Wenn der Sound ein Teil der Gerätekomposition ist

Eine Lindt-Schokolade kinstert anders beim Auspacken, als das 1 Euro-Discounter-Pendant. Eine Porsche-Tür fällt anders ins Schloss, als die eines Fiat Punto. Und auch ein ICE hat einen anderen Klang auf den Gleisen als die Regionalbahn. Das alles müsste nicht zwingend so sein, weil Papier eben knistert, weil Blech natürlich scheppert und weil Abrollgeräusche auf Metall von Natur aus nicht gerade angenehm klingen. Doch so einfach ist die Sache eben nicht: In unserer modernen Konsumwelt ist der Sound von Produkten kein Zufall. Er soll Anspruch und Haltung transportieren – und ein großer Technikaufwand sorgt dafür, dass genau das gelingt. Ganz sicher wird eine Mülltonne immer nur nach Mülltonne klingen. Nach was auch sonst? Wir haben keine hohe Erwartung an sie, sie soll einfach nur funktionieren und uns befreien von dem, was übrig bleibt: Simple Aufgabe, simple Akustik.

Er lebt seinen Beruf und noch mehr seine Berufung

Aber an den Klang zum Beispiel einer Waschmaschine hat der Nutzer besondere Erwartungen, wenn er hohe Ansprüche an ihre Funktionalität hat. Das Gerät soll sich unterscheiden von dem, das für die Hälfte verramscht wird und einfach nur irgendwie waschen soll.

Ein Besuch beim Hausgerätehersteller Miele gibt Einblick in die Verbindung von Produkt- und Sounddesign zu einer Einheit. Diese Einheit wirkt subtil und gibt ein hohes Qualitätsversprechen ab – eines, dass eben auch klingt.

Andreas Enslin ist Leiter des DesignCenters bei Miele. Unprätentiös kommt er auf seinen Besucher zu. Er lebt seinen Beruf und noch mehr seine Berufung, spricht klar und wahr darüber, ohne Schnörkel, auf den Punkt. Er hat seine Design-Überzeugung verinnerlicht. Bei Miele, so macht es den Eindruck, kann er sie realisieren und intellektuelle Design-Gedanken mit seinem 50-köpfigen Team zu form- und tonvollendeten Produkten machen.

Dabei quält ihn ein Luxusproblem: Einst war die Aufgabe, Ideen in die Fertigung zu bringen. Aber seitdem gibt es immer und immer wieder einen extremen Zuwachs an Wissen. Und das verändere den Fokus: „Wenn ich alles machen kann, was ist dann das Richtige?“ Die Zunahme von Wissen führe dazu, dass man sich die Frage stellen kann. Und wohl auch muss.

Die technischen Innovationen gelingen immer schneller

Die schlichte Notwendigkeit habe immer zu einer schmalen Lösung geführt, erinnert sich der Industriedesigner. „Wir sind aber in einer Gesellschaft angekommen, die sich den Luxus gönnen kann, gute Sachen zu machen, die besten Sachen zu machen, nur eins zu machen, nicht alles zu machen“, beschreibt Andreas Enslin unsere Zeit, in der alles möglich zu sein scheint.

Ein Luxus ist, dass sich niemand mehr einen Kopf machen muss, wie man etwas umsetzen kann. Es gibt immer mehr Fertigungsverfahren und technologische Chancen – und die technischen Innovationen gelingen immer schneller.

„Das ist unfassbar schön als Freiheit – mit dieser Aufgabenstellung: Was ist das Richtige?“, betont Andreas Enslin noch einmal, worum es in seinem täglichen Tun geht. Nur wenn es gelänge, die Ressourcen zu kanalisieren und für das Richtige aufzuwenden, könne sein Team erfolgreich sein. „Mittelmaß kann jeder.“ Aber Mittelmaß ist nicht die Sache von Miele – in keinerlei Hinsicht – und natürlich auch nicht in der Formgebung und oder der Akustik. Bei Miele werden die Dinge ganzheitlich gesehen, man fühlt sich der Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung verpflichtet. Es geht eben um viel mehr als technische Qualität.

„Creators of Quality“ sagt Miele über sich in einer aktuellen Markenkampagne. Und da geht es nicht darum, Dinge immer noch einmal besser zu machen. Es geht darum, Standards zu setzen, genau hinzusehen und zu urteilen: Was ist das Wichtige?

Designer gestalten Alltagskultur

Auch und gerade in der Akustik spricht man bei Miele über wahrgenommene Qualität. „Das Technische ist eine Voraussetzung, aber wir haben den Luxus, uns etwas raussuchen zu können“, sagt Andreas Enslin und verweist darauf, dass Designer die Alltagskultur gestalten. Sie wissen, wie Menschen mit Dingen umgehen, was sie erwarten.

Miele ist Transparenz. Auf dem Weg zu einem Akustiklabor im fünften Stock passiert man gängeweise gläserne, klar strukturierte und sehr aufgeräumte Büros. Haltung wird hier überall spürbar. Dort angekommen, wähnt man sich in einem Tonstudio: Doch selbst dieses Labor hat mehr Anspruch. Es ist so gelagert, dass es äußere Einflüsse in keinster Weise durchlässt. Die Wände stecken voller spitz zulaufender Dämmelemente. In Fokus der Aufmerksamkeit: Eine Miele-Kaffeemaschine – umrahmt von Mikrofonen, die akribisch protokollieren, was das Gerät akustisch hergibt.

„Die Kaffeemaschine auf der Geräusch- und auf der Klangebene – das ist ein Unterschied. Es ist zu wenig, wenn wir nur über Gerätesound oder -töne reden. Das ist relativ simpel. Ein durchgängiges Designelement in Akustik zu definieren haben wir“, so Andreas Enslin über die Erwartungen an sich selbst und sein Team. Und da bestimmen der Klang der Maschine, der Sound des Mahlwerks, die Ausgabe des Getränks in Symbiose mit dem Erscheinungsbild des Gerätes die Gesamtkoposition. Es geht um die Dimension des Vertrauens: „Schön, wenn ich eine Qualität habe, die 20 Jahre hält – aber wenn es sich nicht so anhört, habe ich ein Problem.“ Der Designer müsse die Übersetzung machen in die Kundenerwartungen hinein. Für eine Entwicklung brauche es drei, vier, fünf, manchmal sechs Jahre, was die Aufgabe gemein mache. Weil es sein kann, dass das, was sich das DesignCenter heute ausdenkt, in fünf Jahren nicht mehr relevant ist. Also muss das Team Zukunft denken, eine Ahnung haben, was morgen gebraucht wird – in jeder Dimension.

Psychoakustische Elemente im Sounddesign

Aufmerksamkeit sei ein hohes Gut, so Andreas Enslin – und da dürfe man nicht belästigen. Weshalb psychoakustische Elemente im Sounddesign nur da eingesetzt werden, wo Aufmerksamkeit unabdingbar ist. Als Beispiel führt Andreas Enslin den Wasserhahn an. Der an sich stört nicht: „Wasser an, Wasser rauscht, Wasser aus, Wasser rauscht nicht.“ Eine direkte akustische Rückmeldung sei das. Wenn aber der Hahn tropft, dann ist das Belästigung, die Aufmerksamkeit frisst. Ganz schnell sei der Nutzer da sensibilisiert, im schlimmeren Fall auf 180. Mit psychoakustischen Elementen steuern die Sounddesigner im Team treffsicher die Aufmerksamkeit der Nutzer.
Um diese Treffsicherheit zu erlangen, gibt es die Möglichkeit einer psychoakustischen Bewertung. Bei Miele-Staubsaugern gibt es zum Beispiel ein Panel, auf dem akustische Elemente mit Begriffen bewertet werden. wo man das mit Begriffen bewerten kann. Beobachter äußern dann möglicherweise, dass das Gerät hart oder weich klingt, nicht etwa laut oder leise, sie charakterisieren also, ob es im Mix der Frequenzen eine Zusammenstellung gibt, die sie vertrauen lässt oder nicht.

Es gibt Geräte, die über ihre Bauart ein sehr hohes Frequenzband abstrahlen. Hohe Frequenzen im Motor oder im Gebläse haben zur Folge, dass hohe Frequenzen auf der hörbaren Seite entstehen. Schon steckt der Nutzer drin in der Aufmerksamkeit – eine Situation, die Sounddesigner durch einen ausgewogenen Frequenzmix verhindern müssen. Und so sind beispielsweise Öffnungen im Gerätegehäuse nicht immer eine rein optische Frage, sie ergeben sich auch aus Anforderungen des Sounddesigns.

„Vertrauen gehört zum Miele-Markenkern“, sagt Andreas Enslin. An 130 bis 180 Projekten jährlich müssen er und sein Team diese Transformation hinbekommen, die Produkte vertrauenswürdig machen durch Sound und Form.

Der Sound eines Feedbacks

Die Komplexität der akustischen Gestaltung von Geräten macht Andreas Enslin mithilfe der Wissenschaft deutlich: Sinneseindrücke ließen sich nicht trennen. „Es ist ungefähr pro Sekunde ein Terrabyte an Sinneseindrücken, die wir da kriegen, unsere Festplatte würde ständig volllaufen, wenn wir keine Filter hätten. Diese Filter sorgen dafür, dass das Terrabyte nicht im Kopf ankommt.“ Im Sounddesign lerne man daraus, wie etwas auszubalancieren ist, damit es im Alltag Orientierung gibt.

Und die richtige akustische Gerätekomposition macht dann auch Freude in der Küche: Da gibt es ein ganzes Setting von Sinneseindrücken: Das kochende Wasser ist ein Geräusch, Küchendüfte, Warmes, Kaltes, Flüssiges, Festes – ganz viele Rückmeldungen verschmelzen zu einem Eindruck. „Wenn es ganz gut geht, macht das richtig Spaß, dann bin ich in einem Flow“, beschreibt Andreas Enslin perfekte Küchen-Erlebnisse für alle Sinne. Wehe, aber, ein einzelner Eindruck, wie eben die Akustik, reißt einen da heraus. Leichtigkeit entsteht, wenn die Sinneseindrücke in der richtigen Art und Weise gestaltet ist sind. Am Ende aber folgt auch das DesignCenter nicht der reinen Wissenschaft. Wenn ein Herr Miele oder Herr Zinkann nach getaner (Sound-)Designarbeit vorbeikommt und sagt: „So wollte ich’s hören.“ – dann ist das für die Designer total wichtig und für den Hersteller typisch. Und es ist der Sound eines Feedbacks, das es so nur in familiengeführten Unternehmen geben kann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert