Auf Streifzug durch den Stadtpark und Botanischen Garten Gütersloh
Fotos: Daniela Toman
Autor, Stadt- und Parkführer Matthias Borner kennt sich aus – nicht nur in den Straßen und auf den Plätzen von Gütersloh, sondern auch in der Botanik. Sechs Jahre lang veröffentlichte er regelmäßig in den Lokalzeitungen seine Kolumne zu großen und kleinen Raritäten der Pflanzenwelt. Wo sie zu finden sind? Zehn Fußminuten von der Innenstadt entfernt im Stadtpark und Botanischen Garten Gütersloh.
Matthias Borner, wie sind Sie eigentlich zum Botanischen Garten gekommen?
Ganz ehrlich? Ich hatte mit dem Thema Garten eigentlich nichts am Hut. Gefühlt auf dem Stand eines Fünftklässlers kannte ich grob den Unterschied zwischen Blume, Busch und Baum. Garten bedeutete für mich als Jugendlicher immer nur Arbeit: Rasen mähen oder Laub harken. Erst als Stadtführer lernte ich über die beiden Kolleginnen und ausgewiesenen Expertinnen Barbara Weidler und Daniela Toman die Besonderheiten unseres Stadtparks und Botanischen Gartens kennen und schätzen.
„Alles schön grün hier!“ – Ihnen geht es um mehr als nur um die Schönheit von Stadtpark und Botanischem Garten – richtig?
Tatsächlich geht es mir als Parkführer darum, den Erfahrungshorizont zu erweitern und Wissen zu den Pflanzen zu vermitteln. Zu zeigen, dass sich beispielsweise über eine wasserspeichernde Blattstruktur die Charakteristik des ursprünglichen Lebensraums einer Pflanze feststellen lässt. Ich möchte aber auch über gartenarchitektonische Konzepte berichten. Zum Beispiel über den Renaissancegarten oder auch über neue Gartenkunst, damit die modernen Strömungen eingeordnet, wahrgenommen werden können. Außerdem liegt mir daran, die Sinne für die zahlreichen seltenen Pflanzen und Bäume zu schärfen, die hier aus allen Kontinenten zusammengetragen wurden.
Was ist das Besondere am Botanischen Garten Gütersloh?
Das Besondere ist, dass Gütersloh überhaupt einen Botanischen Garten hat. Es gibt rund 90 in Deutschland, vor allem in den Universitätsstädten. Gütersloh hatte dagegen im Eröffnungsjahr des Stadtparks 1909 gerade einmal 8.000 Einwohner. Es waren Impulse aus der Bürgerschaft, die einen Ort der Entspannung von der Arbeit, die Möglichkeit des Ausgleichs forderten und klar formulierten: „Wir brauchen öffentliches Grün.“ Drei Jahre später – also vor 110 Jahren –
legte dann Stadtgärtner Karl Rogge den Botanischen Garten an: mehr fürs Auge mit sehr vielen verschiedenen Pflanzen aus allen Erdteilen und auf engem Raum. Wo zuvor Birken und Fichten standen, gab es plötzlich den Kentucky-Geweihbaum oder die Japanische Lärche – Bäume, die damals niemand zuvor gesehen hatte. Heute schauen wir einfach in Suchmaschinen nach …
Auch wenn in Gütersloh eine Systematik bei der Bepflanzung fehlt, was ein klassisches Merkmal von Botanischen Gärten darstellt, so erfüllt der Botanische Garten Gütersloh bis heute seine Funktion als Schaugarten, indem er zeigt, was alles möglich ist. Dazu zählen unter anderem der Asterngarten, der Hecken- und Lavendelgarten oder der Steingarten. Darüber hinaus gibt er Anregungen für die eigene Gartenbepflanzung und -pflege.
Dass Botaniker – lang ist’s her – zu regelrechten Pflanzenjägern wurden, kommt einem heute komisch vor. Wie war das damals?
Pflanzenjäger gab es bereits ab dem 17. Jahrhundert. Als Forschungsreisende entdeckten sie dort, wo es weiße Flecken auf der Landkarte gab, die Flora und Fauna. Im 19. Jahrhundert begann dann eine Art Wettstreit darum, neue exklusive Pflanzen im königlichen Auftrag zu finden. Zielgebiete waren dabei beispielsweise der Kongo, Australien oder Ostasien. Die „Jagd“ war von wirtschaftlichen Interessen geleitet, somit waren die Pflanzenjäger quasi die Versandhändler des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Bekannt ist der Wettlauf um den Taschentuchbaum. 1899 machte sich Ernest Henry Wilson auf die Suche nach Taschentuchbaum-Samen. Er sollte ganze drei Jahre brauchen und 21.000 Kilometer durch Ostasien reisen, bis er welche nach England bringen konnte. Leider war er zu spät, denn dem Pariser Naturkundemuseum war es bereits gelungen, einen Taschentuchbaum aufzuziehen. Natürlich haben wir auch ein Exemplar – von insgesamt nur dreien im ganzen Stadtgebiet – an der Birkenwiese im Stadtpark.
Taschentuchbaum, Lebkuchenbaum oder Faulbaum – was hat es mit den Namen auf sich?
Das sind sozusagen sprechende Namen: Beim Taschentuchbaum hängen zwischen April und Juni an den Zweigen unzählige weiße Blüten, die an Taschentücher erinnern. Das nasse Laub des Lebkuchenbaums riecht nach Lebkuchen, und beim Faulbaum stinkt die Rinde faulig.
Welche Rolle spielt die „Jagd“ heute?
Die Jagd ist eine andere: Heute sind es die vielfältigen Fotomotive, die am Wochenende zahlreiche Besucher anlocken. Wer einen Blick auf die unterschiedlichen Autokennzeichen wirft, wird entdecken, dass sie aus ganz OWL und sogar aus den Niederlanden stammen. Im Sommer 2016 war die Pokémon-Jagd hoch im Kurs. Damals streiften hunderte Jugendliche auf der Suche nach virtuellen Monstern durch den Botanischen Garten und Stadtpark.
Buchtipp
Ab in die Botanik!
Parkführer Stadtpark und Botanischer Garten
www.ostwestfaelisch.de
www.stadtpark-guetersloh.de
Welches ist der dickste Baum im Stadtpark?
Es ist die Schwarz-Pappel. Vielleicht kennt die eine, der andere sie? Fährt jeden Tag an ihr vorbei? Die Schwarz-Pappel steht an der Parkstraße und ist eine der letzten ihrer Art in Nordrhein-Westfalen. Als einziges Exemplar in der ganzen Stadt überragt sie mit einem Stammumfang von 5,21 Metern und 20 Metern Höhe die meisten ihrer Artgenossen.
Gibt es noch andere Titanen und Sehenswürdigkeiten?
Ich mag vor allem den Kaminroten Zylinderputzer, weil er mit seinen auffällig geformten und gefärbten Blütenpuscheln eigentlich fast wie ausgedacht aussieht. Das tischhohe Mammutblatt erinnert an riesigen Rhabarber und ist nur in öffentlichen Parks zu bewundern. Der Ginkgo-Baum, der weder Laub- noch Nadelbaum ist, an der Hyazinthenwiese und im Apothekergarten, fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Ebenso die wunderschön blühende Tulpen-Magnolie im Asterngarten, in der Nähe der Sonnenuhr. Ich könnte die Aufzählung jetzt lange fortführen …
Gibt es einen persönlichen Tipp für den nächsten Parkbesuch?
Wie wär’s: einfach einmal seine Sinne zu schärfen und den Park für sich zu entdecken – zu allen Jahres- und auch Tageszeiten?! Nicht vergessen: Der Botanische Garten ist zwischen 8 Uhr und Sonnenuntergang geöffnet. Mein Tipp ist außerdem der Besuch des Info-Pavillons am Naturnahen Garten, der Ende vergangenen Jahres erneuert wurde. Ein Blick auf die Info-Tafeln lohnt sich!
Außerdem empfehle ich die Führungen durch den Park, zum Beispiel „Dicke Freunde – die Bäume im Botanischen Garten Gütersloh“. Daniela Toman und Barbara Weidler vom Förderkreis Stadtpark verraten eine Menge über die Geschichte der Bäume, über Besonderheiten, den Gebrauch der Früchte etc. von Ginkgo, Mammutbaum, Zimtahorn, Lebkuchenbaum, Kentucky-Geweihbaum, Tulpenbaum, Pappel, Birke, Buche und Co.