Fotos: Detlef Güthenke
Das Kreishaus Gütersloh aus heutiger Sicht betrachten? Nichts einfacher als das. Denn dank der Künstlichen Intelligenz kann jeder schnell einen Bericht über den Verwaltungssitz des Kreises Gütersloh erhalten. Wir haben Chat GPT den Auftrag erteilt: „Schreibe einen Artikel über Architektur und Funktion des Kreishauses Gütersloh“. – In fünf Sekunden erhielten wir etwas mehr als eine DIN-A4-Seite. Doch schon beim Einstieg in den Text kamen Zweifel auf, inwieweit man dem Chatrobot trauen kann.
Das Kreishaus Gütersloh ist ein architektonisches Wahrzeichen“, heißt es da. Darüber könnte man diskutieren. Und weiter: „Das Gebäude wurde 1974 erbaut und ist seitdem zu einem wichtigen Bestandteil des öffentlichen Lebens geworden.“ Autsch -, da stimmen die Zahlen nicht. Das Kreishaus wurde von 1994 bis 1997 gebaut und 1997 bezogen. Als Chat GPT im zweiten Absatz dann noch die falschen Architekten nennt, ist es Zeit für ein Gespräch mit Menschen im Kreishaus Gütersloh, die sich auskennen. Das sind Pressesprecher Jan Focken, Kreisarchivar Ralf Othengrafen und Kreisarchitekt Peter Westerbarkei.
„Lichtdurchflutet, eine klare Formensprache und ein charakteristisches Fassadendesign“, Peter Westerbarkei kann diesem Gebäude viel abgewinnen. Es gibt kaum einen Winkel, den er im Kreishaus nicht kennt. In den vergangenen 26 Jahren hat er in verschiedenen Büros gearbeitet, sein Schreibtisch stand mal im Süden, mal im Norden des Gebäudes. Er war von Anfang an dabei, hat in der Projektgruppe mit den Architekten zusammengearbeitet, ist im Land herumgereist, um Materialien zu sichten und zu bewerten.
Den Architektenwettbewerb hatte Anfang der 1990er-Jahre das Büro Prof. Gerber + Partner aus Dortmund gewonnen. Peter Westerbarkei erinnert sich wie Eckhard Gerber, der das Kreishaus vor einiger Zeit mal wieder besuchte, zufrieden feststellte, dass dieses Gebäude sich nach Jahren noch sehen lassen könne. Am Ende zähle nur die Qualität, habe Gerber gesagt. Da kann der Kreisarchitekt nur zustimmen. „Das Kreishaus hat ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Peter Westerbarkei. Die Kritiker, die das Gebäude mit Einschätzungen wie „asketisch“ und „schmuckloser Zweckbau“ begleitet hatten, sind inzwischen verstummt. Das Kreishaus gilt als ein beindruckendes Beispiel zeitgenössischer Architektur.
Was im Gedächtnis bleibt
Es ist die Transparenz, das Licht, das die Menschen anzieht. Ralf Othengrafen, Archivar des Kreises, erinnert sich, dass er vor zwölf Jahren bei seinem Bewerbungsgespräch im Kreishaus gleich einen positiven Eindruck von diesem Haus hatte. Jan Focken, Pressesprecher des Kreises, geht jeden Morgen gern durch die lichte Halle und meint, dass die Kantine mit Blick auf die Wasserfläche die schönste in Nordrhein-Westfalen sei. „Es ist toll, wenn die Sonne scheint und sich das Glitzern der Wellen an den Decken spiegelt“, so Jan Focken.
Das Licht korrespondiert mit der Offenheit der Gebäudestruktur. Die dreigeschossigen Bürotrakte greifen wie Finger in die Landschaft, sie verdecken nichts, sie flechten sich ein. Die Trakte sind über die Zentrale Eingangshalle zu erreichen und sind untereinander verbunden. Wo politische Entscheidungen getroffen werden, dominiert die Rundform. In der dreigeschossigen Rotunde, dem Schwerpunkt des gesamten Gebäudes, kommt der Kreistag zusammen. Die Versammlungsräume sind Orte der Begegnung, zum Beispiel für die Kreisjägerschaft. „Meistens sind diese Räume aber durch den Bildungsbereich ausgebucht“, sagt Jan Focken. Auch Gleichstellungsstelle, pro Wirtschaft GT und viele mehr laden hier zu Veranstaltungen, zu Vorträgen oder Lesungen ein.
Ein Besuch lohnt sich
Nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch Besucherinnen und Besucher sind angetan vom Klinker, Stahl, Beton, Buchenholz und Glas. Materialien, die sich in ihrer Kombination auf Wesentliches beschränken, aber viel Raum lassen für das, was man das menschliche Maß nennen könnte. Eine bebaute Umgebung, in der sich die Menschen wohlfühlen. Auch Architekten loben dieses öffentliche Gebäude.
1998 erhielt das Kreishaus vom Bund Deutscher Architekten (Bezirksgruppe Ostwestfalen) die „Auszeichnung guter Bauten.“ Eine weitere Auszeichnung erfolgte für das behindertengerechte Bauen. Das Kreishaus spielt als architektonisches Highlight nicht nur für Besucherinnen und Besucher aus der Region eine Rolle. In den Anfangsjahren war die Nachfrage nach Besichtigungen groß. Auch heute noch gehört eine Führung durch das Kreishaus zum Programm für Besuchergruppen, die zum Beispiel aus Valmiera oder aus Güterslohs Partnerstadt Châteauroux kommen.
530 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten im Kreishaus, das eine Nutzfläche von 28.000 Quadratmetern hat. Insgesamt sind es 1.800 Mitarbeitende, die ihren Dienst für den Kreis Gütersloh in Regionalstellen und Gebäuden wie Bauhöfe, Rettungswachen und Kreisleitstellen leisten. Die Schreibtische im Kreishaus sind zum großen Teil mit mehr als einem Mitarbeiter belegt. Seit den Erfahrungen mit Corona arbeiten viele im Wechsel, nutzen Homeoffice und den Arbeitsplatz im Kreishaus. Die Raumreserven sind erschöpft. 26 Jahre nach dem Bau des Kreishauses entsteht in unmittelbarer Nachbarschaft „Auf dem Stempel“ ein weiteres Verwaltungsgebäude für 280 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier sollen das Jobcenter, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bislang auf vier Standorte in der Kreisstadt verteilt sind, die Abteilung Jugend und die Revision, die aus Wiedenbrück zurückkehrt, einziehen.
Gelungene Zwiesprache mit der Natur
Als das Kreishaus 1997 seiner Bestimmung übergeben wurde, stand das Haus fast allein in der Landschaft. Nach und nach rückte die Bebauung näher. Das Haus ist längst keine Insel mehr. Aber es bleibt der Natur treu. Der Magerasen rund ums Haus ist eine Oase für Bienen. „Der wird nur einmal im Jahr gemäht, sodass sich hier seltene Pflanzen wieder ausbreiten konnten,“ sagt Peter Westerbarkei. Die dreigeschossige Bauweise übersteigt nicht die Wipfelhöhe der Bäume.
Die Bürofenster ziehen sich wie ein Band ums Gebäude. Wer einen Flur im Kreishaus betritt, läuft niemals gegen eine dunkle Wand. Der Blick fließt stets in die Natur, ins Helle. Die Ausstrahlung des Gebäudes entscheidet darüber, dass sich die Menschen hier wohlfühlen.