Darauf fahren nicht nur Oldtimer-Fans ab

Text: Jessica Kaup . Fotos: Detlef Güthenke

Es ist der Hotspot für Motorsport-Freunde und eine ganz und gar außergewöhnliche Location: Das Kabelwerk in Beelen, unweit zum Kreis Gütersloh. Das ehemalige Fabrikgelände lädt nicht nur regelmäßig zu Oldtimer-Treffen, sondern beheimatet auch einige echte Koryphäen, die aus Fahrzeugen besondere Schmuckstücke machen.

Das ehemalige Industrie-Areal an der B 64 hat es in sich: Neben stylischem Café und Restauration haben dort einige hervorragende Mechaniker ihre Garagen bezogen und tüfteln, schrauben, biegen, kleben und polieren mit viel Passion und Handwerkskunst an Exklusivem auf vier oder zwei Rädern. Gerade die alten Schätze sind im Kabelwerk gut aufgehoben, bekommen hier auf Anfrage angemessene Stellplätze oder dürfen sich auf Oldtimer-Treffen von ihrer schönsten Seite zeigen.

Parade alter Schönheiten
Jeden letzten Donnerstag im Monat – zwischen März und Oktober – fahren sie vor, die betagten Sammler-Stücke und flanieren vor der historischen Kulisse der rotbraunen Backsteingebäude, die Bauunternehmer Ludger Westkämper vor nunmehr 13 Jahren gemeinsam mit Andreas und Matthias Obst aus dem Dornröschen-Schlaf zu neuem und gänzlich anderem Leben erweckt hat: Eine Event-Location, in der sich vornehmlich alles um Mobilität dreht, die dazu mit Tagungsräumen und Messehallen aufwartet und alle einlädt, die den rauen Charme alter Industriehallen und den Blick fürs Detail lieben. Sie alle nehmen hier – zumindest für einen Moment – den Fuß vom Gas und treffen sich in bewusst entschleunigter Atmosphäre.

Pur und Präzise – Marvin Diehl ist Perfektionist
Die einen würden es Motorad-Werkstatt nennen, doch die Garage, in der Marvin Diehl seine Handwerkskunst betreibt ist weit davon entfernt. Es ist vielmehr eine Metallmanufaktur, in der ausgefeilte Meisterstücke Form annehmen.

„Entwicklung und Handel mit Rennsportteilen, Modell- und Prototypenbau, Kleinserienfertigung von Rennsportteilen“ – so lautet die offizielle und durchaus schnörkellose Beschreibung rund um Marvin Diehls Gewerbe im Kabelwerk. Doch der gelernte Karosserie- und Fahrzeugbauer, der schon mit Benzin im Blut zur Welt kam, fertigt nicht so ausdrucksarm, wie diese Charakterisierung vermuten lässt, sondern schafft mit viel Leidenschaft echte Unikate: Ultra-Leichtgewichte beispielsweise oder rasante Rennmaschinen. Dabei überlässt er die Arbeit an Motoren in der Regel externen Könnern ihres Faches, ordert notwendiges Zubehör wie Blinker oder Leuchten bei renommierten Herstellern. Er selbst kümmert sich um den äußeren Feinschliff, konzentriert sein Können auf den Korpus von Honda, Yamaha, Ducati und Co., so dass diese in ihren fahrtechnischen Eigenschaften optimiert werden und darüber hinaus zu einer Augenweide avancieren.
Auch die Werkräume haben mit einer herkömmlichen Mechaniker-Hause wenig zu tun: Aufgeräumt, geradezu clean, gibt der weitläufige Loft Diehls Motorrad-Reich den passenden Rahmen eines modernen Ateliers – allerdings nicht ohne eine typvolle Patina.

Metall in Formvollendung
„Am Anfang war das Blech“, so könnte wohl jede Geschichten aus Marvin Diehls Garage beginnen: In minutiöser Handarbeit werden hier Umbauten der besonderen Art erfolgreich durchgeführt, werden Rahmen gefertigt, Tanks und Verkleidungen in Szene gesetzt. Diehl hämmert, bohrt und biegt, formt und fräst, spannt metallene Rohlinge und den Bogen zwischen Kreativität und TÜV-Bestimmungen. Denn: Die Kunden des Beeleners lieben das Extravagante – kommen mit einer zündenden Idee, und legen diese in Marvin Diehls erfahrene Hände. Was dann folgt, ist profundes technisches Know-how, geschickte Fingerfertigkeit, und ein kleines bisschen Magie …

„Ich strebe einen flüssigen Verlauf an, ein klares Design und eine schöne Linienführung“, so der Mann, der eher Taten sprechen lässt anstatt viele Worte zu verlieren – sich wohl aber als Fachautor in der Szene einen Namen gemacht hat: „Profiwissen für Hobby-Schrauber und Restaurierer“ heißt das ultimative Werk zum Thema Schweißen, das er gemeinsam mit Motorjournalist Sven Wedemeyer erstellt hat. Schritt für Schritt erklären die Autoren alle Arbeitstechniken rund um die verschiedenen Schweißverfahren.
Und als ob er damit noch nicht genug zu tun hätte, ist Marvin Diehl auch als Influencer für Auto-Enthusiasten unterwegs und gewährt den mehr als 40.000 Followern online Einblicke in sein Schaffen.

Mit Gott und Borgward in der Garage
Er war einst Prediger, dann Müsli-Manager – inzwischen ist Patrick Preneux zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Örtlich und beruflich. In „Patricks Oldtimer Garage“ im Kabelwerk schraubt der Mann mit dem charakterstarken Konterfei an betagten Oldtimern. Die Borgwards sind ihm dabei die liebsten.

Die Leidenschaft für Oldtimer ist Patrick Preneux in die Wiege gelegt. Schon Vater Henry hat sich mit viel Passion den geschichtsträchtigen Fahrzeugen verschrieben und mit einem Oldtimer- und Fahrzeughandel in Oelde niedergelassen. Patrick zog es nach einer Lehre als Automechaniker zunächst hinaus in die weite Welt, in der er als Pater predigte und sich in der christlichen Jugendhilfe engagierte, bevor er Logistik-Manager in einer Fabrik für Frühstücks-Cerealien für Ordnung sorgte. Dann kam das Break: eine gewisse Leere und der Wunsch einen anderen Weg einzuschlagen. Einen neuen, alten. „Ich wollte wieder schrauben, das habe ich gefühlt!“ Seitdem hat er schon Hunderte von Borgward-Oldtimern mit eben so viel Technikverstand wie Herzblut restauriert und sich als lebendes Aushängeschild der Marke etabliert.

Mit der Isi quer durch China
Sein Image nutzte auch der chinesischen Automobilhersteller Beiqi Foton Motor, der 2015 die deutsche Marke kurzzeitig wiederbelebte. Er lud Patrick und Partnerin Daniela als Special Guest zur „Great Wall Classic Rallye, bei dem der Beelener seine Isabella nach rund 1.500 Kilometern quer durchs Reich der Mitte aufs Podest steuerte. Und das trotz kaputtem Tacho und anhaltendem „Blitzlichtgewitter“, denn die Chinesen zückten ihre Handy hundertfach, um den Deutschen in seinem Wirtschaftswunderwagen mit dem dezenten aber prestigeträchtigen rotweißen Rhombus auf dem Kühler zu fotografieren. Das ist inzwischen Geschichte, denn genau wie zuvor in Deutschland stoppte die Produktion der Borgwards später auch in China wieder. Für Preneux ebenso schmerzhaft wie unbegreiflich.

Alt aber alltagstauglich
Was die Marke Borgwards auszeichnet? „Die Autos sind – einmal in Stand gesetzt – wirklich zuverlässige und alltagstaugliche Partner ohne typische Schwachstellen“. Deshalb, so Preneux, kämen die Borgward-Piloten auch in eben diesen – ihren Oldtimern – zu den Treffen gefahren, zumeist in dem überaus populären Modell Isabella mit 75 PS und einem Verbrauch von acht Litern Benzin auf 100 Kilometer. Viele andere indes laden ihre Oldtimer sicherheitshalber auf den Anhänger, denn diese alten Stücke sind zwar schmuck, aber eben nicht mehr wirklich fahrtüchtig. Das ist nicht nur bei den PKW von Borgwards anders, auch bei den LKW. „Es ist eine ganz besondere Szene. Viele Fahrer selbst sind da 70 plus und steuern ihre alten Schätzchen viele hundert Kilometer weit zu Treffen mit Gleichgesinnten“, blickt Preneux geradezu liebevoll auf die Trucker-Senioren.

Oldtimer soweit das Auge reicht – das Kabelwerk ist auch aus der Luft ein eindrucksvoller Hotspot.

Der Kundenkreis von Patrick Preneux ist groß und reist von weither ins Kabelwerk.
„Die meisten Oldtimer-Fahrer sind leidenschaftliche Sammler und besitzen im Schnitt zwischen sechs bis acht nostalgiebehaftete Fahrzeuge. Ein Kunde von mir, der hatte allerdings tatsächlich 150 Oldtimer daheim stehen – und alle top restauriert. Da steckt dann schon ein bisschen Kleingeld dahinter“ – genauso wie bei dem Kunden, der sich einst das Borgward Coupé Cabrio kaufte, das Patrick mit seinem Vater flott gemacht und für nicht unerhebliche 120.000 Euro auf den Markt gebracht hatte. Das aber ist eher die Ausnahme, und der stets von Gott inspirierte Schrauber mag es auch weniger spektakulär: Er liebt es, mit Daniela und „seiner Isi“, deren Konterfei er sich auf den Unterarm hat tätowieren lassen, durch Italien „zu gurken“. „Es ist herrlich entschleunigend, sich mit 120 km/h durch die Landschaft treiben zu lassen, ein wunderbares Fahrgefühl.“ Aber auch in heimatlichen Gefilden ist Preneux gerne unterwegs. Man findet ihn nicht nur beim alljährlichen Come-Together der Borgward- Fans, sondern auch landauf landab auf Oldtimer-Treffen und auf Trödel- und Antikmärkten, denn neben Fahrzeugen von anno dazumal mag er auch in die Jahre gekommene Technik. „Außerdem stehe ich total auf Ost-Fahrzeuge“, verrät der Nostalgie-Fan.

Barbie, Bentley und ganz viel Bock auf Individualität
Pimp your Car ! – Genau das machen Ricardo Rüting und sein Vater mittels Car-Wrapping. Was zunächst als Hobby begann, hat sich in den Räumlichkeiten des Kabelwerks zu einem florierenden Nischen-Unternehmen entwickelt mit einem großen und offenbar sehr zufriedenen Kundenkreis von nah und fern. Neben super sportlichen Lamborghinis und Ferraris, betagten Oldtimern und extravaganten Special-Editions, stehen bei ihnen aber auch ganz normale Familienkutschen in der Werkstatt.

Getönte Scheiben statt Sonnenbrille, aufgeklebte Flammen statt gestochener Drachen – folierte Autos sind richtig coole Typen, oft farbenfroh, häufig hilfsbereit – als Taxi, Krankenwagen und Polizeiauto. Als Firmenwagen bringen sie Marketingbotschaften auf die Straße und im ÖVP kommunale Themen in den Stadtverkehr.
Car Wrapping oder auch „Fahrzeugvollverklebung“ verwandelt Fahrzeuge in charakterstarke Unikate oder erkennbare Funktionsträger. Bei dieser Folierung von Fahrzeugen werden Autos eben nicht lackiert, sondern mit einer stark elastischen Kunststofffolie gestylt. Angefangen bei einer Motivfolierung über eine Teilfolierung bis hin zur Vollfolierung – wie viel Fläche mit Kunststoff bekleidet wird, ist frei wählbar, und man kann von der Prilblume bis hin zum kompletten Farbwechsel alles wählen.

Von Chrom bis Pink
Einer, der bekannt dafür ist, Autos mittels Folie perfekt in Szene zu setzen, ist Ricardo Rüting aus Beelen. Gemeinsam mit Vater Frank betreibt er im legendären Kabelwerk sein Studio, und das ist echter Hotspot für Autoliebhaber: Neben der „normalen“ Kundschaft fahren hier Enthusiasten aus der Tuning-Szene und einige komplett verrückte private Auftraggeber vor: Manche verlassen sich auf Ricardos Einfallsreichtum und sind „vom Ergebnis begeistert“, andere lassen ihrer eigenen Fantasie freien Lauf und haben klare Vorstellungen, welche künstlerische Folier-Optik sie auf der Leinwand ihres Fahrzeugs aufbringen lassen wollen: „Wir haben mal einen luxuriösen Bentley komplett in goldenem Chrom foliert“, erinnert sich der Auto-Tätowierer, um dann mit einem breiten Grinsen im Gesicht von dem Fahrer eines Audi R8 zu erzählen: „Er hat für seinen Flitzer das knallrosa Barbie-Design geordert und ist dann über ein Jahr in dem glitzernden Pink chauffiert.“ Rüting selbst fährt seinen Mercedes AMG GTR unauffällig auffällig in Camouflage.

Formbar und langlebig
Besonders knifflig beim Folieren sei unter anderem die Stoßstange, verrät Rüting und erläutert: „Da ist am meisten Form drin. Auch Stellen mit Rillen oder Vertiefungen erfordern einiges an Geschick, Fingerfertigkeit und Geduld.“

Und was ist mit Nachhaltigkeit? „Die Folie punktet nicht nur als beliebtes Styling-Element, sondern schützt die Karosserie samt Lackierung, und wir haben viele Kunden, die ihr Auto durchsichtig folieren lassen, um Schäden am Lack zu verhindern. Insofern sehe ich die Folie gerade durch ihre Langlebigkeit im Vergleich zur klassischen Lackierung in Sachen Umweltverträglichkeit durchaus vorne.“
Dennoch: Wer sich satt gesehen hat an dem Trend-Motiv von 2013, wer den Namen seines Freundes von der Motorhaube exen oder einfach vom zarten Frühlingsgrün ins herbstliche Ocker wechseln möchte, der kann die Folie problemlos selbst abziehen. Besser aber, um Kleberückstände restlos aber schonend zu entfernen, ist auch hier der Besuch im professionellen Studio.

Gefragter Ausbilder
Ricardo Rüting ist übrigens nicht nur als Folierer tätig, sondern bildet mit sehr viel Freude auch aus: „Viele Werkstätten und Firmen schicken ihre Mitarbeiter zu uns, damit wir ihnen zeigen, wie man professionell Autos foliert.“ Aber auch Privatleute finden ihren Weg zu R Design ins Kabelwerk, um die feinen Kniffe mit dem stylischen Kunststoff-Design zu erlernen.