Fotos: Detlef Güthenke
Sprache ist der Schlüssel zu der Welt, in der wir leben. Dies gilt insbesondere für jene Menschen, die als Schutzsuchende aus Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland kommen. Mit niederschwelligen Deutschlernangeboten ermöglicht die Sprachwerkstatt im Kreis Gütersloh geflüchteten Frauen mit Kindern einen ersten Einstieg ins Erlernen der deutschen Sprache und unterstützt sie so auf ihrem Weg der Integration.
Wie groß der Bedarf an diesem Angebot ist, zeigt die Entwicklung der Teilnehmerzahlen seit der Gründung der Sprachwerkstatt 2020. Gab es im ersten Durchlauf 2020/2021 erst sieben Kurse, hat sich diese Zahl bis heute auf 13 erhöht und damit fast verdoppelt. Bis Ende des Jahres werden rund 600 Teilnehmerinnen aus rund 20 Herkunftsländern weltweit einen Sprachkurs der Sprachwerkstatt besucht haben, davon allein mehr als 100 Frauen im Jahr 2024. Eine positive Entwicklung, die vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die Teilnehmerinnen dank eines integrierten Betreuungsangebotes die Möglichkeit haben, ihre Kinder mitzunehmen. Eine Option, die gerne und umfassend genutzt wird. Bereits mehr als 200 Kinder waren zu Gast in der Sprachschule und wurden hier fachkundig betreut, während ihre Mütter am Kurs teilnahmen: „Da die Frauen in diesen Familien oft für die Erziehungsarbeit zuständig sind, haben sie im Vergleich zu Männern häufig geringere Möglichkeiten, an Sprachkursen teilzunehmen. Mit der Kinderbetreuung verschaffen wir ihnen den Spielraum, den sie benötigen, um deutsche Sprachkenntnisse aufzubauen“, erläutert Projektleiterin Vera Lengersdorf die Vorteile der Sprachwerkstatt. Seit 2023 verantwortet sie das Projekt, eine Zeit, in der sie viel über ihre Teilnehmerinnen lernen konnte: „Die Menschen, die zu uns in die Werkstatt kommen, wollen sich in die Gesellschaft integrieren. Sie wissen, dass sie dafür die deutsche Sprache gut anwenden können müssen, und sind daher in der Regel hochmotiviert. Mit unserem niederschwelligen und kostenfreien Angebot bieten wir ihnen die Chance, in Kontakt mit der deutschen Sprache zu kommen und erste Grundkenntnisse zu erwerben.“
Sprachkompetenz im Alltag erwerben
Im Mittelpunkt der Sprachwerkstatt, deren Kurse in der Regel über 20 Wochen und rund 100 Zeitstunden laufen, stehen Erwerb und Förderung des mündlichen Sprachgebrauchs. Dementsprechend sind die Kurse alltagsorientiert aufgebaut und verzichten in weiten Teilen auf Lehrwerke. Je nach Bedarf der Teilnehmerinnen wird der Wortschatz für unterschiedliche Alltagssituationen vermittelt, wie beispielsweise den Einkauf, einen Arztbesuch oder Behördengänge. Das Erlernte wird dann bei gemeinsamen Ausflügen, dem Besuch des örtlichen Marktes oder einer gemeinsamen Kochaktion direkt angewandt. Erst vor wenigen Wochen fand beispielsweise in Werther auf Einladung der dortigen Sprachwerkstatt ein gemeinsames Kochen statt. Rund ein Dutzend Teilnehmerinnen waren gekommen und nutzten die Gelegenheit, ihren Wortschatz auszuprobieren und zu erweitern. Für Kursleiterin Nhung Tra vom Bildungsträger INTAL Bildung und Beruf gGmbH eine gelungene Veranstaltung mit beeindruckenden Ergebnissen: „Heute hat man gesehen, welche Fortschritte die Teilnehmerinnen in den vergangenen Monaten gemacht haben. Mittlerweile werden nicht nur einzelne Worte und Sätze formuliert, sondern ganze Dialoge miteinander geführt.“
Fortschritte, die umso beachtlicher sind angesichts der Heterogenität der Kurse. Annähernd 30 Sprachen und unterschiedliche Bildungsgrade bringen die Teilnehmerinnen aus ihren Herkunftsländern mit, die alle berücksichtigt und in das Gesamtkonzept eingepasst werden müssen. Dementsprechend breit ist das Angebot der Sprachwerkstatt angelegt, erläutert Vera Lengersdorf: „In den Kursen gibt es bis zu vier verschiedene Sprachniveaus, von absoluten Anfängerinnen bis hin zu Personen mit dem Sprachniveau B1. Dementsprechend ist es für unsere Sprachdozentinnen jedes Mal eine neue, aber leistbare Herausforderung, die zum Teil völlig unterschiedlichen Lernstände unter einen Hut zu bekommen. Zumal Teilnehmerinnen auch noch in einem laufenden Kurs einsteigen können, vorausgesetzt, es ist noch ein Platz frei.“
Die Sprachwerkstatt ist ein Anfang
Zum Abschluss der Sprachwerkstatt können die Frauen eine Teilnahmebestätigung erhalten. Für viele ist dies aber noch nicht das Ende ihres Spracherwerbs. „Tatsächlich bilden sich viele Absolventinnen nach Abschluss der Sprachwerkstatt oder auch währenddessen weiter und belegen beispielsweise an der Volkshochschule oder bei anderen Anbietern Deutschkurse. Wir bauen eine sinnvolle Brücke zu den deutlich umfangreicheren Integrationskursen des BAMF. Hier zeigt sich, dass die niedrigschwellige Arbeit der Sprachwerkstatt Früchte trägt“, sagt Manuel Erdmeier, seit 2020 Leiter des Kommunalen Integrationszentrums (KI) Kreis Gütersloh, in dessen Verantwortung die Gesamtkonzeptionierung und Organisation der Sprachwerkstatt liegen. Darüber hinaus arbeitet das KI gemeinsam mit Kommunen, Freier Wohlfahrt, Ehrenamt und vielen weiteren Akteuren in den Belangen der Integrationsarbeit im Kreisgebiet, koordiniert Prozesse, gibt Impulse und deckt Bedarfe auf, die dann bestmöglich durch passgenaue Angebote abgedeckt werden. „Tatsächlich sind wir eine der wenigen Kommunen in NRW, die eine Sprachwerkstatt mit Kinderbetreuung anbietet und dann auch noch das ganze Projekt mit Eigenmitteln dank der Entscheidung des Kreistags finanziert. Knapp vier Jahre nach dem Start kann man sagen, dass dieser Mut sich wirklich gelohnt hat“, betont Manuel Erdmeier. Rund 200.000 Euro werden jährlich aus Kreismitteln für die Sprachwerkstatt zur Verfügung gestellt. Finanzielle Leistungen, die auch in Zukunft dringend benötigt werden. Gleiches gilt auch für die Unterstützung seitens der Bildungsträger, die die Kurse mit ihren Sprachdozenten und pädagogischen Kräften durchführen, sowie für Familienzentren und andere Träger, die die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Es ist dieses Zusammenspiel unterschiedlichster Akteure, dass erfolgreiche Integrationsarbeit überhaupt erst möglich macht, betont Manuel Erdmeier: „Tatsächlich ist die Sprachwerkstatt ein Paradebeispiel dafür, was Menschen im Verbund gemeinsam erreichen können. Diese Netzwerkkompetenz und -stärke müssen wir weiter pflegen und ausbauen. Schließlich wird uns das Thema Integration auch in den kommenden Jahren weiter beschäftigen.“