Jagdhornbläser sorgen für die Verständigung im Wald
Fotos: Detlef Güthenke
Atmung und Lippenspannung: Darauf kommt es an, wenn man ein Jagdhorn blasen will. „Das kann jeder“, sagt Birte Lütke-Bornefeld, die seit 30 Jahren sowohl Kinder als auch Erwachsene in der Gruppe der Nachwuchsbläser beim Jagdhornbläserkorps des Hegerings Harsewinkel begeistert. Die 47-Jährige macht Mut: „Nach einer Stunde bringt jeder den ersten Ton heraus. Jeder kann erfolgreich sein.“
Also einfach aufstehen, das Horn mittig ansetzen, in den Rücken atmen, die Anspannung des Zwerchfells spüren und drauflos blasen? – Es dauert eine ganze Weile, bevor der erste Ton gelingt, und die Puste geht schnell aus. Über diese Konditionsschwäche sind die Nachwuchsbläser vom Jagdhornbläserkorps Harsewinkel aber längst hinaus. Jeden Dienstag üben sie eine knappe Stunde unter der Leitung von Birte Lütke-Bornefeld eine Auswahl verschiedener Signale und bereiten sich so auf das Bläserhutabzeichen vor, bei dem fünf Jagdsignale präsentiert werden müssen, die per Los aus 14 Signalen gezogen werden. Nicht jeder Jagdhornbläser ist ein Jäger, aber alle lieben die Jagdmusik, die nicht nur im Wald, sondern auch bei anderen jagdlichen Veranstaltungen vorgetragen wird.
„Aufbruch zur Jagd“ ist das erste Signal, das die Nachwuchsbläser an diesem Abend blasen. Eine Einblasübung, bei der sich alle um ein sauberes Tonvolumen bemühen. Birte Lütke-Bornefeld gibt die Melodie vor, fordert die Spieler auf das Horn anzusetzen, und auf ihr Einsatzzeichen hin blasen alle mit voller Konzentration. „Richtig gut“, lobt die Leiterin ihre Schützlinge. Die größte Herausforderung ist es, die Töne sauber und konstant zu halten. Die Übungsleiterin gibt mit Zahlen vor, welche Töne geblasen werden. Niemand muss Noten kennen, um das Jagdhorn blasen zu können. Die Bandbreite der Melodien, die man mit nur fünf Tönen erzeugen kann, ist dennoch beachtlich.
Nach der Probe weiterer Signale wie „Halali“, „Hahn in Ruh“, „Sau tot“ und „Sammeln der Jäger“ schließt die Übungsstunde mit einem kleinen Wettbewerb ab. Jeweils zwei Spieler blasen einen Ton und alle anderen lauschen, wer den Ton am längsten halten kann. Zwischendurch werden mal die Lippen gelockert, mal muss das Horn ausgeschüttelt werden, weil sich Wasser angesammelt hat. Alle sind mit großem Eifer dabei. Der 10-jährige Nils Tönsfeuerborn spielt seit zwei Jahren und findet es einfach gut, wie das Jagdhorn klingt.
Das Jagdhornblasen ist nicht nur Männersache. Auch Mädchen und Frauen sind bei den Nachwuchsbläsern gut vertreten. Margrit Westbeld und Gabriele Bernzen sind durch ihre Töchter zum Jagdhornblasen gekommen. „Ich habe meine Tochter zur Übungsstunde gebracht und hatte plötzlich selbst ein Jagdhorn in der Hand“, sagt Gabriele Bernzen.
Das Jagdhorn-Gen
Die Jagdhornklänge sind Birte Lütke-Bornefeld in die Wiege gelegt worden. Mit elf Jahren hat sie das Instrument selbst erlernt. Ihr Vater Josef Füchtenkord, der 2016 verstorben ist, hat sich mit großem Engagement für den Aufbau des Bläserkorps Harsewinkel eingesetzt, war landesweit für die Jagdhornbläser unterwegs und hat diese Leidenschaft an seine Tochter und Enkel weitergegeben. Birte Lütke-Bornefeld ist nicht nur Leiterin der Nachwuchsbläser und der fortgeschrittenen G-Gruppe, die bereits mehrere Deutsche Meistertitel gewonnen hat, sie ist auch als erste Frau die stellvertretende Landesobfrau für das jagdliche Brauchtum der Landesjäger-Vereinigung NRW. Auch ihre 19-jährige Tochter Marie bläst seit 2008 das Jagdhorn und ist stellvertretende Korpsleiterin der C- Gruppe.
Birte Lütke-Bornefeld weiß, dass sich die Begeisterung für das Jagdhornblasen nicht von allein einstellt. Sie hält die gute Stimmung hoch und die Gruppen zusammen. Es gibt keinen Stress, sondern Spaß beim Üben und bei gemeinsamen Ausflügen in Freizeitparks oder in die Natur. Auch in den Kitas ist die Jagdhornbläserin im Einsatz, führt die Kinder durch den Wald und zeigt ihnen, was man in der Natur entdecken kann. Sie führt ihnen auch vor, dass die Jäger kein Handy brauchen, weil sie sich im Wald mit dem Jagdhorn verständigen können.
Kleine und große Jagdhörner
Beim Jagdhorn werden die Töne mit den Lippen geformt. Die Nachwuchsbläser spielen auf einem Fürst-Pless-Horn, das vom Bläserkorps gestellt wird. Auch wenn man auf diesem Jagdhorn lediglich sieben Naturtöne spielen kann, ist ein breites Repertoire möglich. Die Tradition dieses Horns geht auf das 19. Jahrhundert und die Einführung der kaiserlich-preußischen Hofjagden zurück. Das Fürst-Pless-Horn wurde nach Hans Heinrich Fürst von Pless, Oberstjägermeister des Kaisers Wilhelm I. und der II. benannt, der die Hofjagden leitete und ein Signalbuch herausgab, das weiterentwickelt wurde und heute noch Gültigkeit hat. Für einen mehrstimmigen Bläsereinsatz, wie er bei Wettbewerben der fortgeschrittenen Bläsergruppe G gefordert ist, wird das größere Parforcehorn verwendet. Es hat einen wesentlich größeren Tonumfang.
Brauchtum pflegen
Das Jagdhorn bringt die Töne dorthin, wo optische Signale versagen. Sein Vorläufer ist das Tierhorn, das schon zu Urzeiten von den Menschen genutzt wurde. Es gehört zur Jagd wie die Jägersprache und dient der Verständigung. Für die Jägerinnen und Jäger ist eine jagdliche Veranstaltung ohne Jagdmusik unvorstellbar.
Das Jagdhornbläserkorps des Hegerings Harsewinkel sorgt nicht nur im Kreis Gütersloh für den guten Ton. Es macht immer wieder landesweit auf sich aufmerksam, hat an 119 Wettbewerben teilgenommen und davon 53 gewonnen. Es wurde mehrfach Deutscher Meister im Jagdhornblasen und setzt sich seit mehr als 60 Jahren dafür ein, dass der Nachwuchs nicht ausbleibt. Wie zum Beispiel der 15-jährige Magnus Keudell; der seit drei Jahren das Jagdhorn bläst, das Bläserhutabzeichen in der Tasche hat und auch ein bisschen als internationaler Botschafter des Jagdhornblasens unterwegs ist: Bei seinem halbjährigen Aufenthalt in Kanada hatte er sein Pless-Horn im Gepäck, um Jagdmusik vorzutragen. Dafür gab es Applaus.