Fotos: Detlef Güthenke
Wer im Alter mobil ist, unterstützt seine Gesundheit, bewahrt sich ein Stück Lebensqualität und nimmt am sozialen Miteinander teil. Aber trotz demografischen Wandels fehlt es häufig an niederschwelligen und passgenauen Bewegungsangebote für ältere Menschen. Mit dem Programm „Bewegt ÄLTER werden“ zielt der Kreissportbund (KSB) Gütersloh genau auf diese Bedarfslücke ab und forciert u. a. mit dem Format „Gehtreff“ ein Angebot für Senioren, das reges Interesse in der Zielgruppe findet.
An diesem Donnerstagvormittag hat es der Wettergott gut gemeint mit den Teilnehmern des Gehtreffs in Gütersloh-Blankenhagen, die sich wie üblich um 10.30 Uhr an der Jakobuskirche im Ortskern treffen. Bei strahlendem Sonnenschein geht es nach einer kurzen Begrüßung zunächst in Richtung „Blankenhagen Beach“, wie die Gruppe das Ufer des kleinen Sees in der Nähe nennt. Gut eine Stunde werden sie unterwegs sein, aber „wenn es zehn Minuten länger dauert, weil wir was Interessantes sehen und mal eine kleine Pause machen, ist es auch nicht schlimm. Wir haben ja Zeit“, erzählt uns Gehpatin Annette Dankow, die den Treff vor drei Jahren mit ins Leben gerufen hat. So wie Gisela Oberröhrmann, sind die meisten ihrer heutigen Wegbegleiterinnen seit der Gründung mit dabei. Mit 85 Jahren ist die vitale Rentnerin die Älteste in der Gruppe, was sie aber nicht daran hindert, dem Tempo der Gruppe problemlos zu folgen. „Na ja, immerhin bin ich schon seit mehr als 50 Jahren im Gütersloher Turnverein aktiv, mache auch noch Nordic Walking und bewege mich auch sonst noch recht viel. Das hält fit“, erzählt sie uns lachend. Es ist aber nicht nur der Wunsch nach Bewegung, der sie jede Woche zum Gehtreff führt. „Ich freue mich jedes Mal auf das gemeinsame Erleben in der freien Natur. Da entdecken wir immer wieder Wege und Orte, von denen ich nicht wusste, dass es sie gibt.“ Auch Regine Meiners, die von ihrer Nachbarin vor drei Jahren auf das Angebot aufmerksam gemacht wurde, schätzt das Miteinander in der Gruppe sehr. „Ich finde es schön, sich auszutauschen und in einer netten Gruppe unterwegs zu sein, in der aufeinander Rücksicht genommen wird. Da fühle ich mich einfach gut aufgehoben.“ Dabei wird das Tempo, in dem die Gruppe geht, immer vom langsamsten Teilnehmer bestimmt. Dementsprechend variiert auch die Länge der Distanz. „In der Regel gehen wir rund drei Kilometer, aber es kann auch schon mal weniger sein. Uns ist es vor allem die Bewegung und das Miteinander wichtig, nicht das Tempo oder die Kilometerzahl. Aus dem Alter sind wir inzwischen raus“, schmunzelt Annette Dankow.
Kreisweites Angebot stößt auf reges Interesse
Rund 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche gelten laut Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO als ausreichend. Auch die Deutsche Herzstiftung rät, sich an vier bis fünf Tagen pro Woche mindestens eine halbe Stunde zu bewegen. Dabei gilt gerade das Spaziergehen für Menschen im höheren Alter als geeignete Form, sich im Alltag regelmäßig und schonend zu bewegen. Kein Wunder, dass die Gehtreffs des KSB regen Zulauf erfahren. In gut 25 Gehtreffs kreisweit nutzen rund 400 zumeist ältere Menschen mittlerweile wöchentlich die Chance und bewegen sich bei (fast) jedem Wind und Wetter in der freien Natur. Der erste Gehtreff startete 2014 in Werther und „läuft“ bis heute. Als letzter Neuzugang wurde im November 2024 der Gehtreff in Gütersloh-Spexard ins Leben gerufen. „Mittlerweile konnten wir in zehn Kommunen des Kreises Gütersloh ein Gehtreff etablieren. Mal schauen, ob es uns nicht auch noch gelingt, an weiteren Standorten entsprechende Angebote zu platzieren“, schildert Jennifer Jones, Projektleiterin und Referentin des KSB, die aktuelle Entwicklung. Seit dem 1. Januar 2025 koordiniert sie das Programm, das 2011 als Förder- und Strukturprogramm des Landessportbundes ins Leben gerufen worden war und seit Ablauf der Projektlaufzeit 2022 vom KSB als Handlungsfeld in Eigenregie fortgeführt wird. An der Zielsetzung habe sich aber nichts geändert, erläutert sie: „Wir wollen im Kreis Gütersloh ein „Bewegtes Älterwerden“ fördern. Dafür greifen wir altersrelevante Themen auf und entwickeln in Zusammenarbeit mit Sportvereinen sowie mit Partnern aus kommunalen Gremien und Initiativen neue Angebotsformate, die sich so wie unsere Gehtreffs im besten Fall auch nachhaltig etablieren.“
Um die Vielzahl der Programmbausteine umzusetzen, braucht es jede Menge Eigeninitiative und ein starkes Partnernetzwerk, vor allem aber ehrenamtliches Engagement. „Bewegung ist ein wichtiger Baustein, um die Lebensqualität auch im Alter zu erhalten. Damit wächst die Notwendigkeit, für diese Personen ein entsprechendes Alterssportangebot zu gestalten. Mit unserem breit angelegten Programm kommen wir diesem Auftrag nach, sind aber auch auf das ehrenamtliche Engagement vieler Menschen angewiesen.“ Daher gilt ein Hauptaugenmerk der Weiterbildung der Helfer. Neben Basisschulungen zu einzelnen Fachthemen werden Weiterbildungen zu Übungsleitern angeboten, beispielsweise zum Gehtraining und Gangschule, Sport für Menschen mit Demenz oder zum Thema Sturzprävention und -prophylaxe. „Gerade die beiden letztgenannten Themen sind für ältere Menschen sehr wichtig. Daher schulen wir nicht nur Helfer auf diese Themen, sondern bieten auch entsprechende Trainings- und Übungsprogramme an“, erläutert Jennifer Jones.
Rollator-Training gibt Sicherheit und fördert Sturzprophylaxe
Denn auch wenn regelmäßige Bewegung den natürlichen Alterungsprozessen entgegengewirkt: Mit zunehmendem Alter nimmt die Muskelmasse tendenziell ab, und die Knochen verlieren an Dichte. Oft wird dann selbst das normale Gehen zur Herausforderung. In diesen Fällen können Rollatoren und andere unterstützende Hilfsmittel wertvolle Dienste leisten, vorausgesetzt, man weiß auch damit umzugehen. „Viele ältere Menschen bekommen irgendwann einen Rollator vor die Nase gesetzt, wissen aber gar nicht, wie sie ihn handhaben sollen“, stellt Annette Dankow fest. „Das fängt bei ganz einfachen Anwendungen an, beispielsweise beim Überwinden von Bordsteinen und Stufen oder dem Sicheren Hinsetzen auf einen Stuhl oder eine Bank. Darum absolvieren wir leichte Gehtrainings auf angepassten Strecken, geben Tipps zum sicheren Umgang mit dem Rollator und trainieren mit einfachen gymnastischen Übungen Kraft und Balance. Mindestens ebenso wichtig ist aber der Spaß und die Freude am gemeinsamen Miteinander, die wir bei den Trainings vermitteln. Für viele ist das am allerwichtigsten.“ Mehrere Vereine im Kreis Gütersloh haben die Thematik aufgegriffen und bieten teils mit kommunalen Partnern entsprechende Trainings an.
Knapp 100 Teilnehmer/-innen sind Beleg dafür, wie wichtig das Training den Betroffenen ist. „In Verl gibt es mittlerweile sogar einen eigenen Rollator-Club“, berichtet Annette Dankow. Im Gegensatz zu den Gehtreffs ist das Angebot allerdings nicht überall – wie zum Beispiel in Verl – kostenfrei, es sei denn, das Kursangebot ist als Rehabilitationsmaßnahme anerkannt und die Teilnehmer können ein entsprechendes ärztliches Rezept vorweisen. „Tatsächlich ist das Rollatortraining des GTV als Reha-Maßnahme anerkannt, d.h. hier sind die Leistungen bereits kostenfrei“, erläutert Jennifer Jones.
Ein anderes wichtiges Thema ist Bewegung als Mittel der Demenz-Prävention. Bewegung und Sport haben auch in diesen Fällen nachweislich positive Nebenwirkungen und können dabei unterstützen, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und krankheitsbedingte Defizite zu kompensieren. Gute Gründe für den KSB, sich seit zehn Jahren mit dem Thema zu beschäftigen. Insgesamt sieben Sportvereine aus dem Kreis sind gemeinsam mit der Alzheimer Gesellschaft und der Aktion „Atempause“ der Diakonie in der Arbeitsgruppe „Sport, Bewegung und Demenz“ zusammengeschlossen. Ziel der AG ist es, auf die besondere Bedeutung von Bewegung für Demenzerkrankte hinzuweisen und auf bestehende Angebote aufmerksam zu machen. Neben der Möglichkeit der Teilnahme an Gehtreffs, Spaziergängen und Nordic-Walking-Angeboten umfasst das Portfolio auch Radfahren, Tanzen und Wandern. Annette Dankow: „Das aktiv sein in einer Gruppe ist auch für Demenzerkrankte Menschen ein wichtiger Baustein ihres Alltagslebens. So können sie Gemeinschaft erleben und am sozialen Leben teilhaben.“ Dass dieses Modell auch in der Praxis funktioniert, hat sie schon selbst erfahren. „Eine Teilnehmerinnen des Gehtreffs hatte Probleme in der Orientierung und im Gangbild. Da waren wir als Gemeinschaft gefordert, sie zu unterstützen und anzuleiten. Dass hat aber ganz hervorragend funktioniert und auch uns als Gemeinschaft zusammengeschweißt.“

Altersportangebote werden in Zukunft wichtiger
Gehtreffs und Rollatortrainings, Angebote für Demenzkranke oder die 2015 gestartete Veranstaltungsreihe „Sport im Park“, die Sportvereine die Gelegenheit gibt, ihr Angebot für junge und alte Mitbürger/-innen vorzustellen – das Leistungsportfolio des KSB ist breit aufgestellt. Eine Ausrichtung, die nach Ansicht von Jennifer Jones in Zeiten des demografischen Wandels aber auch nötig ist: „Diese Zielgruppe wächst kontinuierlich und damit auch deren Bedürfnisse. Hier sind Vereine und Verbände, aber auch wir als Sozialgemeinschaft gefordert.“ Dieser Wandel zeige sich auch in der wachsenden Nachfrage nach dem Alltagsfitness-Test für Menschen ab 60 bis 99 Jahre, den der KSB in Kooperation mit Sportvereinen kostenfrei anbietet und der Auskunft gibt über die aktuelle Fitness. Jennifer Jones: „Hier zeigt sich, dass ältere Menschen ein stärkeres Bewusstsein für die eigene Gesundheit haben als noch vor ein paar Jahren. Umso wichtiger ist es, geeignete Angebote zu entwickeln und passende Rahmenbedingungen bereitzustellen. Hier sind wir vom KSB schon auf einem guten Weg, haben aber auch noch Luft nach oben.“