Sie ist uralt und bildschön, vereint französische Elegance mit deutscher Ingenieurskunst – kurzum:
Die 95 Jahre alte Terrot von Christian Westerhelweg ist eine Klasse für sich.
Fotos: Detlef Güthenke
Wenn die silbrig-schwarze Französin mit heiserer Stimme über den
Asphalt knattert, zieht sie alle Blicke auf sich, und nicht ohne Stolz
präsentiert sie ihr gelbes Markenlogo auf tannengrünem Hintergrund: Terrot. Ein renommierte Hersteller aus Nordfrankreich, der einst Strickmaschinen herstellte, bevor er sich mit deutschem Know-how und einem kaufmännischen Kompagnon auf die Konstruktion angesagter Zweiräder konzentrierte. Die F 50-250 Sport kommt also aus gutem Hause.
Passion für besondere Fahrzeuge
„Ich liebe besondere Fahrzeuge“, sagt Christian Westerhelweg aus Isselhorst und berichtet von seiner Passion für alles Außergewöhnliche auf Reifen und dass ihn Geschichte im Allgemeinen und Geschichten alter Mehrräder im Besonderen faszinieren.
So nimmt er nicht nur im Sattel der alten Französin, sondern auch auf den Sitzen von Frau „Lehmann“ also der Le Mans (850 – Guzzi ) oder seines antiquarischen Miele-Rads Platz. „Ich staune darüber, wie die ja eigentlich simple Technik meiner Zweiräder die Zeit überdauert. Sie haben allesamt viele Jahre auf dem Buckel, aber mit einer ordentlichen Portion Pflege und mindestens ebenso viel Liebe tun sie auch heute noch ihren Dienst“, erzählt der Heizungsbau-Installateur und von seiner Ehrfurcht vor solch langlebiger Technik.
Stolze 11 PS bringt die luftgekühlte Zweitakterin auf die Straße, verbraucht zehn Liter Sprit auf 100 Kilometer und saust stolze 70 km/h in der Spitze. Wenn es dunkelt wird, leuchten ihre Scheinwerfer in warmem Gelb statt dem kalten, nach der StVO aber eigentlich obligatorischem Weiß.
Altes bewahren
Ich bringe es auch nicht übers Herz, ein schnödes Kennzeichen auf den traditionsreichen Corpus zu schrauben, schmunzelt Westerhelweg, zeigt auf das handgefertigte Original und zieht ein modernes Nummernschild aus der Tasche seiner patinierten Lederjacke in dunklem Braun, das gemeinsam mit cognacfarbenen Boots und gleichfarbigem Helm sein Biker-Outfit anno dazumal komplettiert. „Das bin dich der alten Dame schuldig, dass ich mich für sie ein wenig in Schale schmeiße“, legt der 57-jährige Wert auf einen respektvollen Umgang mit dem Alter.
Auch ein Lappen befindet sich stets in seinem Handgepäck, denn eine gewissen Inkontinenz lässt das betagte Gefährt mit fettgeschmiertem Getriebe hin und wieder tröpfeln.
„Neulich haben mich zwei junge Polizisten angehalten: Ich dachte, nun gibt´s Ärger wegen der alten Plakette, doch die interessierten sich für den TÜV – und den habe ich nach abenteuerlichem Hin und Her tatsächlich bekommen.“ Es gelte dort, so der Oldtimer-Liebhaber, der Spruch zum Prüfer: „Wenn du die kontrollieren willst, mach sie selber an“ – insofern entfiel die Probefahrt … Aber sie ist ja tipptopp in Schuss, die Maschine, und blank gewienert sowieso.
Gemächliches Glück
Zwar tritt Westerhelweg von Haus aus gerne richtig aufs Gas, muss bei Mademoiselle, wie sie liebevoll genannt wird, aber immer den langen Bremsweg einkalkulieren. „Bei uns geht es nicht von null auf hundert und zurück, das funktioniert dem Alter entsprechend eher gemächlich.“ Deshalb fährt man auch nur flach und „nicht weiter, als dass man den Kirchturm vom nächsten Dorf immer noch sehen kann …“ Schließlich ist die treue Gefährtin nicht vor Pannen gefeit und auch schonmal durch einen Kolbenklemmer außer Gefecht gesetzt.
Richtig aus dem Häuschen war Christian Westerhelweg übrigens, als er kürzlich beim Traditionstreff an der Brocker Mühle in Herzebrock einen Fahrer traf, dessen Maschine ebenfalls 1930 gebaut wurde. „Die Mademoiselle ist ja selbst für einen Oldtimer schon wirklich alt – und so trifft man Jahrgangs-Kolleginnen absolut selten. „Das war für mich wie ein Sechser im Lotto!“