Fotos: Detlef Güthenke
Kunstvereine gibt es seit mehr als 200 Jahren in Deutschland. Zu den mehr als 300 zählt auch der Kunstverein Kreis Gütersloh sind Rückgrat und Motor der experimentellen Gegenwartskunst und in dieser Form weltweit einmalig.Vereine gelten als typisch deutsche Einrichtungen, damit einher geht häufig das Ehrenamt, das auch für die Kunstvereine zumeist existenziell ist. Kunstvereine haben sich zur Aufgabe gemacht, einer breiten Öffentlichkeit aktuelle junge Kunst zu zeigen. Seit mehr als 50 Jahren bietet der Kunstverein Kreis Gütersloh als herausragende Kultureinrichtung eine Plattform für aktuelle bildende Kunst.
Es begann in der Zimmergalerie
Wie der Gütersloher Kunstverein das geschafft hat, davon konnten die Ehrenvorsitzende Dr. Karin Zinkann und Friedrich-Wilhelm Schröder, Vorsitzender des Vorstandes seit 22 Jahren, reichlich erzählen. Es begann in der Zimmergalerie in Gütersloh, die die Künstler Woldemar Winkler und Herbert Schlimgen ursprünglich für Ausstellungen ihrer Werke gemietet hatten. Nach kurzer Zeit kamen Dr. Karin Zinkann und Dr. Ruth Seppeler dazu, beide waren kunstaffin und hatten in Amerika Kunstgeschichte studiert. Sie kannten viele namhafte Künstlerinnen und Künstler. Bereits 1967 wurde der gemeinnützige Verein gegründet, bald gab es Spenden von Kunstfreundinnen und Kunstfreunden und am Anfang auch Zweifler: „Gütersloh und moderne Kunst – träumt weiter!“, mussten sich die Initiatorinnen anhören. Die erste Ausstellung zeigte Skulpturen der Frankfurter Künstlerin E.R. Nele. „Als Allererste in Deutschland stellten wir die jugoslawischen Naiven aus“, sagt Dr. Zinkann. „Unsere Absicht, die Sprache der Zeit zu zeigen, ging auf.“ Ihr großes Engagement fand entsprechende Anerkennung. Nachdem der Kunstverein einige Jahre erfolgreich agiert hatte, entstanden die ersten Galerien in Gütersloh. „Eine tolle Nebenwirkung, mit der wir nie gerechnet hatten“. Amüsant sind die Erinnerungen der Ehrenvorsitzenden an die beiden gut besuchten Ausstellungen – „Sozialistische Kunst“ und „Die Nacktheit in der Kunst“. Diese waren zwar erfolgreich, dennoch traten in der Folge einige Mitglieder empört aus. Auch das hielt der Kunstverein aus. Die folgenden Ausstellungen wurden umfangreicher, und der Kunstverein „platzte aus allen Nähten“.
Spannende Geschichte des Kunstvereins
„Herr Diestelmeier, wir brauchen ein Haus!“, sprach Dr. Zinkann den damaligen Stadtdirektor mit Energie und Unnachgiebigkeit an. Bis der dem Verein eines Tages das Veerhoffhaus am Alten Kirchplatz anbot. Im Kunstverein war man glücklich, das Haus aber musste belebt werden. Die Stadt förderte den Umbau mit 120.000 Mark. Unterstützung gab es auch vom Kreis und dem „ungeheuer wohlgesonnenen“ Oberkreisdirektor Dr. Werner Sturzenhecker.
1973 zog der Kunstverein „mit Pauken und Trompeten“, wie die Presse damals berichtete, in das neue Domizil. Mit der überaus spektakulären Eröffnung begann vor 50 Jahren die spannende Geschichte des Kunstvereins im Veerhoffhaus. 300 Mitglieder hatte der Verein zu jener Zeit, dem Vorstand gehörten damals auch noch Vertreterinnen und Vertreter des Kreises und der Stadt Gütersloh an. „So sahen sie, dass wir ordentlich mit den Geldern umgingen“, schmunzelt Schröder. Die Finanzierung war zu keiner Zeit allein aus den Mitgliedsbeiträgen möglich. Erst die Fördermittel vom Kreis und der Stadt Gütersloh und immer wieder private Spenden geben dem Verein die Grundlage zur Entfaltung im Freiraum Veerhoffhaus.
Das Baudenkmal wurde 2010 umfassend instandgesetzt. Dabei gelang es, eine völlig neue Ausstellungsstruktur zu schaffen, die auch im Innern die Geschichte und das Ensemble des aus drei zusammengefügten Gebäuden entstandenen Veerhoffhauses erlebbar zeigt. Die Wahrnehmung im Kreis Gütersloh war stets positiv, „aber wir waren halt die mit der modernen Kunst“, lächelt Dr. Zinkann. „Das trifft auch heute noch zu“, meint Friedrich-Wilhelm Schröder, „und die Akzeptanz und Wahrnehmung steigern sich stetig.“ Es gebe eine Untersuchung, dass sich etwa ein Promille der deutschen Bevölkerung sehr für Bildende Kunst interessiere. Dafür sind unsere Ausstellungen gut besucht, besonders die spektakulären: 2008 stellte Jason Martin mit „For God’s Sake“ im Veerhoffhaus und im Altarraum der Apostelkirche aus. Eine vom Künstler gedachte symbolische Verneigung vor den Opfern des englischen Bombardements auf die Apostelkirche kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges. 2011 „Ars Apocalipsis – Kunst und Kollaps“, eine Gegenüberstellung zeitgenössischer Arbeiten zahlreicher Künstler, unter anderem von Norbert Bisky, Damien Deroubaix, Robert Longo, Gerhard Richter mit Holzschnitten von Albrecht Dürer, 2016 zeigte man Arbeiten der Beuys-Schülerin Elisabeth Kröll zum Thema Goethes Faust. 2018 folgte mit „Line of Work“ der spektakuläre gemeinsame performative Eisenguss durch George Beasley und Susanne Roewer.
„Die spannendsten Ausstellungen waren die mit Studierenden der Kunsthochschulen, auch wenn sie den Verein stets wirtschaftlich herausforderten“, lacht Schröder. Der Wunsch zahlreicher namhafter Künstlerinnen und Künstler, im Veerhoffhaus auszustellen, spricht auch für die Akzeptanz und Wertschätzung der langjährigen hochkarätigen Arbeit des Kunstvereins. Es gab viele herausragende Ereignisse in den vergangenen 50 Jahren. Hiermit verbunden sind die engagierten Menschen, die über die Jahre das Bild und Ansehen des Kunstvereins geprägt haben. Hier seien stellvertretend genannt: Herward Tappe (langjähriger 2. Vorsitzender), Ursula Dempwolf (ehemalige Geschäftsführende und Vorsitzende) und Reiner Kuhn (16 Jahre Ausstellungsmacher und Leiter des Hauses).
Forum zur Präsentation
Im Veerhoffhaus werden jährlich bis zu sechs Ausstellungen, im Foyer des Kreishauses zwei weitere gezeigt. „Unsere große Motivation bleibt, aktuelle bildende Kunst zu finden, die begeistert und diese bei uns in Gütersloh zu präsentieren“, so Schröder. „Mit dem Format der Gruppenausstellung „derzeit“ bieten wir unseren heimischen Künstlern ein Forum zur Präsentation ihrer Werke. In den Einzelausstellungen „mal wieder hier“ sind Künstlerinnen und Künstler aus dem Kreis Gütersloh zu Gast, die von hier aus auch in der Welt erfolgreich geworden sind.“
Alle zwei Jahre Ehrenpreis
Der Kunstverein vergibt alle zwei Jahre den Ehrenpreis „MaecenArtus“ und ehrt damit den freiwilligen Einsatz für die bildende Kunst in ideeller oder finanzieller Art. Ein lebendiger Kunstverein ist ohne persönliches Engagement und Ehrenamt nicht möglich. 2021 nahm die Deutsche UNESCO-Kommission alle Kunstvereine in das Verzeichnis Immaterielle Kunstwerke auf. Mit der Begründung, dass sie „Kunst und Kultur breiten Gesellschaftsschichten vermitteln, allen Menschen offen die Teilhabe an Diskursen zur zeitgenössischen Kunst ermöglichen und so ein Demokratieverständnis fördern, das dem Erhalt des Kulturerbes dient.“
Haus mit faszinierender Kunst
All das spiegelt sich auch in der Arbeit des Kunstvereins Kreis Gütersloh wider. Genau so eindrucksvoll ist, was man im Kunstverein direkt selbst erlebt, ist der Vorsitzende Schröder überzeugt. „Bei Ausstellungseröffnungen kommen wir oft mit unseren Besuchern ins Gespräch. Einige sind zum ersten Mal in Gütersloh, weil sie sich für unsere Kunstausstellung interessieren. Andere sind aus beruflichen Gründen neu in der Region und sind positiv überrascht, ein solch interessantes Haus mit derart faszinierender Kunst zu finden. Das bestätigt uns in unserem Engagement, stimmt uns zuversichtlich und spornt uns an.“