Das ehemalige Franziskanerkloster in Wiedenbrück ist in den vergangenen zwei Jahren zu einem Ort der Begegnung und des Mitmachens geworden.
Foto. Detlef Güthenke
Behutsam biegt Dorothee Kohlen die oberen Ableger der Tomatenstaude zur Seite, um besser an das vertrocknete Strauch- und Blattwerk zu kommen, dass sie anschließend sorgfältig mit ihrer Rosenschere entfernt. Obwohl sie konzentriert bei der Sache ist, hat sie meinen fragenden Blick offenbar bemerkt. „Wenn wir das nicht regelmäßig machen, entstehen Pilze, die sich dann über die ganze Staude ausbreiten. Dass wollen wir natürlich verhindern“, erklärt sie mir freundlich, bevor sie sich wieder ihrer Aufgabe widmet.
Dorothee Kohlen ist eine von rund zwei Dutzend freiwillig engagierten Menschen, die ich an diesem frühen Samstagmorgen im Garten des Klosters Wiedenbrück antreffe. Laub harken, Unkraut entfernen, Tomaten ausgeizen oder Mulch verteilen – es gibt viel zu tun für das Team, dass sich seit mehr als zwei Jahren regelmäßig trifft, um diese grüne Oase im Herzen der Klosteranlage zu pflegen. Auch drei Freiwillige des Teams Imkerei haben sich eingefunden und prüfen, wie fleißig ihre kleinen schwarz-gelben Helfer in den vergangenen Tagen gewesen sind. Das Produkt ihrer Arbeit, der wohlschmeckende, goldgelbe Honig, wird ebenso wie das Obst und Gemüse im eigenen Klosterladen verkauft. Der liegt nur wenige Schritte entfernt und versorgt bereits die ersten Kunden.
Der Wandel ist gelungen
Ein Idyll, das lange Zeit undenkbar schien. Nur wenige Wochen nach der Gründungsversammlung der gemeinnützigen Genossenschaft Kloster Wiedenbrück eG, die im Januar 2020 als neuer Eigentümer die Nachfolge des Franziskaner-Ordens antrat, traf die Corona Krise auch den Kreis Gütersloh mit voller Wucht. Sonja Rakete, Vorstandsmitglied und eine der Initiatoren der Gründung, erinnert sich noch gut an diese Zeit: „In den ersten Monaten waren wir wirklich gespannt, wie unser Plan gelingen konnte. Die ewigen Verschiebungen und Absagen durch die Lockdowns waren natürlich frustrierend. Aber wir haben ja den Garten und konnten so schon ab Sommer 2020 damit starten, nach und nach die Anregungen aus dem Ideen-Workshop mit den Mitgliedern umzusetzen und einige Veranstaltungen draußen durchführen.“ Eine Situation, die aber auch Vorteile hatte, weiß Sonja Rakete heute: „Letztlich haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und die Zeit auch dazu genutzt, um im Kloster zu renovieren, Strukturen aufzubauen und Prozesse zu entwickeln. Dennoch: Ohne die tolle Unterstützung durch die Menschen dieser Stadt hätten wir den Wandel von der ehrwürdigen Klostergemeinschaft zu einem bürgerschaftlichen Ort der Begegnung nicht geschafft.“
Eine Transformation, die augenscheinlich gut gelungen ist. Ob im wunderschönen Garten, dem liebevoll eingerichteten Klosterladen, der Schneiderei oder der Küche, die Menschen, denen ich begegne, schätzen das gemeinsame Handeln und das kulturelle Miteinander. Unter ihnen ist auch Sabine Daelen, die schon 2014, als noch die Franziskanermönche hier ihr Zuhause hatten, erste Qi Gong-Kurse anbot. „Als Sonja und ich davon gehört haben, dass die Franziskaner das Kloster aufgeben, war uns sofort klar, dass wir hier was unternehmen müssen.“ Ihre Kurse gibt sie heute immer noch, kümmert sich zusätzlich aber auch um die Küche, wo die Produkte für den Klosterladen, aber auch für die Versorgung und Verpflegung des Gästehauses zubereitet werden. Fast jeden Tag ist sie vor Ort und engagiert sich für die gemeinsamen Ziele. Was sie dazu motiviert? „In unserer Genossenschaft finden Menschen zueinander, die so wie ich auch etwas Sinnstiftendes machen wollen. Wenn das dann auch noch erfolgreich ist, macht es natürlich noch viel mehr Spaß.“
Mehr als 100 Personen engagieren sich mittlerweile in neun verschiedenen Teams. Neben dem Garten-, Imkerei-, Küchen- und Klosterladen-Team haben sich Gruppen zu den Themen Willkommen, Klosterführung, Veranstaltungen, Handwerken und Handarbeiten gebildet. Mindestens einmal die Woche treffen sich deren Mitglieder, um notwendige Arbeiten zu erledigen und neue Angebote und Aktionen zu erarbeiten. „Im Verbund mit der Stadtgesellschaft entwickeln wir aus den Ideen und Anregungen unserer Mitglieder heraus unser eigenes Programm. Dabei stellen wir ausschließlich regionalen und lokalen Akteure und Künstlern im Kloster Raum zu Verfügung“, berichtet Bettina Windau, die sich im Vorstand um die Veranstaltungsorganisation kümmert. Neben neuen Events wie beispielsweise dem Klosterlauf, der erst im Juni 2022 Premiere feierte, haben sich bereits diverse Veranstaltungsreihen etabliert, beispielsweise die Klostergespräche und die Lesesnacks, bei denen Gastredner in gemütlicher Atmosphäre ihre literarisches Lieblingswerk vorstellen und mit den Teilnehmern diskutieren. Darüber hinaus haben Vereine, Initiativen und Organisationen aller Art die Möglichkeit, im Kloster Räume für ihre eigenen Aktivitäten zu nutzen. Seit die Corona-Beschränkungen aufgehoben sind, steigt die Nachfrage jeden Monat.
Breite Unterstützung aus der Bevölkerung
Um dieses vielfältige Angebot bereit stellen zu können, braucht es entsprechende finanzielle Mittel. Trotz der wirtschaftlich angespannten Situation sei die Genossenschaft aber gut aufgestellt, berichtet Michael Rakete, der Mann für die Finanzen im Vorstand. „Mittlerweile haben mehr als 950 Menschen Genossenschaftsanteile erworben. Damit haben wir eine starke und breite Basis, auf die wir uns stützen können.“ Hinzu kommen noch Spendengelder, die Einnahmen aus der Vermietung von Seminar- und Büroräumen sowie die Einnahmen aus dem Gästehausbetrieb. Dennoch ist die Klostergemeinschaft auf die Unterstützung von Menschen und Gruppen außerhalb des Klosters angewiesen. „Zum Glück erfahren wir aber viel Unterstützung über Spendengelder, die zum Teil auch regelmäßig geleistet werden. Aber natürlich sind wir für jeden weiteren Beitrag dankbar.“
Es ist gerade dieser Zuspruch aus der Bevölkerung, der dem vielköpfigen Klosterteam Anlass zur Hoffnung gibt, dass sich der Wandel des Klosters auch in Zukunft fortsetzen wird. Die Weichen dafür sind in jedem Fall schon gestellt, stellt Sonja Rakete beim Abschied fest. „Die Hilfsbereitschaft und das Engagement der Menschen innerhalb, aber auch außerhalb der Teams sind sehr groß. Man fragt in die Runde, ob jemand Zeit hat, und am nächsten Tag steht eine ganze Gruppe von Freiwilligen bereit, die bei Veranstaltungen mit aufbauen oder Tische und Stühle zur Verfügung stellen. Die Menschen nehmen teil an unserer Entwicklung und wollen ein Teil davon sein. Das ist eine großartige Basis, auf der wir aufbauen und gemeinsam noch viele weitere Schritte gehen können.“