Interview: Dr. Rolf Westheider . Fotos: Detlef Güthenke
Herr Bürgermeister Meyer-Hermann, eines der größten Projekte der vergangenen Jahrzehnte in Ihrer Stadt ist so gut wie abgeschlossen: Die Umgestaltung der Innenstadt. Was hat Versmold dazu veranlasst?
Nach der letzten grundlegenden Sanierung in den 1980er-Jahren mussten wir nach rund dreieinhalb Jahrzehnten einfach feststellen, dass die Innenstadt in die Jahre gekommen ist: An vielen Stellen in der Fahrbahn gab es bereits Schäden, im Gehwegbereich wurden viele Engstellen und ein unebenes Pflaster moniert, und der Platz vor dem Rathaus verspürte immer noch den Charme der 70er-Jahre.
Darum haben wir uns 2016 auf den Weg gemacht. Den Rahmen bot das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK). Mit einem Planungswettbewerb, in Workshops mit Experten und der Bürgerschaft sowie in zahlreichen politischen Beratungen haben wir uns intensiv Gedanken gemacht, wie eine Innenstadt der Zukunft in Versmold aussehen kann. Besonders wichtig war uns dabei, die Aufenthaltsqualität auf den drei zentralen Plätzen – Rathausplatz, Kirchplatz und Marktplatz – deutlich zu erhöhen. Gleichzeitig war ein zentrales Ziel, die Innenstadt weiterhin für alle Verkehrsteilnehmer gut erreichbar zu halten. Also, Parkmöglichkeiten, mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen und eine Barrierefreiheit für Menschen mit Beeinträchtigungen herzustellen. Es war durchaus eine Herausforderung, all diese Anforderungen auf begrenztem Raum umsetzen zu können. Was folgte, war ein langer Weg.
… etwa auch ein steiniger Weg?
In Ostwestfalen sagt man gerne: „Es muss erst schlimmer werden, bevor es besser wird!“ Und so ist es natürlich auch, wenn man mitten im Herzen der Stadt über vier Jahre tiefgreifende Baumaßnahmen vornimmt. Da lassen sich auch bei einem guten Bauablauf Einschränkungen wie Sperrungen nicht vermeiden, die eine Erreichbarkeit der Geschäfte erschwert haben. Fußläufig war hingegen immer ein Weg durch die Bauabschnitte frei. Insgesamt war der Bauprozess vor diesem Hintergrund nicht einfach, insbesondere waren es schwere Jahre für den Einzelhandel, zusätzlich noch verschärft durch die Corona-Kriese. Aber ich bin dankbar, dass wir diese Zeit im guten Miteinander gestaltet haben. Heute bin ich der festen Überzeugung, dass sich das Durchhalten gelohnt hat.
Was macht das neue Gesicht Versmolds besonders aus?
Zum einen das „Kirschblüten-Band“, das ein zentrales Element des Entwurfes des uns begleitenden Planungsbüros Förder aus Essen war. Es zieht sich durch die Verkehrsachsen der Innenstadt und verbindet die drei Plätze. Ein Blickfang im Frühling, der auch schon zu einem neuen Highlight im Veranstaltungskalender geführt hat: Dem „Kirschblüten-Fest“ unserer Kaufmannschaft. Im Kalender der öffentlichen Feste haben wir damit einen weiteren Termin, der mit den Bäumen weiterwachsen wird.
Zum anderen sicherlich der neue Rathausplatz mit dem großen Brunnen im Mittelpunkt. Er ist zu einem stark frequentierten Anziehungspunkt geworden. Aus meinem Bürofenster kann man sehr schön das lebendige Treiben beobachten: Kinder spielen in den Wasserfontänen oder hüpfen auf dem Trampolin, die Sitzbänke sind zu fast jeder Jahreszeit gut belegt. Die kleinen Holzschweine verweisen auch hier auf das, wovon Versmold hauptsächlich lebt: der Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren. Mit dem Kirchplatz öffnete sich ein ganz neuer Raum, der jetzt zum Innehalten genutzt werden kann. Das hat auch dem Marktplatz als unserer bisherigen „guten Stube“ durchaus gutgetan.
Schließlich haben wir im Rahmen der Innenstadtumgestaltung ein einheitliches Stadtmobiliar bekommen. Straßenlampen, Mülleimer, Fahrradständer und Bänke weisen nun ein einheitliches und modernes Design auf.
Welchen zusätzlichen Gewinn hat die Umgestaltung für die Bürgerinnen und Bürger?
Ich werde häufig von Versmolderinnen und Versmoldern angesprochen, dass sie sich jetzt auch mit Rollstuhl oder Rollator auf dem neuen, ebenen Pflaster gut durch die Innenstadt bewegen können. Lob kommt auch von den Kindergärten, deren Wägelchen jetzt bequemer rollen können. Außerdem wurden Stolperkanten entfernt, und es gibt mehr Platz auf den Gehwegen, also insgesamt ein deutliches Plus an Barrierefreiheit!
Auch für Veranstaltungen ist die Innenstadt noch besser nutzbar: Der Rathausplatz bietet ganz neue Möglichkeiten, ebenso der nun von mehreren Seiten begehbare Kirchplatz – oft in Verbindung mit dem benachbarten Marktplatz wie bei unserem beliebten Weihnachtsmarkt.
Apropos Weihnachtszeit: da ist Versmold auch noch um eine weitere Attraktion reicher geworden …
Genau. Als im ersten Winter nach der Umgestaltung der Brunnen vor dem Rathaus so etwas trostlos ohne Wasser war, kam mir aufgrund seiner kreisrunden Form eine Idee, die wir dann auch in die Tat umsetzen konnten: Wer in der Adventszeit nach Versmold kommt, kann hier den größten Adventskranz in Ostwestfalen bewundern. So entsteht nicht nur eine besondere Stimmung, sondern der Kranz ist auch schon zum beliebten Selfie-Motiv von kleinen und großen Besuchern geworden.
Die Umgestaltung der Straßen und Plätze ist also erfolgreich abgeschlossen. Aber steht noch ein weiterer Abschnitt an?
Im kommenden Jahr wollen wir noch den „Friedenspark“ hinter dem Rathaus als zentralen Grünbereich aufwerten. Neben der leichten Umgestaltung dieses Parks, dem früheren Garten der Unternehmerfamilie Delius und danach ein Ort des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, soll vor allem eine Wegeverbindung entlang des Aabachs entstehen, die auch einen barrierefreien Umbau der Brücke und des Zugangs zum Schulzentrum mit unserer „Kulturbühne“ umfasst. So wollen wir dieses grüne Kleinod in unserem Stadtzentrum aus seinem Schattendasein herausholen. Dies soll mithilfe einer Förderung durch Bund und Land aus dem Städtebauförder-Programm gelingen.
Herr Meyer-Hermann, ich wünsche Ihnen für die weiteren Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität Ihrer Stadt viel Erfolg und danke herzlich für das Gespräch!