Von Freudentränen und wahrer Größe

Nichtmusiker lassen es achtlos links liegen, ahnen nicht, dass hinter den drei Buchstaben des Firmenschildes auch ein ordentliches Stück Musikkultur zuhause ist. Eine Anmerkung in einem Comedy-Programm des bekennenden OWL-Fans und Güterslohers Matthias Borner machte neugierig: Von Trompeten, Blasinstrumenten im allgemeinen und Größe war darin die Rede. Und tatsächlich: Für Blasmusiker ist es ein Dorado, das eher unscheinbare Zweck-Gebäude an der Gütersloher Dammstraße. Unten ein Elektronikhändler, darüber das Instrumentenparadies mit dem spröden Namen „FMB“. Der steht für Fachmarkt Blasinstrumente, klingt nicht gerade international, zieht aber ein recht weitgereistes Publikum an. Der Markt soll in der Branche einer der größten Europas sein. Und tatsächlich: Die Ausstellung glänzt weiträumig; stolz und gepflegt stehen sie da, die Tuben und andere Blasinstrumente. Sie imponieren. „Weltweit gibt es fünf ähnliche Händler vielleicht“, sagt Geschäftsführer Frank Schroeder, um einen Atemzug später zu betonen: „Wir sind alles andere als eine große Firma.“ FMB ist groß in der Nische, die Gütersloher Adresse ist Showroom, das eigene Online-Angebot ist von großer Bedeutung.

Internationale Reputation

Hans-Jörg Ligensa hatte zu Lebzeiten einen klangvollen Namen in der Stadt; er gründete den Fachmarkt Blasinstrumente. Geschäftsführer Schroeder kam später ins Unternehmen, ein ausgebildeter Metallinstrumente- und Schlagzeugbauer. Leidenschaftlich, aber nicht intensiv macht er selbst Musik. Seine erste Trompete bekam Frank Schroeder 1977 oder 1978, „das einzige Geschenk, bei dem ich Freudentränen vergoss“, sagt er, der im Posaunenchor und in der Schulband spielte.

Als er’s erzählt, spielt ein anderer irgendwo in einem Raum des weitläufigen Marktes Trompete. „Ein Kunde probiert ein Instrument aus“, sagt Frank Schroeder und fügt augenzwinkernd an: „Die Nachbarn haben auch was davon, müssen aber nichts bezahlen.“ Man sieht den Kunden nicht, man hört ihn. Gut möglich, dass er von weit her kam. Als Tuba-Händler hat FMB eine internationale Reputation, hält immer 100 bis 120 Tuben vor. Kaum vorstellbar, aber für die machten sich schon mal besonders gewissenhafte Musiker aus Bogotá oder aus Taipeh auf den Weg nach Gütersloh. Für sie ist die Stadt irgendwo im Nirgendwo, viel sehen sie nicht von der Stadt, aber sie erfahren alles über Blasinstrumente, probieren aus, unterscheiden. Ihr Ziel ist eben nicht Ostwestfalen-Lippe und dessen schöne Seiten. Sie wollen etwas anderes erreichen: Perfektion. Das Geschäft mit den Instrumenten ist nämlich alles andere als banal, es ist sensibel. Sicher, die FMB-Trompete für 189 Euro als Einsteigermodell geht wohl eher unkompliziert über den Online-Ladentisch. Die Melton-Profi-Tuba aber für an die 23.000 Euro ist beratungsintensiv – das Verhältnis zwischen ihr und dem künftigen Besitzer wird ein höchst emotionales werden. Da ist es nicht unüblich, dass ein Käufer auch vor dem Finishing des Instruments noch einmal testet, ob das wertvolle Stück auch ergonomisch in Ordnung ist, oder aber ob Korrekturen notwendig werden.

Von Nicht-Musikern gern übersehen, spielt ein vermeintliches Kleinteil bei Bläsern mit die größte Rolle: Das Mundstück, der Übergang vom Instrument zum Künstler. Ohne das ist alles nichts – und es muss perfekt sein. Musiker und Mundstück verschmelzen quasi miteinander, nichts darf stören, das Rund muss dem Musiker in jeder Hinsicht passen. Entsprechend groß ist die Auswahl der kleinen Teile.

Das erste Instrument als Türöffner

Experten on Tour: Oft präsentiert FMB seine Instrumente vor Ort in einem Musikverein oder in Konzerthäusern zum Beispiel. Und dann sind unterschiedliche Interessen mit gutem Gespür zu bündeln: „Der Tubist will sein Instrument gut schleppen können, der Dirigent will, dass es gut klingt – und der Kassierer will, dass es nichts kostet“, beschreibt Frank Schroeder eine nicht untypische Beratungssituation.

„Die Orchester bekommen wir über das Schlüsselinstrument“, sagt er – und meint damit das eine Instrument, das ein Musiker für sich durchgesetzt hat, und bei dessen Spiel das ganze Orchester die Bereicherung seiner Kunst spürt. Das erste Instrument als Türöffner sozusagen: Wenn der Musiker mit dem brilliert, ist das im besten Fall der Anfang einer langen, intensiven Geschäftsbeziehung.

Bei den von FMB gehandelten Metallinstrumenten gibt es neun Hauptgruppen, bei den Holzinstrumenten sind es Flöte, Klarinette, Oboe, Fagott, Saxophon und: die Blockflöte. „Die wird gern veralbert, aber zu Unrecht“, meint Frank Schroeder. Zehn Mitarbeiter hat der Fachmarkt Blasinstrumente, alle sind auch Musiker. Und sie sind Reisende in ihrer Begeisterung für guten Klang: Mal sind sie auf dem Weg ins Concertgebouw nach Amsterdam, mal besuchen sie die Deutsche Oper in Berlin, um Instrumente und Musiker im Erstkontakt zueinander zu bringen.

Und dann ist da noch die andere Art von Experten-Treffen: Messen und Workshops haben eine enorme Bedeutung für FMB. Natürlich ist Frank Schroeder froh, dass nach langer Corona-Krise – in der man die Instrumenten-Bestände vernünftigerweise zurückgefahren hatte – wieder etwas mehr Normalität in den Alltag kommt, und Musiker wieder vorsichtig aufeinandertreffen können. Was für eine Klangkulisse muss es sein, wenn 100 Tubisten zusammenkommen, musizieren, ausprobieren, Insiderwissen austauschen und Kontakte knüpfen. „Hier spielt die Musik“ – die Formulierung bekommt dann auch für den kleinen, großen Händler aus Gütersloh einen Sinn.

Bei den Gastspielen im wahren Wortsinn entstehen natürlich auch Anekdoten, die gern mal erzählt werden – im eingeschworenen Kreis. Nein, gedruckt will der Geschäftsführer sie nicht sehen, zu indiskret wäre das. Und man merkt, dass er Spaß hat an dem, was er tut – und was er dabei erlebt, aber: Manchmal ist kein Ton eben auch guter Ton.

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