Leitet die Alte Dorfmühle eine neue Entwicklung für den Verler Ortskern ein?

Text: Markus Corsmeyer . Fotos/Animationen: Lena Beckervordersandforth

Jeder kennt sie in Verl: die Alte Dorfmühle am Ölbach. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz – schon länger ist es marode und baufällig, doch das Interesse am Erhalt des historischen Gebäudes ist groß. So groß, dass ein zukunftsweisendes Konzept für den Erhalt der Dorfmühle auf starkes Interesse in der Stadt Verl gestoßen ist. Entwickelt hat es die Junior-Architektin Lena Beckervordersandforth in ihrer vom Bund Deutscher Architekten ausgezeichneten Masterarbeit, die sie vor rund einem Jahr einer breiten Öffentlichkeit im Verler Heimathaus präsentierten konnte.

Historische Bedeutung für Verl
Die Basis für die mit der Note eins ausgezeichnete Arbeit war die intensive Aus-einandersetzung mit der geschichtlichen Entwicklung und der historischen Bedeutung der Dorfmühle für Verl.
Für Lena Beckervordersandforth steht bei den Sanierungsmaßnahmen der Erhalt der historischen Bausubstanz und der ortsbildprägenden Erscheinung im Fokus. Oberstes Ziel ist es, den besonderen Charme der Mühle zu bewahren.
Die Junior-Architektin hat für das Projekt eine besondere Expertise, denn sie ist für das Gütersloher Architekturbüro Spooren tätig. Eine der Kernaufgaben des Büros ist die Sanierung historischer oder denkmalgeschützter Gebäude mit einer schonenden und konservierenden Instandsetzung mit möglichst viel Originalsubstanz, um auch zukünftigen Generationen ein Stück Geschichte erhalten zu können.

Die Mühle soll nach den Vorstellungen Beckervordersandforths renoviert, der ursprüngliche Eingang an der Hauptstraße wieder geöffnet werden. Die historische Mühle selbst soll zum Ausstellungsgegenstand werden, indem die vorhandene Mahltechnik behutsam freigelegt wird.
Das Holztragwerk könnte durch das
Freilegen der Deckenbalken zur Raum-skulptur werden, so die Überlegungen.

Regionale Produkte von Landwirten
Am Friedhofsweg in Verl stellt sich Lena Beckervordersandforth einen Neubau vor. Es ist ein heller Raum mit verglaster Giebelfront und Orientierung Richtung Ölbach angedacht, der einen klaren Kontrast zum Raumgefühl in der Mühle bilden soll. Als Dämmmaterial sind Strohballen vorgesehen. Sie haben den Vorteil, gut für die Ökobilanz zu sein, und sie sind ein hervorragendes Baumaterial, das regional in Kooperation mit den ortsansässigen Landwirten und Landwirtinnen hergestellt werden kann. Denkbar ist beim Bauen mit Strohballen eine Kooperation mit dem Verler Heimatverein, der die Organisation einer Bürgerbeteiligung übernehmen könnte. Eine weitere Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe könnte das Projekt aus forschender Perspektive betreuen, so dass für eine mögliche Landesgartenschau im Jahr 2029 Verl eine zukunftsweisende Bauweise für den ländlichen Raum präsentieren kann.

Lena Beckervordersandforth kann sich unterschiedliche Nutzungen vorstellen: Ausstellungen, Konzerte oder Lesungen als kulturelle Highlights.
Die Planerin hat in ihrer Arbeit völlig frei gedacht und in diesem Zusammenhang auch ein altes Stallgebäude auf der
gegenüberliegenden Seite der Hauptstraße einbezogen. „Ich kann mir vorstellen, dass ortsansässige Landwirtinnen und Landwirte dort regionale Produkte in Automaten anbieten“, so Beckervordersandforth …
Für das Konzept hat sich Lena Beckervordersandforth intensiv mit dem Heimatverein ausgetauscht, der die Arbeit als wichtigen Baustein für die Zukunft der Mühle sieht.

Chance für die Landesgartenschau 2029
Sollte die Stadt Verl die Landesgartenschau 2029 ausrichten, dann
sieht Lena Beckervordersandforth darüber hinaus gute Chancen,
den Grünraum zu erweitern und Wanderwege ausbauen zu lassen.

Die Alte Dorfmühle am Ölbach lebt von der Grenzsituation zwischen Stadt und Land. Es soll daher ein Austausch zwischen diesen beiden Orten stattfinden. „Ein Austausch ist dann gegeben, wenn Besucherinnen und Besucher von außen aus der Landschaft in den Ortskern hineinfinden oder wenn die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt den Weg raus in die Landschaft finden“, so Lena Beckervordersandforth.

Einen Fokus legt die Planerin daher auf die Durchlässigkeit der Bebauung und ihre Wegeführung. Über den Wanderweg entlang der Ölbachrenaturierung sollen Besucherinnen und Besucher zunächst auf den Vorplatz der Dorfmühle gelangen. Hier könnten sie einerseits eine Pause einlegen, andererseits wirkt der Platz wie ein „Trittbrett und als Auftakt für den beginnenden Ortskern“, der sich über die Hauptstraße weiter fortführt. In die andere Richtung öffnet die Dorfmühle mit ihrem Vorplatz das Tor in die Landschaft. Gebäude und Wege sollen so angelegt werden, dass Besucherinnen und Besucher nie direkt auf eine Fassade zugehen und stoppen, sondern immer von den Fassaden weitergeleitet werden.

Für den eindrucksvollen Entwurf hat die Berücksichtigung eines harmonischen Stadtbilds eine besondere Bedeutung gespielt. Soll heißen: Die neue Bebauung soll sich dem Maßstab der umliegenden Gebäude harmonisch anpassen.

Hauptdarstellerin des Platzes
Die Dorfmühle soll im Mittelpunkt eines harmonischen Gesamtensembles stehen. Räumlich bildet sie das Zentrum. Darüber hinaus wird der Neubau so platziert, dass er orthogonal zur Dorfmühle steht und damit Bezug zu ihr aufnimmt. Gleichzeitig entsteht dadurch ein eingerahmter Platz vor der Südfassade der Mühle. Durch die zurückhaltende Holzfassade des Neubaus und des neuen Anbaus an die Mühle soll sich die Dorfmühle mit dem ausgeputzten Fachwerk zur Hauptdarstellerin des Platzes entwickeln. Der Vorplatz verleiht der Dorfmühle eine besondere Strahlkraft. Er soll deshalb vorwiegend dem Aufenthalt vorbehalten sein und Spaziergängerinnen und Spaziergänger in Empfang nehmen. Daher sind die Gebäudeeingänge des Neubaus und der Dorfmühle, die für Unruhe sorgen können, zu den Straßen orientiert.

Im Einklang mit Stadt und Land
Es wird nicht gebaut, um einen Ort entstehen zu lassen. Der Ort besteht seit mehreren 100 Jahren, so lange wie es die Siedlungsentwicklung in Verl gibt. Aufgabe ist es, den Ort um die Dorfmühle am Ölbach mit seinen Qualitäten wieder zu erwachen. Es gilt, behutsam im Einklang mit der naturgegebenen Grenze des Ölbachs zwischen Landschaft und Stadt mit einfachen Mitteln Hand anzulegen, damit der Ort für jeden und jede erfahrbar wird. Dabei ist weniger oftmals mehr.“
Lena Beckervordersandforth

Für alle da
Das Leitthema lautet: Die Alte Dorfmühle ist für jeden da, alle Bürgerinnen und Bürger sollen einen einfachen Zugang zu diesem Ort finden, der – ähnlich wie ein Freilichtmuseum – ganz unterschiedliche Möglichkeiten mit verschiedenen Aktivitätsstufen bietet.

So ist zum Beispiel der Mühlenplatz als Treffpunkt und Ort der Kommunikation
mit gemeinschaftlichen Verweilmöglich-keiten konzipiert. Hierzu gehört die
Dorfmühle, die von der Geschichte des Ortes und der Wasserkraft erzählt, genauso wie der für die verschiedenen Veranstaltungen nutzbare Neubau. Auf der anderen Seite des Ölbachs, in Richtung Landschaft orientiert, befindet sich der Ort der Stille, der einzelnen Wanderern einen zurückgezogenen Platz mit Blick auf die Natur anbietet.

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