Am nachhaltigsten ist es, wenn etwas gar nicht neu produziert, sondern wiederverwendet wird. Das funktioniert tatsächlich auch beim Bauen. Mit 35 Jahren Erfahrung im Bereich Baudenkmalpflege weiß die Rietberger Fachwerkstatt Drücker, wie nachhaltiges Bauen funktioniert.
Fotos: Detlef Güthenke
In der Baudenkmalpflege arbeitet man mit den Materialien, die das Gebäude sozusagen „vorschreibt“. Und das sind in der Regel ausschließlich nachhaltige Baustoffe, wie Eichenholz, weichgebrannte Ziegel, Kalkmörtel, Hanfdämmung und Lehm.
Nachhaltigkeit ist beim Bauen nichts Neues. Bereits im Mittelalter wurden Baustoffe wiederverwendet. „Heute ist noch der energetische Faktor dazugekommen. Wir müssen für die entsprechende Wärmedämmung sorgen“, so Geschäftsführer Erasmus Drücker. Dafür werden bei der Sanierung ebenfalls nur die bereits genannten Werkstoffe verwendet – und das ist natürlich durch und durch nachhaltig. Und im Übrigen komplett schadstofffrei. „Ich würde sagen, dass unsere Mitarbeitenden durchs Rauchen oder Fahrten mit Lieferwagen und anderen Autos mehr Schadstoffe freisetzen als unsere Bautätigkeit“, lacht Drücker, dessen erklärtes Ziel es ist, in historischen Gebäuden modernes Wohnen erlebbar zu machen.
Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft
Bei der Sanierung eines Fachwerkhauses spielt Holz eine der wichtigsten Rollen. In der Regel wird bei Drücker Eichenholz verarbeitet. Das kommt aus nachhaltiger Forstwirtschaft aus der unmittelbaren Umgebung. „Unsere Eichen werden nicht weiter als 30 Kilometer transportiert,“ sagt der Geschäftsführer. Da man die Eiche so verarbeitet, wie sie gewachsen ist, wird auch keine 1A-Ware benötigt. Die Bäume, die gefällt werden, nachdem sie 150 Jahre gewachsen sind, werden wirklich bis zur letzten Faser verwendet. Und die Holzspäne, die entstehen, werden für den Betrieb der firmeneigenen Holzhackschnitzel-Anlage verwendet.
Auch alte Ziegel werden, wenn der Bauherr es wünscht, wieder genutzt. Da sie in der Regel mit Kalk vermauert wurden, sind sie leicht zu reinigen und jederzeit wiederverwendbar. Gerade weich gebrannte Ziegel, die sogenannten Feldbrandsteine, sind heute ein beliebtes Baumaterial und werden auch gerne für die Gestaltung dekorativer Innenwände genutzt.
Lehm an der Wand
Gedämmt werden die Häuser mit Holzweichfaserplatten. Diese bestehen ausschließlich aus sehr fein gefrästen Holzfasern, die unter Hochdruck zu Platten gepresst werden. Sind diese an der Wand angebracht, kann direkt der Lehmputz in einer zwei bis drei Zentimeter dicken Schicht als Oberflächenveredelung aufgetragen werden. Hier kann dann, wenn gewünscht, eine Wandheizung installiert werden. Alternativ kann auch mit Hanf gedämmt werden. Und nein, die Hanfdämmung kann nicht geraucht werden, es handelt sich um eine Stopfdämmung auf Pflanzenbasis.
Und warum soll ausgerechnet Lehm an die Wand? Er ist in der Lage, sehr schnell Feuchtigkeit aufzunehmen. Und umgekehrt kann er im Falle eines zu trockenen Raumklimas Feuchtigkeit abgeben. Von dieser Eigenschaft profitiert nicht nur das Raumklima, sondern auch das Holz. Da es Lehm in unterschiedlichen Farbgebungen gibt, kann man auf das Streichen eigentlich verzichten. Wer das nicht möchte, der darf nur mineralische Farben verwenden, ansonsten geht die Fähigkeit des Lehms, Feuchtigkeit zu binden, verloren. Ein weiterer wiederverwertbarer Werkstoff sind historische Dachziegel, die mit Strohdocken eingedeckt werden, um für Dichtigkeit zwischen den Ziegeln zu sorgen. Für einen Handwerker ist das ein sehr nachhaltiges und befriedigendes Arbeiten, denn man kann sich sicher sein, dass diese Gebäude wieder 300 Jahre halten.
Fenster, Türen, Treppen
Die Werkstatt Drücker ist auch Spezialist für die Wiederaufbereitung von Fenstern. Hier ist es etwas schwieriger, historisch genau zu arbeiten, da man die energetische Komponente in den Griff kriegen muss. Daher wird gerne mit einer zweiten Ebene, also einem Fenster hinter dem Fenster (sogenanntes Kastenfenster) gearbeitet.
Türen und Treppen gehören ebenfalls zu den Sanierungsfällen: Bei Türen werden verrostete Bänder und Scharniere gesäubert und instandgesetzt. Das Holz muss manchmal mit dem Heißluftfön von bis zu 20 Farbschichten befreit werden, bevor ein neuer Anstrich gemacht werden kann. Und wenn die Formate nicht passen, wird mit „neuem“ Holz verlängert.
Neubau – am nachhaltigsten mit Holz
Auch bei Neubauten macht sich die Fachwerkstatt Drücker demnächst ihre langjährige Erfahrung mit nachhaltigen Baustoffen zunutze. „Im Moment reden wir ganz viel über serielles Sanieren, hauptsächlich von großen Gebäuden aus den 1960er- und 1970er-Jahren“, berichtet Erasmus Drücker. Dabei werden vorgefertigte Holzrahmenelemente an Gebäude angedockt, ein Verfahren, mit dem man in kürzester Zeit ein Bauwerk sanieren kann. Das müsse man aber noch etwas üben, da das ein völlig neues Verfahren sei. Aber man habe mit der Firma
Common Fensterbau, die zur Fachwerkstatt gehört, den perfekten Partner. Das Unternehmen, das im süddeutschen Maulbronn ansässig ist, hat schon einige Jahre Erfahrung mit dem Thema.
Kann man denn auch einen Neubau nachhaltig errichten? Drückers Antwort ist eindeutig: Bei Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern tendiert er zum Werkstoff Holz, dem einzigen Baustoff, der aus der Erde herauswächst. Alle anderen Stoffe müssten erst aufwändig aus der Erde herausgeholt werden. Und das ist nicht gerade nachhaltig.