Die Haller Bach-Tage sind seit 60 Jahren kulturelles Aushängeschild der Stadt und der evangelischen Kirchengemeinde und ziehen jedes Jahr im Januar und Februar viele Menschen nicht nur aus der Region an.
Text: Sybille Hilgert . Foto: Haller Bach-Tage
Halle hat mit den Haller Bach-Tagen eine Veranstaltungsreihe geschaffen, bei der sich herausragende Musikerpersönlichkeiten und Ensembles die Klinke in die Hand geben und die immer wieder auch überregionales Publikum anzieht. Ursprünglich war die Veranstaltung gar nicht als eine Reihe gedacht. Der Gründer Burghard Schloemann trat nach dem nach Studium der Evangelischen Kirchenmusik eine Stelle in der heutigen Hochschule für Kirchenmusik in Herford an. Zusätzlich suchte er eine feste Kantorenstelle, die er in Halle fand. Voller neuer musikalischer Ideen begann er mit der Arbeit in der Gemeinde. Und so ist die Geschichte der Haller Bach-Tage eng verbunden mit dem Bach-Chor der Johanniskantorei.
Bach trifft moderne Musik
Der gelungene Start war ein Weihnachtskonzert, dem im Januar 1963 eine geistliche Abendmusik mit Bach-Kantante folgte. Bereits 1964 wurden daraus „Drei-Bach-Tage”, die als Keimzelle der Haller Bach-Tage gelten. Ab 1966 unterstützte die Stadt Halle die Veranstaltung
finanziell. Heute ist die Stadt offiziell Veranstalter der Haller Bach-
Tage, während die Kirchengemeinde den Künstlerischen Leiter in Person des Kantors stellt. Ab 1969 hieß es dann „Haller Bach-Tage”.
Schloemann wollte die unbekannten Werke von Bach bekannt-
machen. Gleichzeitig sollte Bach die Grundlage sein, um mit musikwilligen Menschen Neue Musik zu machen. „Denn”, so Schloemann, „wie keine andere kann Bachsche Musik die Ohren öffnen für Neues.” So wurden während der Bach-Tage unter anderem Schloemanns
eigene Kompositionen gespielt. Später folgen Einladungen an zeitgenössische Komponisten, wie Karl-Heinz Stockhausen oder Pierre
Boulez, die begeistert von der Haller Bevölkerung aufgenommen wurden.
Einbeziehung darstellender Kunst
Auch die darstellende Kunst wurde immer wieder mit einbezogen. So gab es parallel zum Event Ausstellungen, dichterische Lesungen oder Installationen. So entstand im Laufe der Jahre ein Skulpturen-Park, der heute auf dem alten Friedhof zu finden ist. Auch der Tanz wurde als weiteres künstlerisches Element hinzugezogen. So hatten Jugendliche aus Haller Schulen die Möglichkeit, unter Leitung des Choreografen Volker Eisenach professionelle Choreografien zu erlernen und im Rahmen der Konzerte aufzuführen.
Bereits in den ersten Jahren erwies sich das Konzept als Publikumsmagnet und fand auch in der überregionalen Presse überaus positiven Widerhall. Natürlich gab es manchmal Hindernisse. So mussten etwa für die Anschaffung eines Konzert-Cembalos Spenden gesammelt werden. Schloemann fragte sogar beim damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke um Unterstützung an (die er im übrigen auch bekam). 1970 wurde das neue Konzert-Cembalo bei den Haller Bach-Tagen eingeweiht.
Engagierte Festivalleiter
Bis 1984 war Burghard Schloemann Leiter des Festivals, es folgte eine mehrjährige Übergangslösung, bis Martin Rieker 1988 die Kantorenstelle antrat und 1989 zum ersten Mal die Haller Bach-Tage leitete. Er musste allerdings feststellen, dass die alte Orgel nicht mehr spielbar war. So wurde im Juni 1989 ein „Verein zur Förderung des Orgelneubaus und der Orgelmusik in Halle/Westfalen” gegründet. Die neue Orgel kam aus Schiltach im Schwarzwald und wurde 1992 nach den Haller Bach-Tagen in der St. Johanniskirche eingebaut. Rieker prägte in seiner 33 Jahre dauernden Tätigkeit die Haller Bach-Tage entscheidend mit.
Seit 2019 ist Friedemann Engelbert Kantor der Johanniskirche und Leiter der Haller Bach-Tage. Fanden die Konzerte im Jahr 2020 noch statt, wurde die Veranstaltung 2021 aufgrund der Pandemie abgesagt, die Konzerte im Laufe des Jahres nachgeholt. 2022 beschloss die Stadt aufgrund der andauernden Pandemie, komplett auf das Event zu verzichten. Es wären die 59. Haller Bach-Tage gewesen. 2023 wurden dann die Haller Bach-Tage „59b” veranstaltet, so dass das 60. Jubiläum im nächsten Jahr gefeiert werden kann.
Hochkarätige Musikensembles
Und das unter einem großartigen Motto: „We call him Handel – Bach very british”. „Bach und Händel sind im gleichen Jahr geboren worden, der eine in Eisenach, der andere in Halle an der Saale. Bach ist weitgehend im mitteldeutschen Raum geblieben, Händel durch die Welt gereist und in London zum Komponisten des Königshauses geworden”, so Engelbert. „Händel wurde auch nach seinem Tod hoch verehrt, während Bach lange Jahre in Deutschland fast vergessen war. Das sind zwei völlig verschiedenen Lebensläufe, und das finde ich sehr interessant.”
Zu Beginn und zum Schluss der kommenden Haller Bach-Tage werden Bachs Johannes-Passion und Händels Oratorium „Israel in Egypt“ aufgeführt. Dazwischen sind viele hochkarätige Ensembles, wie „Voces8” aus London zu Gast. Weiterhin wird es einen Festakt geben und Michael Maul, der Intendant des Leipziger Bachfestes hält den Festvortrag. Beim Festkonzert wird Händels Feuerwerksmusik mit begleitenden Lichtinstallationen, sozusagen modernem Feuerwerk, aufgeführt. Ein Konzert beim Unternehmen Storck steht unter dem Motto „Handel in the Pub”.
Außerdem gibt es ein Kinderkonzert sowie für Jugendliche das Tanzprojekt „Dancing Queen”. Dahinter steckt zum einen die Orgel als Königin der Instrumente und zum anderen natürlich Abba. Zum 60. Geburtstag wird es auch einen Dokumentarfilm geben. Engelbert hat zusammen mit einem Dokumentarfilmer Burghard Schloemann und weitere Verantwortliche und Ausführende besucht und interviewt. Zudem werden Aufnahmen der letzten Bachtage gezeigt.
Wirkung über den Kreis Gütersloh hinaus
Die Haller Bach-Tage haben eine große Wirkung über den Kreis hinaus und zählen mit zu den wichtigen Aushängeschildern der Stadt Halle. Und das in einer beeindruckenden Qualität, Vielseitigkeit und Kontinuität. Die Bach-Tage sind ein städtisches Festival geworden, das von der Stadt selbst und zahlreichen heimischen Unternehmen engagiert unterstützt wird. Und neben zahlreichen Kunstwerken und Installationen, die heute das Stadtbild von Halle bereichern, bleiben den vielen Teilnehmenden wunderschöne Erinnerungen an musikalische Erlebnisse und großartige Kunst.
Die 60. Haller Bach-Tage finden vom 26. Januar bis zum 11. Februar 2024 unter dem Motto „We call him Handel – Bach very british“ statt.