Ruhe auf den Straßen!
Fotos:Detlef Güthenke
An der Ampelkreuzung scheppert der Lkw-Anhänger über die Bodenwellen der tagein-tagaus malträtierten Straße, von weitem bereits kreischt der Mokick-Zweitakter bis zum Gotterbarmen, vor uns pfeifen und zischen Reifen durch die Gischt und hinten pressen Pneus die Luft sirrend und hochfrequent in alle Richtungen. Es ist alles so laut hier. Der Lärm stört, der Lärm nervt, und auch, wenn Lärm grundsätzlich subjektiv empfunden wird (der eine erholt sich bei der Musik von Motörhead, den anderen quält das Rascheln von Zeitungspapier), so gilt doch für jeden: Lärm ist als Schall immer der unerwünschte. Straßenlärm zumal holt sich keiner freiwillig durchs geöffnete Fenster und schon mal gar nicht in den Garten, wo sommers die Liege lockt. Wer kann da schon friedlich wegdösen? Mensch mag keine Belästigung. Das wissen auch unsere Verkehrsplaner, Architekten, Autoproduzenten, Reifenhersteller und die Straßenbauer. So wird denn getüftelt und geforscht, investiert und getestet, aber gegen den testosterongesteuerten Auspuff-Poser helfen auch teuerste Slick-Reifen und edler Asphalt nicht. Nur die Polizei.
Straßen sind laut. Was hilft? Natürlich: Geschwindigkeitsreduzierung. Schallgedämmte Motoren. Der Abschied vom Verbrenner. Ein intelligentes Verkehrsmanagement, das für durchgehend ruhig fließenden Verkehr sorgt. Reifen, die immer leiser werden und Straßendecken aus Flüsterasphalt. Allerdings: Wirklich spürbar wird die Senkung der Lärmimmissionen nur dann, wenn alle Maßnahmen ineinandergreifen. Dazu gehören dann auch kräftige Investitionen in das öffentliche Verkehrsnetz und der konsequente Ausbau des Radverkehrs. Nur so erinnert das Grundrauschen in den Städten und Gemeinden unseres Kreises vielleicht mal an sanften Wellenschlag am Ostseestrand.
Asphalt mal laut, mal leise(r)
Die gute Nachricht: Unsere Straßen werden in der Zukunft leiser, denn die Mobilitätswende ist unaufhaltsam und E-Autos werden in wenigen Jahren unsere Straßen dominieren. Was aber ist mit unseren Straßen selbst? Straßenasphalte sind unterschiedlich laut, dabei können die leisen Beläge, sagt Sven Johanning, Pressesprecher von Straßen.NRW Ostwestfalen-Lippe in Bielefeld, den Lärm markant reduzieren. Sie sind ein mitentscheidender Faktor in der Kakophonie des Lärms, weil sie bereits an der Lärmquelle eine unmittelbare, flächendeckende Wirkung entfalten – und Hauseigentümer zum Beispiel keine teuren Schallschutzfenster einbauen müssen.
Warum emittieren Straßenbeläge überhaupt Lärm, warum ist der eine Belag laut und der andere deutlich leiser? Die Antwort ist relativ einfach: Für das akustische Verhalten von Straßenbelägen sind die Korngröße des Granulats und der Hohlraumgehalt sowie die Gestaltung, Porosität und Elastizität einer Straßenoberfläche bestimmend. Es gilt der Grundsatz: Je kleiner das größte Korn eines Mischgutes und je grösser der Hohlraumgehalt ist, desto leiser ist ein Belag. Der Lärm wird von den Hohlräumen gewissermaßen „geschluckt“. Lärmarme Beläge kommen, im Vergleich zu einem normalen Belag, im Schnitt auf eine Reduktion von etwa 6 Dezibel, zu Beginn der Nutzungsdauer muss die Lärmreduktion übrigens mindestens 3 Dezibel betragen. Dies entspricht umgerechnet etwa einer Halbierung der Verkehrsmenge. Umgekehrt heißt das: Doppelt so viele Fahrzeuge bedeuten eine Erhöhung um 3 Dezibel. Ist dies viel oder wenig? Es ist sogar sehr wenig, denn drei Dezibel mehr oder weniger sind kaum wahrnehmbar. Lärm wird subjektiv erst als verdoppelt empfunden, wenn sich die Verkehrsdichte verzehnfacht!
Teurer Flüsterasphalt
Warum aber werden nicht alle Straßen leise gemacht? Die Antwort ist einfach: Sogenannter Flüsterasphalt – der sogenannte offenporige Asphalt, abgekürzt OPA – ist sehr teuer und hat weitere Nachteile: Er muss in aller Regel nach zehn Jahren ausgewechselt werden, weil er zu viele Schadstellen ausweist. Durch die Offenporigkeit dringt Wasser in die Zwischenräume und wenn Wasser im Winter vereist, kann dies zu Asphaltschäden führen. Zudem kann Schmutz die Poren langsam verdichten. Zwar gibt es zur Säuberung des Belags spezielle Maschinen – „porentief rein“ aber wird der Belag nie wieder.
Bei all den Nachteilen ist es kein Wunder, dass Straßen.NRW, das für die Bundes- und Landesstraßen in Ostwestfalen und somit auch im Kreis Gütersloh zuständig ist, nur ein einziges aktuelles Beispiel für den Einsatz von Flüsterasphalt nennen kann: das ist eine Teilstrecke der neuen A30-Nordumgehung von Bad Oeynhausen. Die Anlieger freut es, sie müssen sich allerdings mittelfristig auf erste Erneuerungsarbeiten einstellen. Andernorts setzt Straßen.NRW bei allen Straßen mit höchster bis mittlerer Verkehrsbelastung überwiegend sogenannten Splittmastixasphalt als Asphaltdeckschicht ein, zum Beispiel bei den Sanierungsarbeiten auf dem Bielefelder OWL-Damm, aber auch bei der B55 von Langenberg bis zur Kreisgrenze. Johanning: „Wenn Anwohner einen rechtlichen Anspruch auf einen Fahrbahnbelag mit einem Korrekturwert von minus zwei Dezibel haben, ist diese Deckschicht, bei der wir mit Korngrößen zwischen ein und elf Millimetern arbeiten, die Regel. Bei dem Splittmastixasphalt stützen sich die groben Splittkörner gegenseitig ab, als Bindemittel zwischen dem Asphalt und dem darunterliegenden Beton dient Bitumen.“
Lärmimmissionswerte sinken
Grundsätzlich setzen die Straßenbauer – sei es das Land oder die Städte und Gemeinden, die für die Straßen innerhalb ihrer Ortsdurchfahrten zuständig sind – bei Straßenneubauten Decken mit lärmmindernder Wirkung ein, sofern es Anlieger gibt. Dafür sorgen schon die aktuell gültigen Immissionswerte im Straßenverkehrslärmschutz. Danach dürfen bei reinen und allgemeinen Wohngebieten sowie in Kleinsiedlungsgebieten 59 dB(A) tagsüber und 49 bei Nacht nicht mehr überschritten werden – 2006 lagen die Werte noch bei 70 und 60 dB(A). Es tut sich also was beim Verkehrssound in unserem Kreisgebiet, wenn auch langsam. Die Stellschrauben sind erkannt. Beruhigend, dass an ihnen kräftig gedreht wird. Und drehen Sie doch wieder mal eine Radrunde. Macht sogar Spaß.