Sebastian Herbst liebt es klar und zwanglos
Fotos: Detlef Güthenke
Eine gute Idee ist kein Zufall. Sie ist ein Suchen und Finden, ein Verknüpfen von Wissen und Wesentlichem und funktioniert nur, wenn man das Gehirn vorher gefüttert hat. Es reicht aber nicht aus, eine gute Idee zu haben, man muss sie auch sichtbar machen. Das gelingt Sebastian Herbst mit leichtem Strich. Egal wo. Er benötigt lediglich Papier, einen Stift und vielleicht ein paar Filzstifte zum Kolorieren. „Damit wird der Kern der Idee sichtbar“, sagt er. Das Digitale, die präzise Entwurfsentwicklung ist dann der nächste Schritt, bis der Prototyp gefertigt und das Produkt auf den Markt gebracht werden kann. So wie der Hocker Vario (jetzt Yukon), ein zeitloses Möbel, das der 34-Jährige während seines Studiums entworfen hat.
Verbindung fürs Leben
Was haben zwei unterschiedliche Materialien wie Holz und Beton miteinander zu tun? – Im Yukon-Hocker gehen sie eine Verbindung fürs Leben ein. Das Unterteil des aus einem Stamm gefertigten Massivholz-Hockers besteht aus einem schrägen Sichtbetonklotz. Auf Rollen gelagert ist das 60 Kilogramm schwere und 45 mal 45 Zentimeter große Möbelstück mobil. Jeder Hocker ist ein Unikat. Der Kunde entscheidet über die Farbe des Leders, kann sich für einen Sichtbeton in Natur oder Anthrazit entscheiden. Mit einer Imprägnierung des Holzes hat Sebastian Herbst, der seit 2012 den Yukon-Hocker vermarktet, jetzt eine Variante des Kultobjekts geschaffen. Dazu bearbeitet er das Holz mit einem Flammenwerfer, wodurch eine dunkle Tönung entsteht, die die Struktur des Holzes in einem neuen Licht zeigt. Zwei dieser Hocker stehen in seiner Wohnung in Rheda-Wiedenbrück, sie begleiten ihn wie die selbst entworfene Wanduhr Madera, gefertigt aus Nussbaum oder auch aus Eichenholz, durch den Tag.
Auf den Hocker Yukon folgte der Entwurf von Aura. Ein zeitloses, beliebig erweiterbares Regal, das man ohne Werkzeug aufbauen kann. Es besteht aus eloxiertem Aluminium und massiven Holzböden, die eingelegt werden können. Schlitz und Keil verbinden die Elemente. Dieses Möbel, das vom Echtwert-Store in Bielefeld vor Ort und online vertrieben wird, entstand durch die Zusammenarbeit von Immanuel Fallner, Geschäftsführer von Echtwert, und dem jungen Designer. Sie begegneten sich auf der ZOW – der Zuliefermesse für die Möbelindustrie und den Innenausbau in Bad Salzuflen, wo der Designer seinen Prototypen mit dem spanischen Labelnamen otoño, (auf deutsch: Herbst) vorgestellt hatte. Die Idee, Aluminium zu verwenden, um eine ausreichende Stabilität des Regals zu erreichen, kam von Immanuel Fallner. „Eine perfekte Zusammenarbeit“, lobt Sebastian Herbst, der auf Designer-Messen den Austausch sucht, aber auch seinem Ausbildungsbetrieb in Langenberg treu bleibt, wo er seine Möbel bei den Handwerkertagen ausstellt.
Möbel, die den Menschen begleiten
Für seine Objekte wählt Sebastian Herbst Namen mit einem guten Klang. „Otono“ klingt wie eine runde Sache, die durch die Vokal-Endung gleichzeitig Offenheit beinhaltet. Zum Beispiel für die Ergänzung weiterer Elemente. Sein neuestes Design gilt dem Papierkorb, den er französisch „Poubellie“ getauft hat, denn das hört sich nach Leichtigkeit und Spiel an und greift den Charakter des Möbels auf, das nicht nur ein Papierkorb, sondern auch ein wenig Spielzeug ist, weil es in Bewegung gerät, wenn man Papier hineinwirft und sich immer wieder von selbst aufrichtet. Prototypen des neuen Produktes sind bereits unterwegs, und Sebastian Herbst freut sich darauf, dass diese Papierkörbe in Büros und Arbeitszimmern bald eine Heimat finden.
Sebastian Herbst hätte gut in die Bauhaus-Bewegung gepasst. Die Trennung zwischen Handwerk und Design ist in seiner Person aufgehoben, die Offenheit für Formen und Materialien ist durch seine Ausbildungen angelegt. Nach einer Ausbildung zum Tischler in der „Wohnmanufaktur Lignatus“ in Langenberg hatte er sich für ein Studium zum Projektdesigner entschieden. Ein Weg vom Material, vom Einzelstück hin zum Raum und der Wirkung der Möbel im Raum. In seinem Studium stand nicht nur das Produktdesign im Mittelpunkt, sondern auch die Raumgestaltung und das Corporate Design.
Suche nach guten Formen
Die Liebe zum Holz, die Achtung für diesen Werkstoff, der eine eigene Geschichte, eine Individualität in sich birgt, begleitete Sebastian Herbst bereits in der Kindheit. Mit einem Großvater, der Bildhauer war und Skulpturen fertigte, und einem Vater, in dessen Tischlerwerkstatt er heute noch seine Prototypen herstellt, wurde das Interesse für die Arbeit mit Holz früh geweckt. „In der Werkstatt war ich der Alltagshelfer, lernte beim Zuschauen, Anreichen von Werkzeugen und beim Ausprobieren“, sagt Herbst. Seine Lust, etwas zu skizzieren und zu zeichnen, kam erst in der Ausbildung dazu. Als er zum Abschluss seiner Ausbildung an dem Wettbewerb „Die Gute Form“ teilnimmt, der exzellente Gesellenstücke im Tischler- und Schreinerhandwerk auszeichnet, gewinnt er einen Förderpreis. Seitdem gehört die Suche nach guten Formen zu seinem Programm. Er setzt auf ein klares Design, auf die Sprache, die das Material vorgibt, auf hohe Qualität und Lebensdauer. Er entwirft Möbel, die man einmal kauft, die den Menschen begleiten und die ihre Geschichte mit ihm teilen, wie die Hocker, die aus dem Stamm einer 200 Jahre alten Eiche gefertigt wurden.
Ein Projekt in seiner Gesamtheit zu betrachten, vom Entwurf über die Produktion bis hin zum Marketing: Das war nicht nur Inhalt des Studiums an der Akademie in Münster, das macht – neben den Entwürfen – seinen Beruf als Designer aus. So trägt das Bielefelder Restaurant Law & Order die Handschrift von Sebastian Herbst. Jedes Detail der Einrichtung greift die Marke auf, sorgt für einen Eindruck, der dem Besucher im Kopf bleibt. Bei Gerry Weber und Küchenmarken wie SieMatic und Poggenpohl war der Projekt-Designer einige Jahre für die Neugestaltung von Stores, Showrooms und Messen verantwortlich und hat in der Abteilung „Interior Design Development & Corporate Architecture“ Raumkonzepte entwickelt und umgesetzt. Das Eiscafé Dammann in Harsewinkel hat sich mit den Ideen des Designers rundum erneuert. Das Corporate Design spiegelt sich in der Ansprache der Kunden und der Einrichtung wider.
Möbel, die etwas zu erzählen haben, sind die Leidenschaft von Sebastian Herbst. Er schätzt es, in Ostwestfalen-Lippe zu wohnen, im Kreis Gütersloh, in einem Mekka für Möbel mit zahlreichen Unternehmen und Tischlereien, die traditionell für gute Qualität stehen. Dinge, die ihren Wert haben und behalten, sind dem Designer wichtig. „Auch wenn wir immer mobiler werden, unterwegs sind und häufig umziehen, können die Möbel, die wir mitnehmen, ein Zuhause sein“, sagt Sebastian Herbst, der bei aller Liebe zum Lokalen auch gern auf Reisen geht, um sich inspirieren zu lassen und die Spannung zu halten: für den nächsten Entwurf.