Wenn dich das „Nah“weh packt
Fotos: Detlef Güthenke
Mal kurz in die Schweiz fahren, den Blick schweifen und die Seele baumeln lassen? Im Kreis Gütersloh ist dieses Glück nah. Wer auf den Haller Spuren einen kurzen Anstieg bewältigt, der wird mit einer traumhaften Aussicht belohnt: Die Ascheloher Schweiz, ein Ortsteil von Halle (Westf.), war bis zum 1. Juli 1969 eine eigenständige Gemeinde. Die Bezeichnung „Schweiz“ hat sich fast von allein zu dem Ascheloh gesellt. Genauso wie dieser Zusatz laut Schweiz Tourismus an 105 anderen Orten in Deutschland verwendet wird, quasi als Auszeichnung für eine besonders ansprechende Landschaft.
Wer sich auf Haller Spuren begibt, folgt zwei Füßen. Die Beschilderung mit den weißen Spuren auf grünem Grund ist vorbildlich und sorgt dafür, dass sich niemand verlaufen kann. Schritt für Schritt ist dieser Weg ein Naturerlebnis, eine Wegstrecke von 5,5 Kilometern mit 190 Höhenmetern. Wer nach einer Stunde und 40 Minuten wieder am Startpunkt am Parkplatz Drachenwiese am Grünen Weg angekommen und auf den Geschmack gekommen ist, hat vielleicht Lust auf mehr. Man kann die Haller Spuren auch mit anderen Wegen kombinieren wie Rund um die Haller Egge oder dem Weg für Genießer. Natürlich geht es beim Wandern auf den Haller Spuren um Bewegung, Entspannung, Natur, Landschaften und die Gedanken, die eintauchen möchten in das Grün des Waldes. Aber der Weg bietet so viel mehr. Wandern und Wissen liegen hier nah beieinander, wenn man sich einlässt auf das, was am Weg liegt.
Verwunschen und geheimnisvoll: Der Waldfriedhof
Weil der Friedhof rund um die Haller Kirche um 1810 überfüllt war, kauften wohlhabende Haller Bürger außerhalb Land und legten einen privaten Friedhof an, was in Westfalen einzigartig war. Verwunschen und von Efeu berankt liegen die Waldgräber am Lotteberg, wo die Haller vor mehr als 200 Jahren ihre Toten begraben haben. Stelen, Skulpturen, Sarkophage und ein kleines Gartenhaus erzählen von Familien, die hier lebten. Wer mag, kann sich Zeit nehmen für die Inschriften, den Schicksalen der Begrabenen nachspüren und dem Schmerz, den sie hinterlassen haben. Davon berichtet zum Beispiel die Inschrift am Eingang des Mausoleums der Familie Potthoff: „Sechzehn Jahre nur warst du geliebtes Weib mein Glück und meine Ehre. Was wirst du uns droben sein, wenn wir, unsere Kinder und Ich, nach kurzem Schmerz Dich ewig wiederhaben.“ Mit diesen Worte verabschiedet sich der Haller Kaufmann Friedrich Wilhelm Potthoff von seiner Frau Helene Charlotte.
Natur trifft Geschichte
Wer tiefer in die Geschichte eindringen möchte, kann sich auf die beiden Geschichtspfade einlassen, die auf den Haller Spuren zu finden sind. Texttafeln, Broschüren oder auch eine Führung bieten vielfältige Informationen über die Waldbegräbnisse und die Geschichte „Rund um die Kaffeemühle“. Zum Beispiel über das älteste Haus des Bergkamps: Ein Gärtnerhaus von 1796, das mitsamt seinem großen Garten, in dem Obst und Gemüse angebaut wurden, zu Hagedorns Landschaftspark gehörte. Auch Walther von der Vogelweide wird auf den Haller Spuren mit einem Denkmal geehrt. Er war das große Vorbild des Männergesangvereines Ravensberg.
Es entschleunigt und macht Spaß auf den Haller Spuren unterwegs zu sein. Für eine kurze Rast bietet sich die Kaffeemühle als Oase der Ruhe mit einem spektakulären Ausblick an: Von hier aus kann man bei guter Sicht 34 Kirchtürme ausmachen. Die Kaffeemühle heißt vermutlich Kaffeemühle, weil sie wie eine Kaffeemühle aussieht. Das Haus diente früher als Pavillon, in dem Kaffee ausgeschenkt wurde. Ein lohnenswertes Ziel für den Sonntagsspaziergang.
35 Traumtouren durch den Kreis Gütersloh
Einfach losgehen und die Welt hinter sich lassen. Sich einlassen auf das, was am Weg liegt: Burgen, Leberblümchen, Klöster, Hügelland, Mischwald, Moore und Wacholderheide. Mehr als 30 Wanderwege laden im Kreis Gütersloh zu Entdeckungs- und Entspannungstouren, zu Bachplätschern und Waldbaden ein. „Besonders beliebt sind Wege, die ein Qualitätssiegel aufweisen“, sagt Marion Lauterbach, die bei der pro Wirtschaft GT die Bereiche Freizeit und Tourismus koordiniert. Unter den mehr als 30 Wanderwegen wurden neun Wege im Kreis Gütersloh durch den Deutschen Wanderverband als Qualitätsweg Wanderbares Deutschland prämiert. Darunter sechs Traumtouren, wie die Haller Spuren, der Bergweltenweg in Steinhagen und die beiden Stadtwanderungen in Rheda-Wiedenbrück und Rietberg sowie die sechs Kilometer lange Wanderung Romantisches Furlbachtal, die mit dem Siegel „Naturvergnügen“ ausgezeichnet wurde. Beliebt ist auch der 94 Kilometer lange Weg für Genießer, der entlang des Teutos durch fünf Orte verläuft und dabei die fünf Sinne anregt. Darüber hinaus gibt es die Hermannshöhen, ein Premiumweg, der zu den besten Wanderwegen Deutschlands zählt.
Im Rahmen des OWL-Projektes Zukunftsfit Wandern hat die pro Wirtschaft GT für den Kreis Gütersloh 35 Wanderwege neu konzipiert. Dazu wurde von der pro Wirtschaft GT eine Wanderkarte herausgeben, mit der jeder sofort ins Freie starten kann. Als im Frühjahr 2020 die erste Auflage der Wanderkarte veröffentlicht wurde, stand das Telefon bei der pro Wirtschaft GT nicht mehr still. „Die Karten wurden uns quasi aus den Händen gerissen“, sagt Marion Lauterbach. 3.000 Exemplare wurden verschickt. Mittlerweile gibt es eine zweite Auflage, die in allen Rathäusern kostenlos zu haben ist. Für das Wandern begeistern will die pro Wirtschaft GT auch durch die NRW Vital-Förderung, bei der Wanderbegeisterte im Frühjahr dieses Jahres eine Ausbildung zum zertifizierten Wanderführer absolvieren konnten. Damit steht ein größerer Pool von Wanderführern zur Verfügung, die jede Wanderung zu einem Naturerlebnis werden lassen.
Trend Wandern
Etwa 70 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung gehen zumindest gelegentlich wandern. Laut dem Wandermonitor 2019 war die größte Gruppe der Wanderer mit 29,1 Prozent zwischen 50 und 59 Jahre alt, gefolgt von der Gruppe der 40- bis 49-jährigen (21,8 Prozent). Die Auswirkungen von Corona haben den Trend beflügelt. Immer mehr jüngere Menschen wandern. Marion Lauterbach freut sich über diesen Trend: „Wandern ist hip.