4Frames: mit 3D-Drucker vom Hobby zum Nebenbusiness im Triathlonmarkt

Fotos: Detlef Güthenke, Tobias Basel

Ein bisschen Glück muss man haben. Und Mut. Und Neugier, gepaart mit Begeisterungsfähigkeit und ganz viel Energie. Dann kann es klappen mit dem Abenteuer, neben einem ausfüllenden Fulltimejob in der Industrie noch in eine Selbstständigkeit zu gehen – step by step, risikominimiert, unter kluger Nutzung der persönlichen Ressourcen. Tim Stender, Vertriebsingenieur bei einem Maschinenbau-Unternehmen in Rheda-Wiedenbrück, ist noch jung und hat schon vieles richtig gemacht. Der stolze Familienvater mit drei Töchtern und Ehefrau Laura sowie dem Geschäftspartner Max Lesching entwickelt, produziert und vertreibt im wachsenden Markt der Triathlon-Szene Sonderteile für die Hightech-Räder. Aus dem 3D-Drucker, aerodynamisch konfiguriert und perfekt auf jede individuelle Form der Rohre, der Produktgrößen, der in Frage kommenden Positionierung abgestimmt. Die Arbeitsprozesse sind optimiert, das Team steht, und mit der Behindertenwerkstatt Wertkreis Gütersloh an der Hans-Böckler-Straße ist ein idealer Partner für die digitale Konstruktion und 3D-Fertigung gefunden. Eine Erfolgsgeschichte auf Gütersloher Boden, mit Gütersloher Temperament und Bodenhaftung.

Wertkreis-Mitarbeiter Emre Juzirov, hier im Austausch mit Tim Stender, konstruiert am Rechner und schreibt die Programme für den 3D-Druck.

Wir sind im Keller des Pavenstädter Einfamilienhauses von Tim Stender (35). Da, wo gewöhnlich Bügelbrett, Lebensmittel oder Getränkekisten lagern, sind die Regale voll mit Material für den 3D-Druck, sind Gewinde, Schrauben, Magnete, Werkzeuge, Verpackungsmaterial für den Versand ordentlich sortiert und werden stets mengengerecht vorgehalten. Mitten im Raum steht eine große Arbeitsfläche für die Kommissionierung der fertigen Produkte: spezielle Anbauteile aus dem 3D-Drucker für Triathlon-Zeitfahrräder. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Max Lesching (35, Banker und Hobby-Triathlet mit viel Kontakt zur Szene) und seinem Arbeitskollegen Alexander Hunger (Stender: „Alex musste zwischenzeitlich leider wegen Job und Familie aussteigen“) gründete der studierte Automatisierungselektroniker 2021 das Unternehmen Hunger Lesching Stender GbR mit der Marke 4Frames, als sich aus dem Hobby in der freien Zeit bald schon ein ordentliches kleines Business entwickelt hatte. Nach wie vor können die beiden mit voller Energie ihren Hauptberufen nachgehen. Der Erfolg ihres Nebenbusiness liegt in der professionellen Organisation der Abläufe von der Bestellung bis zur Auslieferung. Produziert wird heute nicht mehr im eigenen Keller, sondern von vier angestellten Minijobbern und vor allem beim Wertkreis Gütersloh.

Doch der Reihe nach. Am Anfang stand der Zufall: „Ein Arbeitskollege, ein Triathlet mit höheren Ambitionen, kam eines Tages auf mich zu. Er hatte bei einem Triathlon gesehen, dass sich der berühmte Jan Frodeno von seinen Technikern eine spezielle Toolbox unten im Rahmen seines Canyon-Fahrrads hatte entwickeln lassen und fragte mich: Du kannst doch dreidimensional zeichnen, kannst du nicht mal …?“ Tim Stender war nicht abgeneigt, die beiden diskutierten und schlossen einen Deal: Der Kollege bot ihm an, ihn in der Technologie der Applikationstechnik an den Betriebs-Maschinen zu coachen, dafür sollte Stender mit seinem CAD-Programm eine exakt auf sein Fahrrad abgestimmte Toolbox konstruieren und es mit einem 3D-Drucker letztlich produzieren.

Das Ergebnis war perfekt, die Toolbox für allerlei Kleinkram, den der Fahrer braucht, passte haargenau, und so kam es, wie es kommen musste: Es folgten weitere Anfragen aus der Szene; aus dem einmaligen Sonderteil wurde bald schon eine kleine Produktfamilie – passgenaue Anbauteile, die nicht nur einen hohen Funktionswert haben, sondern mit ihren aerodynamisch optimierten Formen auch richtig schick aussehen und für die Besten der Besten die eine oder andere Rennsekunde im Kampf auf windiger Straße noch herausholen. Dass Jan Frodeno in seinen Tools auf Ersatzschlauch, Reifenheber, Druckluftkartusche, Mantelhebler, Ventil und so weiter verzichtet, ist bei seinem Leistungsniveau selbstredend: Die Montagezeit bei einem Unfall – Triathleten dürfen, anders als bei Radrennfahrern, keinerlei Hilfe von außen annehmen – wäre nicht aufzuholen, Frodeno würde sofort aussteigen. Spitzenfahrer wie er nutzen die im 3D-Druck produzierten Anbauteile allein aus einem Grund: Sie verbessern die Aerodynamik des Fahrrads.

Die Produktpalette von 4Frames kann sich inzwischen sehen lassen: Da gibt es aerodynamische Sattelboxen für Ersatzteile („AeroRear“ und „AeroToolbox“), Boxen für den Verstau von Energielieferanten („AeroEnergised“), ein Front-Trinksystem mit optimierter Aerodynamik („AeroEndurance“) und Zubehörteile für Flaschenhalter und Sattelstange – alles angepasst an das jeweils individuelle Fahrrad. Während Tim Stender Ansprechpartner beim Thema Entwickeln und Umsetzung neuer Projekte ist, kümmert sich Max Lesching um Social Media Marketing und um Aufbau und Pflege von Partnerschaften und Kooperationen.

Das kleine Gewerbeunternehmen wird von Tim Stenders Frau Laura kaufmännisch geführt. Die BWLerin (Masterabschluss) mit Erfahrung im Controlling ist für Stender ein „Glücksfall“, der es ihm und Max Lesching ermöglicht, die Triathlon-Szene mit immer neuen Tools für ihre Fahrräder zu versorgen. Das gilt vor allem für die in Europa führenden Canyon-Räder: „Da können wir inzwischen für alle Varianten und Ansprüche liefern.“

4Frames verkauft international über Shopify, Lieferzeit: drei bis vier Tage. Noch immer schreibt Tim Stender die Programme selber und hat auch noch jedes Produkt zur Qualitätskontrolle selber in der Hand, spätestens beim Verpacken zum Versand. Es läuft also – aber wohin? Man könnte doch auch in den normalen Fahrrad-Konsumentenbereich expandieren? Stender bremst: „Wir wollen ein gesundes Maß für unsere Nebenarbeit behalten. Wir hatten auch schon zu viele Bestellungen auf einmal gehabt, sodass wir nicht schnell genug bedienen konnten. Deswegen haben wir beschlossen, unsere Strukturen Nebenjob-gerecht zu gestalten. Wir wollen nur im skalierbaren Maß wachsen, weil ich meinen festen Job bei meinem Arbeitgeber keinesfalls aufgeben will, denn der macht mir viel Freude und Max geht es in seinem Beruf genauso. Unser Ziel bleibt, eine gut organisierte Nebenarbeit mit einem tollen Produkt zu betreiben. Das ist auch etwas, was ich immer neben meinem Beruf gesucht hatte, deswegen reagierte ich sofort positiv auf die damalige Anfrage meines Kollegen. Ich bin Fußballer und da sagt man ja: Wer nicht schießt, schießt auch kein Tor.“

Das trifft auch auf die schnelle Entscheidung zu, mit dem Wertkreis, wo Laura Stender arbeitet, zusammenzuarbeiten. Die Kooperation ist ein Erfolgsmodell, beide Seiten sind hoch motiviert: „Ein körperlich stark eingeschränkter Mitarbeiter, der die Lizenz für unser Programm hat, konstruiert für uns und schreibt dann auch die Druckprogramme, ein anderer Mitarbeiter baut die Produkte zusammen. Das läuft wirklich hervorragend und entlastet zudem unsere vier Minijobber, die das ja nur nebenberuflich machen.“

Es bleibt also ostwestfälisch-boden-ständig bei 4Frames, da hebt keiner ab;
einen guten Job zu haben und ein schönes Hobby nebenbei zu betreiben, ist Erfüllung genug. Sieht nach einer gesunden Entwicklung aus.