Fotos: Detlef Güthenke
Mehr als 70 überirdische Fließgewässer durchziehen den Kreis Gütersloh – die meisten von ihnen auf ihrem Weg zur Ems. Was diese blauen Lebensadern auszeichnet, was die Ems so besonders und die Dalke so liebenswert macht, das haben wir hervorgeangelt.
Dicht nebeneinander rinnen die Fließgewässer durch das Kreisgebiet Gütersloh. Allesamt in gemächlichem Tempo und vielfach von Ost nach West. Gehören die meisten zum Einzugsgebiet der Ems, so fließen nur wenige in die Fluss-Systeme Weser und Lippe.
Jedes der hiesigen Fließgewässer ist gewissermaßen auf Sand gebaut – eine geologische Besonderheit im Kreis Gütersloh. „Da die Landschaft des Kreis Gütersloh ein flaches Relief aufweist, ist die Fließgeschwindigkeit bei uns gering“, zählt Meike Aulich von der Unteren Wasserbehörde ein weiteres Charakteristikum auf. Ihr Herz schlägt für die Gewässer im Kreis – vornehmlich natürlich für saubere und strukturreiche Gewässer oder solche, die es mal werden wollen. Denn die sind als artenreiche Lebensräume das Herzstück eines funktionierenden Ökosystems und Balsam für die Seele der Anwohner. Allerdings wurden die Fließgewässer im vergangenen Jahrhundert auch bei uns vielerorts massiv ausgebaut – primär zur Entwässerung und als Hochwasserabwehr. Unliebsame Folge: Die natürliche Strukturvielfalt und ihre Anbindung an die umgebende Aue gingen weitgehend verloren.
Einzigartige Ems
Sie ist der Superfluss im Kreis Gütersloh und punktet auch aus bundesdeutscher Sicht mit ein paar wirklichen Besonderheiten: die Ems. Wenn man es genau nimmt, ist sie auch der einzige Fluss, der durch das Kreisgebiet zieht. Alles andere im Kreis Gütersloh sind Bäche, manche jedoch nur schmale Rinnsale. Die Ems ist Deutschlands kürzester Strom, gleichzeitig aber (hinter der Weser) der zweitlängste Fluss, der sowohl in Deutschland quellt als auch hier im Meer mündet. Gespeist wird sie – und auch das ist besonders – nicht nur von natürlichen Zuflüssen, sondern größtenteils aus Entwässerungsgräben.
Von ihrer Quelle – einer kleinen vor sich hinsickernder Pfütze im Naturschutzgebiet Moosheide bei Schloß Holte – legt sie ihren 371 Kilometer langen Weg mit flachen 130 Metern Höhenunterschied als reiner Tieflandfluss zurück, komplett über sandigen Untergrund. Den Kreis Gütersloh verlässt die Ems bei Greffen in westliche Richtung. Sie stattet den Niederländern einen Besuch ab, bevor sie sich wieder, auf schwarz-rot-goldenem Terrain gelandet, in die Nordsee ergießt.
Eine weitere Besonderheit, wenn auch keine schöne: Die Ems gilt aus ökologischer Sicht als Deutschlands größter Problemfluss. Vertieft, begradigt und befestigt dümpelt sie vor sich hin, enthält zu viel Salz und zu wenig Sauerstoff. Ein Paradies für Fische ist sie nicht – für Radfahrer hingegen schon. Und so flankieren zahlreiche gut befahrbare Radwege den Verlauf der Ems.
Lebendige Gewässer
Eine Perle im Gewässergeflecht des Kreis Gütersloh: der Furlbach. Dieser 14 Kilometer lange Bach hat es in sich: Er ist so intakt, dass er in Nordrhein-Westfalen offiziell als sogenannter Referenzfluss für sandgeprägte Tieflandflüsse geführt wird. Dermaßen naturnah plätschert das Bächlein im gleichnamigen Naturschutzareal und erfreut nicht nur Flora und Fauna, sondern auch Erholungssuchende. Dem Furlbach könnten und sollen in den folgenden Jahren im Kreis Gütersloh noch weitere Gewässer folgen, denn ein Zurück zur Natur ist von vielen Seiten angestrebt:
„Renaturierung ist eine echte Herausforderung, die nicht nur finanziell viel verlangt: Zunächst einmal müssen wir ja an die Grundstücke kommen, die an die Gewässer grenzen. Sie gehören zumeist zu landwirtschaftlichen Betrieben, mit denen wir dann über einen entsprechenden Flächenaustausch verhandeln müssen – und da sind nicht alle Anrainer willens, ihre Scholle zu verlassen“, berichtet Aulich. Große Hoffnungen ruhen nun auf dem ehemaligen britischen Flugplatzgelände bei Marienfeld.
Viele Bäche im Kreis haben ihr „Zurück zur Natur“ zumindest in Teilen bereits hinter sich: So beispielsweise Loddenbach und Eusternbach, Sennebach und Glenne oder auch der Bockhorster Bach im Nordwesten des Kreises. Er mündet in den Casumer Bach, den die Baumaßnahmen zur A 33 in den vergangen Jahrzehnten stark in Mitleidenschaft gezogen haben und der nun durch entsprechende Renaturierungsmaßnahmen ein groß angelegtes ökologisch Revival erlebt.
Im Zuge solch eines Makeovers erfahren Flüsse und Bäche gewissermaßen Hilfe zur Selbsthilfe: Man stellt natürliche typspezifische Strukturen soweit wie möglich wieder her, um die Ansiedlung standortgerechter Pflanzen- und Tierarten zu fördern. Solche strukturverändernden Maßnahmen fordern schweres Gerät. Flussbetten werden ausgebaggert und verschoben, um den Gewässerlauf zu verändern, die Gewässer für die Fische durchgängig zu machen und die Ufer naturnah zu gestalten. Mit den Renaturierungsmaßnahmen werden in einem Fließgewässersystem neben den natürlichen Fließgewässerabschnitten auch ökologische Nischen für Tiere und Pflanzen geschaffen.
Um die Fließgewässer trotz Zulauf von Abwasser so rein wie möglich zu halten, geben die Klärwerke ihr Bestes. So wird das Abwasser – wie zum Beispiel im Gütersloher Klärwerk mit dem passenden Namen Putzhagen – in aufwändigen Prozessen in den Bereichen Vorreinigung, Biologie, Nachreinigung und Filtration in die Dalke entlassen. Trotz aller Bemühungen – nicht alle Gewässer erreichen die ökologischen Ziele bislang klar. Als besonders unrein hat die Lutter in den vergangenen Jahren Schlagzeilen gemacht. Obwohl per Nomenklatur besonders rein (Lutter bedeutet im Mittelhochdeutschen soviel wie sauber, rein), ist sie doch so salzig, dass es Naturfreunden gar nicht schmeckt …
Lebenswert liebenswert – die Dalke
Ihm gebührt der Titel „Mr. Dalke“: Bernd Winkler aus Steinhagen, langjähriger Leiter des Amtes für Grünflächen der Stadt Gütersloh, hat sich während seine Amtszeit intensiv mit der Renaturierung der Dalke beschäftigt und um Gütsels Herzensbach verdient gemacht. Unter seiner Ägide wurde sie an vielen Stellen aus ihrem Stahlkorsett befreit und kriegt seitdem immer öfter die Kurve.
Bernd Winkler blickt „seinem“ Fluss auf den Grund und weiß, dass die Dalke zum ersten Mal urkundlich im Jahr 1001 als „Dellina“ oder „Delchanna“ erwähnt wird.
„Mit 22,4 Kilometern ist die Dalke nicht besonders lang. Mehrere kleine Bäche wie der Menkebach oder der Strothbach fließen in die Dalke. Zusammen bilden sie ein eigenes Fließgewässersystem. Die Dalke ist daher ein klassischer Nebenfluss, der Wasser zu einem größeren Fluss, nämlich der Ems bringt“, erläutert der Dalke-Experte und schaut zurück in die Vergangenheit: „Viele Wassermühlen, mit durchaus wirtschaftlicher Bedeutung hatten sich seinerzeit an der Dalke angesiedelt. In den meisten Fällen sind heute nur noch die Namen, wie Neue Mühle oder Amtenbrinksmühle, geblieben. Es sind aber auch noch einige Mühlenstandorte in ihrer Bausubstanz im Stadtgebiet vorhanden: Meiers Mühle beispielsweise oder die Strangmühle.“
Im Laufe der Jahrhunderte sei die Dalke immer wieder über die Ufer getreten und habe im Stadtgebiet Gütersloh große Schäden hinterlassen. Mitte der 1960er-Jahre wurde die Dalke zum Schutz gegen diese Überschwemmungen ausgebaut. „Der Verlust der Auenlandschaft und deren ökologischen Bedeutung wurde dabei in Kauf genommen. Die Dalke war im Stadtgebiet als erlebbarer Gewässerraum verschwunden.“
Die Gewässergüte habe sich, so Winkler, seit den 1960-Jahren, als Industrieabwässer die Dalke verschmutzten, durch die Abwasserklärung und die vielfältigen Renaturierungsmaßnahmen auf fast 15 Kilometer Länge inzwischen wieder deutlich verbessert. Positive Begleiterscheinung: Eine Vielzahl von Fischen hat wieder einen Lebensraum gefunden. Dazu zählen Gründlinge, Aale, Rotaugen, Brassen, Bachforellen und Flussbarsche. In einigen Flussabschnitten fühlen sich zudem Neunaugen, Nasen und der Flusskrebse wieder wohl.
Natur nah und erholsam
Durch die Renaturierungsmaßnahmen ab 1999 in einem Zeitraum von 20 Jahren wurde die Dalke im Stadtraum wieder erlebbar und zu einem einmaligen Natur- und Erholungsraum. Viele kleine und große Erlebnisräume sind entstanden: Ob außerhalb der City durch die ruhige Weite von Wiesen und Feldern oder aber intensiv in Szene gesetzt inmitten der Grün- und Parkanlagen. „Mein Lieblingsplatz ist die Dalkeinsel im Stadtpark, ein wunderbarer Ort, um einfach mal abzuschalten“, verrät Bernd Winkler und verweist auf die purpurroten Liegebänke am Licht- und Luftbad im Stadtpark, auf den Dalke-Verlauf im Botanischen Garten sowie die größtenteils naturnahe Gestaltung der Uferbereiche. Last but not least beleuchten die 20 Stationen eines Wassererlebnispfades entlang des Dalkebaches neben geschichtlich-kulturellen Aspekten auch wasserwirtschaftliche Themen.
Übrigens: Die Dalke gibt es in Gütersloh auch zum Trinken: „Dalke Bitter“ und „Dalke Sandora“ werden in der Verler Likörmanufaktur Heinrich Schroeder hergestellt und sind eine süffige Reminiszenz an Gütsels River No 1.