Die Adelsdichte im Kreis Gütersloh ist zwar nicht sehr hoch – die Herrenhäuser derer
„von und zu“ allerdings sind ausgesprochen sehenswert, und auch die Durchlauchtigsten
höchstselbst krönen den Kreis mit großem Engagement auf vielen Gebieten.
Fotos: Detlef Güthenke
Die blaublütigen Persönlichkeiten inmitten unserer Kreisgesellschaft reichen vom bodenständigen Landadel bis hinauf zur fürstlichen Dynastie mit engen und besten Verbindungen zum gesamten europäischen Hochadel. Und selbst wenn sie in altehrwürdigen Gemäuern beheimatet und von über Jahrhunderte tradierten Familien-Historien umwoben sind, so fühlen sie sich doch hier im bodenständigen Ostwestfälischen gut beheimatet. Auf dem hohen Thron sitzt – trotz manch bürgerlicher Vorbehalte – bei genauerem Hinschauen keiner mehr. Geschäftsmäßig werden Name und Besitztum gemanagt. Handfest, bürgernah und modern.
Residenz in Rheda
Im hochherrschaftlichen Wasserschloss Rheda ist die Fürstenfamilie zu Bentheim-Tecklenburg zu Hause. Fürst Maximilian hält als Oberhaupt der Familie das Zepter in der Hand. An seiner Seite: Gattin Marissa und die vier Kinder Moritz (19), Louise (17), Amalia (15) sowie Carl-Emil (12).
„Das Leben der zu Bentheim-Tecklenburgs ist geprägt von Pflicht und Verantwortung. Immer wieder stehen sie vor dem ehernen Gebot, ihr privates Glück mit dem traditionsreichen Erbe der Familie in Einklang zu bringen“, so beschreibt eine TV-Produktion die Aufgaben der Fürstenfamilie und offenbar gilt der Spruch „Adel verpflichtet“ nicht nur für goldene Pralinés, sondern auch für unsere Kreis-Dynastie Nummer eins: „Ich empfinde das tatsächlich so – zumindest manchmal“, bestätigt Fürst Maximilian und erzählt von einem komplett anderen Lebensentwurf. „Ich bin der jüngste der Geschwister, aber tragische Umstände haben mich seinerzeit in die Verantwortung gebracht, unserer Familie vorzustehen.“ Er ist also nicht als Immobilienmakler in die freie Wirtschaft gegangen oder lehrt Kunsthistorik an der Uni; er wohnt nicht in London oder New York, sondern leitet „ein Familienunternehmen“ mitten in Ostwestfalen, im Herzen des Kreises Gütersloh. „Das fängt ja schon damit an, dass wir unser Zuhause in weiten Teilen für die Öffentlichkeit zugängig gemacht haben und hier die Grenzen zur Privatsphäre nicht immer eingehalten werden. Dazu gehört aber auch die enorme Verantwortung, alles Historische zu bewahren – nicht nur für die Familie, sondern eben auch für die Allgemeinheit!“
Öffentlichkeit willkommen
Die insgesamt fünf Schlösser – Hohenlimburg, Rheda, Clarholz, Bosfeld und Herzebrock – sind instand zu halten und werden von der Familie als kulturelle und gesellschaftliche Zentren geführt. Selbiges gilt für die Klöster Herzebrock und Clarholz. „Das ist mit hohem finanziellen Aufwand, aber auch mit enorm viel Arbeit verbunden“, berichtet der Fürst, der gerade eigens eine Eventmanagerin eingestellt hat, um die traditionsreichen Locations mit passenden Veranstaltungsangeboten attraktiv und wirtschaftlich rentabel gestalten. Diese reichen von der Möglichkeit, auf fürstlichem Terrain zu heiraten – beispielsweise in der Orangerie von Schloss Rheda oder dem Kloster Herzebrock – bis zur Teilnahme an feierlichen Gottesdiensten; vom Frühlingsfest bis zum Weihnachtsmarkt im Schlosshof. „Da werden wir in Zukunft noch deutlich aktiver werden“, sagt der Fürst. Schon seine Mutter Huberta hat sich für die Öffnung des Schlosses und die Integration der Familie in den Kreis engagiert. Sie hat die Restaurierung des Schlosses in den 1970er-Jahren maßgeblich initiiert und das Schmuckstück den Bürgern dann in öffentlichen Führungen zugänglich gemacht. Der Stadt Rheda tat sie mit ihrem Kampf für den Schlosspark und gegen eine mehrspurige Schnellstraße an Ort und Stelle seinerzeit sicherlich einen großen Gefallen. Bei den Schlossführungen übrigens war auch der Fürst als Kind häufig mit von der Partie und lauschte der Familien-Historie.
„Ich bin relativ privilegiert aufgewachsen“, erinnert sich Maximilian von Bentheim-Tecklenburg an seine Kindheit, die er abgeschieden auf Schloss Bosfeld verbrachte, und die Jugend in Elite-Internaten. „Das wollte ich für unsere Kinder nicht. Sie sollen lokal integriert sein und eine normale Kindheit verleben.“ „Die vier waren im Kindergarten Sonnenschein, haben an der Wenneber-Grundschule das Einmaleins gelernt und sind inzwischen Schüler des hiesigen Einsteingymnasiums“, erzählt Fürstin Marissa. Ob im örtlichen Chor oder im Reitverein – die fürstlichen Kinder sind „mittendrin“ im Kreis Gütersloh. Auch die gebürtige Britin ist komplett integriert in Rheda und Umgebung, steht unter anderem dem Deutschen Roten Kreuz Rheda-Wiedenbrück als Vorsitzende vor und engagiert sich örtlich in diversen Ehrenämtern sowohl für Kinder als auch für Senioren. Fürst Maximilian zu Bentheim-Tecklenburg ist unter anderem Präsident der Deutschen Burgenvereinigung und engagierter Denkmalschützer. All diese Tätigkeiten, das liegt Fürstin Marissa am Herzen, seien nicht nur Pflicht, sondern eine große Ehre – und so sieht die Fürstin die Rolle ihrer Familie im Kreis freudig und positiv.
Und wo bleibt man dann doch unter sich? „Wir sind ja allein durch unsere Verwandtschaft in fast alle europäischen Königshäuser sehr vernetzt und werden da entsprechend häufig zu Feierlichkeiten geladen“, erzählt Fürst Maximilian. Ob nun Hochzeiten, Taufen oder Jubiläen, all das verbringen die Blaublütigen nach dem Gang über den roten Teppich bevorzugt „nicht öffentlich.“ „Gleiches zieht Gleiches an“, meint der Fürst in diesem Punkt traditionsverbunden – auch im Hinblick auf Freundschaften und künftige Eheschließungen.
Pferdebetrieb in der Patthorst
Das Rittergut Patthorst war ursprünglich ein Jagdschloss der Grafen von Ravensberg. Inzwischen ist es in den Besitz der Familie von Eller-Eberstein übergegangen. Christiane Freifrau von Eller- Eberstein betreibt hier eine Reitsportanlage. Ihr ursprünglicher Herrschaftssitz liegt in Hessen – es ist eine alte Ruine in der Rhön. Durch Vermählungen und Erbfolgen gelangte die Patthorst samt Schlossanlage in den Besitz derer von Eller-Ebersteins.
Ob sie sich „adelig“ fühle? „Nein. Ich fühle mich dem Besitz und der Historie der Familie Eller-Eberstein verbunden und gebe mein Bestes, um alles zu erhalten und zu tradieren“, sagt die Freifrau und erzählt aus ihrem Alltag: „Ich bin in erster Linie Chefin eines Wirtschaftsbetriebes mit Pensionspferden, Forst- und Landwirtschaft, Wildverkauf sowie Immobilien.“ Das alles managt sie seit Beginn der 1990er-Jahren, als sie als zweitälteste von vier Schwestern das Familienerbe antrat.
Neben dem Management der Anlage, die sie bewusst in familiärem Stil fühlt, ist die staatlich geprüfte Landwirtin, die zudem eine kaufmännische Ausbildung absolvierte, auch in der Land- und Forstwirtschaft aktiv. Sie kümmert sich um „die Patthorst“. Das großflächige Waldgebiet bei Steinhagen ist ein begehrtes Naherholungsgebiet und nicht nur für Spaziergängerinnen und Spaziergänger sowie Radfahrerinnen und Radfahrer, sondern auch für Reiterinnen und Reiter eine Traumumgebung. „Die Menschen vergessen oft, dass sie sich hier eigentlich auf Privatbesitz befinden, der auf meine Kosten gepflegt wird, was ihnen ja zugutekommt: Denn die Baumpflege garantiert Sicherheit, die Instandhaltung der Wege Komfort.“ Die Pflege der Patthorst ist eine herausfordernde Aufgabe und für die patente Freifrau Herzensangelegenheit – natürlich aber auch Wirtschaftsfaktor: „Sturmschäden und Klimawandel setzen unserem Waldgebiet stark zu. „Ich pflanze aktiv nach und setze auch auf Naturverjüngung“, so Christiane von Eller-Eberstein, die auch von den „Produkten des Waldes“ lebt und sich deshalb wünscht, dass sich die Besucher dort pfleglich verhalten. Sohn Thilo wird später in ihre Fußstapfen treten. Der 27-Jährige studiert nach einer Banklehre momentan Forstwirtschaft in Göttingen – gemeinsam übrigens mit einem Spross der Familie von Kerssenbrock aus Borgholzhausen … Tochter Frederica indes ist als Kauffrau in Hamburg tätig.
Christiane von Eller-Eberstein hat übrigens nicht adelig geheiratet, sondern mit dem diplomierten Finanzwirt Dirk einen Bürgerlichen gewählt und ihn qua Heirat gewissermaßen in den Adelsstand gehoben. „Es ist nicht die Position, die einen Menschen auszeichnet, sondern sein Charakter, sein Handeln, seine Leistung“, interpretiert die Freifrau ihre Rolle durchaus weltoffen, herzlich und modern.
… und noch mehr Adel
In Borgholzhausen residiert der Graf von Kerssenbrock im Wasserschloss Brincke. Hier können sich Besucher durchs Schloss führen lassen. Das Wasserschloss Holtfeld, ebenfalls im Besitz der von Kerssenbrocks, ist als Location für Hochzeiten beliebt.
Baronin und Baron Teuffel von Birkensee sind hinter den dicken Mauern des altehrwürdigen Wasserschloss Tatenhausen daheim. Termine zur Schlossführung sind buchbar.
Die Familie Tenge-Rietberg nennt das Jagdschloss Holte ihr Eigen. Der alte Adelssitz ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, teilweise aber vermietet. Im Rahmen einer Stadtführung können Schlossgarten und Kapelle besichtigt werden. Das Haus Werther, von den Wertheranern stolz als „Schloss“ tituliert, ist als Bürgerbegegnungsstätte kultureller Treffpunkt für alle mit einer Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten. Ursprünglich gehörte das städtische Gebäude den „Herren von Werther“ und war ein Rittergut.