs, ganz aus Eisen“. Im Feldzug gegen die Nager nahm an heute makaber anmutenden Werbesprüchen niemand Anstoß: „Diese eiserne Maschine ist die Ratten-Guillotine“ oder „Päng! Macht das scharfe Eisen, 5 Mausekinder sind nun Waisen.“ In einem Katalog von 1932 findet sich der ausgeklügelte Fangautomat „Capito“, in dem die Tiere ertranken, weil sie am Ende ihrer Suche nach dem Köder in einem Wasserbecken landeten. Daneben war eine weinende Katze abgebildet. Tatsächlich war den Miezen nicht mehr zum Lachen zumute, denn „Capito macht die Katzen brotlos“. Hurra: „Ein Automat als Mausefalle! Die Mäuse drin ertrinken alle.“ 1970 zog die Firma dieses Modell freiwillig vom Markt, weil sie Proteste von Tierschützern gegen den qualvollen Mäusetod erwartete. Zugleich war es das Ende der Gütersloher Mausefallenfabrik. Mit der Übernahme durch den Holz- und Kunststoffverarbeiter Karl Münkel KG aus Verl-Bornholte, einem Spezialisten für Jahrzehnte überdauernde Holz-Rollläden, endete die Produktion in Gütersloh. Bis 1990 übernahm Münkel die Wilmking`schen Dauerbrenner, darunter auch den noch heute weit verbreiteten Messbecher aus Blech – selbstverständlich auch mit dem Markennamen „Luchs“.

Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Doch, bei der Wilmking-Falle „Luchs 1a“ musste sie das, um an den Köder zu gelangen, was dann sogleich ihren sofortigen Tod auslöste. Eigentlich geht diese häufig verwendete Redewendung auf Gertrud von Nivelles zurück, die Schutzpatronin der Mäuse-Geplagten und damit auch der Katzen. An ihrem Heiligentag, dem 17. März, endete das Verspinnen von Flachs oder Wolle zu Fäden als traditionelle Winterarbeit, und die Arbeit auf den Feldern begann. Die Maus beißt den Faden ab: Eine unveränderliche Entscheidung, an der nicht mehr gerüttelt wird, so wurde es später verstanden. – Trotz des abermillionenfachen Waffenarsenals „Made in Gütersloh“ wird Ihre Spezies gesichert sein, denn Ratten und Mäuse kommen nicht auf die Idee, sich gegenseitig zu vernichten.

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