Fotos: Miele
„My home is my castle“: Getreu diesem Motto investieren immer mehr Menschen in Deutschland ihre Ersparnisse in die Gestaltung ihrer Wohnung beziehungsweise ihres Hauses. Neben innovativer Technik und modernen Wohn-Accessoires geht es häufig auch um hochwertige Möbel und Einrichtungsgegenstände aus Holz. Woher kommt dieser Trend, und wo wird er uns hinführen? faktor3 sprach darüber mit Andreas Enslin, Vice President Miele Design Center.
Herr Enslin, warum bekommen die eigenen vier Wände für viele Menschen wieder so eine große Bedeutung?
Beschleunigt durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, hat unsere Gesellschaft in den letzten Jahren einen umfassenden Wertewandel vollzogen. Das hat auch zu einem grundsätzlichen Umdenken geführt, wie wir unsere freie Zeit gestalten wollen. Gehörte früher das gemeinsame Ausgehen am Abend, die Verabredung zum Essen oder der gesellige Besuch von Freunden zu unserem Lebensalltag, bleiben die Menschen heute viel mehr zu Hause und investieren ihr Geld lieber in ihre Wohnung oder ihr Haus. Dabei geht es vielen um Komfort und Innovation, aber auch um sinnliches Erleben und Wahrnehmen.
Wie ist das zu verstehen?
Der Architekt Hugo Kückelhaus hat einmal gesagt: „Wenn man Menschen in den Sinnen nicht fordert, werden sie krank.“ In unserem mittlerweile stark reglementierten Lebensalltag ist diese Sinnlichkeit tatsächlich zum großen Teil verloren gegangen. Vielen Menschen ist es daher wichtig, ihr Wohnumfeld so zu gestalten, dass sie zumindest diesen Bereich mit allen Sinnen erleben können. Die Aufwertung der Küche als Mittelpunkt der Wohnung steht beispielhaft für diese Entwicklung. Viele Menschen haben erst in der Krise angefangen, selbst zu kochen und zu backen. Für sie ist die Küche zu einem neuen Ort der Sinne geworden, ein Raum, der sie anregt und ihre Phantasie beflügelt.
Warum gewinnt Holz als Werkstoff in der Küchenproduktion immer mehr Bedeutung?
Holz ist ein ausgesprochen vielseitiger Werkstoff. Ob als naturbelassene Oberfläche oder als naturähnliche Interpretation, Holz hat jene Haptik und Natürlichkeit, die wir bei Kunststoff, Aluminium und Edelstahl vermissen. Wer zuckt nicht bei der Vorstellung zusammen, ein Weinregal aus Kunststoff statt aus Holz zu bauen, selbst wenn es höchsten technischen Standards genügt? Natürlich ist Holz ein Material wie viele andere auch, für den Industriedesigner ist es emotional aber auf jeden Fall die bessere Wahl.
Welchen Bezug hat Miele als Premiumhersteller von Hausgeräten zu dem Thema?
Küchen werden in Bezug auf Material, Funktionalität und Design immer variantenreicher. Auch deshalb ist die Produktion von modernen und oft hochwertigen Küchen zu einem vielschichtigen arbeitsteiligen Prozess geworden, bei dem eine ganze Reihe von Akteuren Hand in Hand miteinander arbeitet. Auch Miele als Hersteller hochwertiger Einbaugeräte zählt dazu. Bei unseren Gesprächen mit Möbelbauern, Zulieferern und deren Lieferanten geht es um die Auswahl und Verarbeitung von Materialien, aber auch darum, Küchen als natürliche und emotional erlebbare Orte zu konzipieren. Dies gelingt uns, indem wir die technischen Komponenten vollständig integrieren. Die Geräte treten zugunsten der Gesamtwirkung in den Hintergrund und sind häufig gar nicht mehr sichtbar. Im Gegenzug rücken natürliche Elemente wie beispielsweise Holzoberflächen oder -fronten in den Vordergrund.
Welche Trends dominieren derzeit den Markt?
Angesichts der Vielfalt, in der Küchen heutzutage produziert werden, fällt es schwer, grundsätzliche Entwicklungslinien herauszuarbeiten. Natürlich kann man spezifische Stilformen identifizieren, beispielsweise den Landhausstil oder die moderne Küche mit pflegeleichten Oberflächen. Eines jedoch ist allen gängigen Stilformen gemein: Sie dienen dem Zweck, einen Ort zu schaffen, der den Nutzer emotional anspricht und ein positives Gefühl vermittelt. Genau diese Sinnhaftigkeit müssen wir uns auch als Hausgerätehersteller immer wieder vor Augen führen, denn nur wenn wir die Motive und Werte hinter den Wünschen der Menschen kennen, werden wir als Anbieter erfolgreich bleiben.
Aber wie erfahren Sie, was die Menschen wollen?
Genau das ist eine zentrale Aufgabe der Industriedesigner. Hier beschäftigen wir uns unter anderem mit den Fragen der User Experience, das heißt, wir schauen uns an, welche Erwartungen die Menschen an unsere Produkte haben, wie sie diese nutzen – und welche Erfahrungen sie damit machen. Auf Basis dieser Informationen entstehen Konzepte, die dazu dienen, Produkte noch bedienerfreundlicher zu machen. Schließlich geht es im Industrial Design darum, etwas zu finden, was den Menschen im Alltag hilft – und das auf höchstem Niveau. Hier liegt oft aber auch die größte Herausforderung: Nicht alles verwenden, was physikalisch möglich ist, sondern nur das nutzen, was diesen Zielen dient. Da ist das Weglassen oft schwieriger als das Dazutun.
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeitsaspekte in Ihrer Arbeit?
Natürlich ist das Thema Nachhaltigkeit für Miele von herausragender Bedeutung. Langlebigkeit und Haltbarkeit, aber auch der nachhaltige Einsatz von Werkstoffen in der Produktion einschließlich Logistik und Transportschutz sind wichtige Ziele für unser Unternehmen. So hat Wachstum in einem produzierenden Unternehmen immer zur Folge, dass der Materialverbrauch steigt. Umso wichtiger ist es, dass die eingesetzten Ressourcen in Produkte verarbeitet werden, die lange Zeit nutzbar sind. Gleichzeitig konnten wir beim Thema Energieverbrauch eine Menge erreichen. Unter anderem haben wir den Stromverbrauch von unseren Waschmaschinen und Trocknern in den vergangenen 20 Jahren um rund 70 Prozent reduziert und auch damit einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft geliefert.
Und wie sieht die Küche der Zukunft aus?
Es mag Sie überraschen, aber ich bin davon überzeugt, dass die Küche der Zukunft uns zumindest in Teilen in die Vergangenheit zurückführen wird. Was ich damit sagen will: Schon in der Steinzeit war die Feuer- und Kochstelle der Ort, an dem sich die Menschen versammelt, miteinander gesprochen und gegessen haben. Dieser Platz war der Mittelpunkt der Gemeinschaft und bot dem Einzelnen Sicherheit und Schutz. Dieses Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit wird die Küche der Zukunft noch stärker prägen als heute schon. Die Technik bleibt wichtig, dies aber nicht nur mit Blick auf Leistung, Komfort und niedrige Verbräuche, sondern auch zur Unterstützung von sinnhaftem und emotionalem Erleben und Genießen.