Schulmediotheken als Stadtbibliotheks-Filialen. Lückenlose Lese- und Medienkompetenz-Förderung

Ab dem Alter von zwei Jahren bis zum Studium haben Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Gütersloh „ihre“ Bibliothek an ihrer Seite und profitieren dadurch von einem lückenlosen Angebot der Lese- und Medienkompetenz-Förderung. Wie ist das möglich? Das Erfolgsmodell entstand vor knapp 20 Jahren, als man die bestehenden schulbibliothekarischen Einzelinitiativen bündelte und an den weiterführenden Gütersloher Schulen Schulmediotheken als Stadtbibliotheks-Filialen einrichtete. Heute sind es insgesamt sieben Schulmediotheken, die ihr umfassendes Angebot als Klammer über alle Schulformen hinweg – von der Förderschule bis zum Gymnasium – für mehr als 6.000 Schülerinnen und Schüler bereithalten.

Julia Borner, Leiterin des Teams Schulmediotheken, was ist das Besondere an diesem Erfolgsmodell?

Durch die Anbindung der von Fachpersonal betreuten Schulmediotheken an die Stadtbibliothek Gütersloh als vollwertige, aber nichtöffentliche Filialen, können die Schülerinnen und Schüler mit ihrem Bibliotheksausweis sowohl den gesamten Medienbestand in der Mediothek ihrer Schule als auch den der Stadtbibliothek in der Innenstadt nutzen. Sämtliche Online-Ressourcen wie DigiBib, On-leihe, Overdrive oder die Musik- und Film-Streaming-Dienste Freegal Music und Filmfriend sind für sie ebenfalls kostenfrei nutzbar.
Damit verfolgen wir aus Sicht der Bibliotheken das Ziel einer größtmöglichen, vom Elternhaus unabhängigen Bildungsgerechtigkeit. Denn alle Gütersloher Schülerinnen und Schüler haben bis zum Ende ihrer Schulzeit mit ein- und demselben Ausweis kostenlosen Zugang zu bildungsrelevanten Medien und Informationen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit den Schulmediotheken geregelt?

Hier ziehen Träger, Schulen und Stadtbibliothek Gütersloh an einem Strang. Dabei übernimmt der Fachbereich Schule der Stadt Gütersloh die Kosten des Fachpersonals. Darüber hinaus bestehen feste Kooperationsvereinbarungen zwischen der Stadt Gütersloh als Träger, der Stadtbibliothek sowie den Schulen und den jeweiligen Verbindungslehrkräften. Durch einen Elternbeitrag von 3 Euro pro Schuljahr entsteht der Medienetat pro Schule.

Aufenthaltsort und Arbeitsplatz Schulmediothek – was ist dort eigentlich los?

Die Schulmediotheken sind zusätzliche, attraktive Lern-, aber auch Freizeitorte, vielleicht die „Wohnzimmer der Schule“. Das weniger schulisch konnotierte Raumangebot wird sehr gut angenommen. Die Schulmediotheken sind bei den Kindern und Jugendlichen sehr beliebt. Während der Stunden kommen immer wieder Kleingruppen, um zu recherchieren oder Gruppenarbeiten zu erledigen. In den Pausen werden die gemütlichen Sitzgelegenheiten zum Chillen genutzt. Es wird gespielt und gelesen.

Wir versorgen die Schülerinnen und Schüler ebenso wie die Lehrkräfte mit kostenfreier Literatur für Freizeit und Schule und arbeiten eng mit Lehrerinnen und Lehrern zusammen, um Ressourcen bereitzustellen, die den Lehrplan ergänzen und den Unterricht unterstützen. Im Zentrum unserer Arbeit steht die Lese- und Medienkompetenzförderung sowie das Entwickeln und Durchführen eigener Veranstaltungsangebote zur Lesemotivation, zur Recherche in Büchern und Datenbanken.

Die Herausforderung bei unserem Job ist die Flexibilität, die wir täglich mitbringen müssen. Trotz großer Unruhe um uns herum ist konzentriertes Arbeiten am Infoplatz gefordert. Immer wieder heißt es „Frau Borner, können Sie mal eben …“ Man ist auch mal Kummerkasten und erfährt von Streitigkeiten in der Schule oder von Sorgen zu Hause. Wer hier arbeitet, sollte jungen Menschen und natürlich dem Umfeld Schule gegenüber positiv eingestellt sein. Ich mag das sehr, dass ich hier näher an der Zielgruppe bin. Wir erleben viele Schülerinnen und Schüler fast täglich und sehen, wie aus Kindern Leute werden. Das ist schön!

Welche Angebote und Veranstaltungsformate sorgen für die konstante Begleitung über den großen Zeitraum von der Kita bis zur Hochschule? Wo findet was statt?

Starten können die Eltern mit ihren 2- bis 3-Jährigen beim ersten Vorleseangebot „Lesekrümel“ in der Stadtbibliothek. Es folgen die Kita- und Grundschulführung, und mit dem Wechsel zur weiterführenden Schule besuchen die Schülerinnen und Schüler dann die Schulmediotheken vor Ort. Spätestens jetzt bekommen alle einen kostenlosen Bibliotheksausweis.

Spielerische Veranstaltungen wie die Harry-Potter-Bibliothekseinführung vermitteln Informationen über Öffnungszeiten, Gebühren und nach welchen Prinzipien die Bücher aufgestellt sind. Buch-castings, Vorlesewettbewerbe oder der Sommerleseclub gehören ebenfalls zu unseren vielfältigen Veranstaltungen. In der Facharbeiten-Saison, in der die Schülerinnen und Schüler ein bestimmtes Thema eingehend recherchieren und präsentieren sollen und sich damit auf das wissenschaftliche Arbeiten vorbereiten, helfen wir bei der Recherche im Bestand und in den lizenzpflichtigen Datenbanken der Stadtbibliothek. Hier schließt sich der Kreis, und hier werden die Synergien, die das Konzept „Stadtbibliothek Gütersloh mit sieben Schulmediotheks-Filialen“ bietet, besonders greifbar. Die Möglichkeit, für die Schule und schließlich auch fürs Studium in der Stadtbibliothek gemeinsam mit Freundinnen und Freunden zu arbeiten, rundet das Bibliotheks-Gesamtpaket ab und wird so gerne genutzt, dass zu bestimmten Zeiten kaum noch Plätze frei sind.

Apropos Leseförderung: Die im Mai dieses Jahres veröffentlichte „Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU 2021)“ hat gezeigt, dass ein Viertel der Kinder beim Lesen nicht den international festgelegten Mindeststandard erreichen. Rückt die Leseförderung damit noch stärker in den Vordergrund?

Ja, das ist so. Als Schulmediotheken haben wir uns dieser Herausforderung gestellt . Entstanden ist das von der Bürgerstiftung Gütersloh geförderte, digitale Leseförderprojekt „Next Level“. Hierbei erfassen die teilnehmenden Fünft- und Sechstklässler der weiterführenden Schulen über die Next Level-Seite ihre gelesenen Bücher. Diese rechnet automatisch die Seiten in Zentimeter um und erstellt einen virtuellen Bücherstapel. Im vergangenen Schuljahr sind 278.000 Seiten gelesen worden.
Dies entspricht einem 25 Meter hohen Bücherstapel. Mit Next Level schaffen wir in den Schulmediotheken Lesevorbilder und bieten Gesprächsanlässe über Bücher und Geschichten unter Gleichaltrigen. Denn über ein am Wochenende gewonnenes
Fußballturnier reden Kinder automatisch. Zum Reden über das letzte gelesene Buch braucht es Ermunterung. Next Level hilft den Kindern dranzubleiben. Und es zeigt ihnen und ihren Eltern mithilfe der Bücherstapel, Level und Urkunden, wie viel sie schon geschafft haben. Das sorgt für Erfolgserlebnisse und Motivation.

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