Fotos: Thorsten Wagner-Conert

An einem Freitagnachmittag, punkt 16 Uhr: Die Menschen, die sich jetzt noch im Kreishaus an der Gütersloher Herzebrocker Straße aufhalten, kann man an fünf Fingern abzählen. Einer dieser Menschen ist Gabriele Kubitsch. Fröhlich steht sie da, so gar nicht wochenendreif, aufgeschlossen, sie wirkt, wie die Gastgeberin in ihrem Haus. Sie ist bereit zu reden – zu reden über ein besonderes Jubiläum. Und da geht es nicht um „50 Jahre Kreis Gütersloh“. Es geht um 50 Jahre beim Kreis Gütersloh. Es geht um Gabriele Kubitsch, ihren einen Arbeitgeber – und es geht um ihre Liebe zur Arbeit.

Eigentlich wollte die 1,85 Meter große Frau Gärtnerin werden. Der Berufswunsch der damals 15-Jährigen fiel zuhause durch: „Das geht nicht, mit deiner Größe machst du dir da den Rücken kaputt. Du musst etwas anderes machen“, hieß es da.
Und so bewarb sie sich eben rückenbewusst beim Kreis und bei der Stadt Gütersloh – und landete schließlich beim Kreis in der Ausbildung zum Mittleren Verwaltungsdienst.
Mit 15 ins Berufsleben – damals, 1973 war das eben so: „Da hatte man die Mittlere Reife und begann mit einer Ausbildung“, sagt Gabriele Kubitsch.

Heute gilt das als kaum vorstellbar: Eine Studie der Bertelsmann Stiftung belegt, dass jeder Fünfte der bundesweit jährlich 750.000 Schulabgängerinnen und Schulabgänger erst mit ein oder zwei Jahren Verzögerung eine Ausbildung oder ein Studium aufnimmt. Und jeder siebte Jugendliche hat diesen Einstieg auch vier Jahre nach Schulabschluss nicht geschafft oder eine Ausbildung abgebrochen.
Gabriele Kubitsch war da schneller: Im Kreishaus auf dem Reckenberg in Wiedenbrück hatte sie beim ganz frischen Kreis Gütersloh als Teenie begonnen und war eingetaucht in eine Welt zwischen Linoleumböden und Holzschreibtischen mit Rollläden, die laut klapperten, wenn man sie abends schloss. Es gab Schreibmaschinen, Karteikästen und viele Akten. Die Telefone hatten Wählscheiben. „Die Karteikarte wurde zu Beginn meiner Zeit stellenweise abgelöst durch Lochkarten. In der Kreiskasse tauchte zuerst die automatische Datenverarbeitung per Lochkarte auf, das war die Zukunft“, beschreibt Gabriele Kubitsch die Anmutung der öffentlichen Verwaltung von einst. Die ersten Computer waren weiße große Kisten mit wenig Schrift, weil die Schrift sehr groß dargestellt wurde – aber man konnte schon mal einen Brief darauf abspeichern. „Dazwischen gab’s IBM-Kugelkopf-Schreibmaschinen, die immerhin eine Seite speichern konnten …“ Gabriele Kubitsch hatte zunächst geglaubt, dass durch die kommende EDV der ein oder andere Arbeitnehmer in der Verwaltung über sein könnte.
Ein Irrtum, wie sich über die Jahrzehnte herausstellte: Während mit der EDV und späteren IT die Möglichkeiten des effizienten Arbeitens wuchsen, wuchsen beim Kreis Gütersloh die Aufgaben immer weiter – und der Personalbestand tat es auch.

Die Arbeit selbst war nicht die einzige Ebene, die sich ständig gewandelt hat:
In der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger war die Behörde 1973 eine Obrigkeit – der Begriff des Reckenberges allein verlangte schon ein gewisses Maß an Demut ab. „Die Bürgerinnen und Bürger waren zurückhaltender, brachten ihre Anliegen nicht so deutlich vor“, erinnert sich Gabriele Kubitsch an ihre frühen Berufsjahre und beschreibt die damaligen Kreisbediensteten als weniger diskussionsbereit. Und dann macht sie direkt den sprichwörtlichen Quantensprung ins Heute der Kreisverwaltung: „Gut, dass alle heute viel offener über ihre Anliegen sprechen und der Kreis sich für seine Kundinnen und Kunden geöffnet hat“, beschreibt sie die behördliche Mutation hin zur Moderne.
Und die wird für sie auch durch die Architektur der Verwaltung in der Kreisstadt sichtbar: „Das Kreishaus Gütersloh symbolisiert schon durch seine Architektur umfassende Transparenz. Ein in aller Hinsicht offenes Haus.“ Vor fast 30 Jahren, da haderte Gabriele Kubitsch zunächst mit der neuen Verwaltungsadresse: „Aber heute empfinde ich das Haus wirklich als Kunstwerk, in dem ich mich richtig wohlfühle.“ Das Betriebsklima sei klasse; „sonst würde ich auch gar nicht mehr kommen. Man hat wirklich Grund, hier gerne zur Arbeit zu gehen.“ Und sie gesteht gerne ein, dass es eine besondere Lebensqualität ist, arbeiten zu können, aber aufgrund der längst erreichten Pflichtjahre in der Sozialversicherung nicht zu müssen.

25 Jahre war Gabriele Kubitsch im Ordnungsbereich hauptsächlich für Einbürgerungen zuständig; zuvor war sie elf Jahre lang in einer kreiseigenen Berufsschule tätig. Heute arbeitet sie in der Abteilung Jugend und bietet so der oft als dröge wahrgenommenen Verwaltungsarbeit die Stirn: „Für mich war das immer Vielfalt – immer mit Kontakt zu den Menschen. Das war nie langweilig, wenn man was für Menschen – und das möglichst gut – tun konnte.“ Sie spricht eher unbewusst in der Vergangenheitsform – denn eigentlich kann sich die Frau, die dem Wort von der „Beamtin auf Lebenszeit“ einen anderen Wortsinn gibt, gar nicht vorstellen, dass das Arbeiten in diesem Jahr aufhören soll.
Fünf Verwaltungschefs hat sie gehabt: Die Oberkreisdirektoren Hans Scheele, Dr. Werner Sturzenhecker und Günter Kozlowski, Landrätin Ursula Bolte und aktuell Landrat Sven-Georg Adenauer. Letzterer bezeichnet sein Haus gern als die „Ermöglichungsbehörde“. Gabriele Kubitsch findet, dass dieses Wort den Wandel des Kreises Gütersloh zum Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger am besten beschreibt.

Die Langgediente hat besondere Termine in diesem Jahr: Am 1. August ist ihr 50. Dienstjubiläum. Und am 30. September soll dann wirklich Schluss sein mit dem Beamtendasein. Obwohl, „vielleicht darf ich dann ja noch ein paar Stunden arbeiten“, sagt sie und macht den Eindruck, es wirklich nicht lassen zu können. Aber da ist ja das Pferde-Hobby; die Lust aufs Gärtnern hat sie auch immer noch im Hinterkopf. 50 Jahre Arbeit mit viel Freude bei einem Dienstherrn – da will die Ausnahme-Beamtin an den 1. Oktober 2023 gar nicht denken. Er wird mit ihrem Mann und einem ausgedehnten Frühstück beginnen.

Und danach? Der Kreis würde mit ihr rechnen können …

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