Fotos: Detlef Güthenke

„DaunTown – das ist nicht nur eine Künstlergemeinschaft, es ist vor allem eine innere Einstellung zur Kunst und ein Ort des Schaffens.“ Ein oft und gerne zitierter Satz, hinter dem sich eine erzählenswerte Geschichte verbirgt. Als die Künstlerinnen und Künstler in die ehemalige Daunenfedernfabrik am Rande Borgholzhausens einzogen, trauten sie sich etwas. Mehr als elf Jahre Engagement haben sich gelohnt. Entstanden ist ein weit über die Grenzen Deutschlands bekannter Kunstort.

Acht Künstlerinnen und Künstler unter einem Dach

Die Strecke in den Norden des Kreises Gütersloh ist nicht kurz. Der imposante Gebäudekomplex liegt fast an der Grenze zu Niedersachen auf einem weitläufigen Gelände von 17.000 Quadratmetern am Fuße des Teutoburger Waldes. Ein idealer Ort für Kunstwerkstätten.
Dort betreiben Künstlerinnen und Künstler ein Atelierhaus. Sie kennen sich teilweise 20 Jahre als Kollegen. Ist man schon „verrückt genug, sich mit Kunst zu beschäftigen“, so Matthias Poltrock, Maler und Objektkünstler, wie verrückt muss man sein, sich in solch ein Projekt zu stürzen? Im gleichen Atemzug schwärmt er vom „begnadeten Ort“, der ein „sensationelles Platzangebot für Künstlerateliers“ bietet. Kaum bezahlbar wäre dies an einem städtischen Ort.
Mittlerweile arbeiten dort acht Künstlerinnen und Künstler. Poltrock betont die „Vielfältigkeit der Kunstgattungen, die trotzdem ein homogenes Bild von Kunstmachern und Kunstobjekten abgibt.“ Auch der Bildhauer und Maler Jörg Spätig sieht das so. „Kunst ist extrem wichtig. Nicht weniger Bedeutung haben unser respektvolles Miteinander und die gegenseitige Unterstützung.“ Bemerkenswert sind die intensiven und fachlichen Diskussionsrunden in der Künstlergemeinschaft. „Das Themenspektrum ist ziemlich breit. „Wir reden nicht nur über aktuelles Kunstgeschehen, Inhalte und Techniken, sondern auch über Vermarktung oder die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern“, ergänzt Beate Freier-Bongaertz, Zeichnerin und Objektkünstlerin. Dabei erinnert sie sich an die Einladung zu einem Symposium des Landes Nordrhein-Westfalen, bei dem sie gemeinsam mit Wolfgang Meluhn und 30 Kunstschaffenden aus Westfalen Ideen als Arbeitspapier für das Ministerium für Familie, Kultur und Sport NRW erarbeitete, mit dem die Regierung Bildende Künstler hinsichtlich Arbeitssituation und Atelierräumen unterstützen kann.
Manche werden sich fragen, wie können sich Kunstschaffende solche Ateliers leisten? Das Gebäude stand lange Zeit leer. 2011 bekamen sie eine Duldung und konnten dort zunächst arbeiten. In der Zwischenzeit erwarb ein Kunstfreund die Immobilie und sicherte so die dauerhafte Nutzung. Die DaunTown-Ateliergemeinschaft betreibt nunmehr das Projekt eigenverantwortlich und selbstfinanziert. Durch eine freiwillige prozentuale Abgabe des Erlöses beim Verkauf ihrer Werke finanzieren sie die notwendigen Renovierungen.

Gelebte Offenheit

Wer in DaunTown arbeitet, spürt, dass er in Borgholzhausen willkommen ist, in einer Gemeinde, in
der Kunst einen hohen Stellenwert hat. Ein gutes Verhältnis zum Kulturverein und zum Bürgermeister bietet ebenfalls einen Nährboden, aus dem interessante Projekte erwachsen.
Bemerkenswert, wie sich DaunTown in mittlerweile elf Jahren entwickelt hat, was die Künstlergemeinschaft in Eigeninitiative und nicht zuletzt mit viel körperlichem Einsatz in ihr Vorhaben gesteckt hat. Beate Freier-Bongaertz und Wolfgang Meluhn wohnen inzwischen sogar dort. Das ist sehr praktisch für spontane Besuche der Ateliers.
Bei einem Gang durch das weitläufige Gebäude findet man auf der 2.100 Quadratmeter großen Fläche auch die Ateliers von Annie Fischer (Objektkünstlerin), Susanne Kinski (Objekte und Collagen) sowie das von Michael Strauß (Skulpturen, Malerei, Foto) und von Wolfgang Meluhn (Malerei). In einem ungewöhnlichen neidlosen Nebeneinander arbeiten sie in ihren lichtdurchfluteten großen Ateliers. In einem zusätzlichen Showroom wird ein Querschnitt aller Arbeiten gezeigt. Besucherinnen und Besucher, die grundsätzlich durch sämtliche
Ateliers geführt werden, umgibt eine inspirierende, kreativ vibrierende Atmosphäre. Jedes Atelier ist frei zugänglich. Gelebte Offenheit ist eines der markanten Kennzeichen der Ateliergemeinschaft – und die äußert sich auch nach außen hin.
So war es naheliegend, dass seit 2020 jährlich ein Atelierstipendium vergeben wird. Sieben Monate lang wird eine Künstlerin oder ein Künstler in die Ateliergemeinschaft aufgenommen und gefördert. Dazu gehören der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen und die Vermittlung von Kontakten in die Kunstszene. Entscheidendes Auswahlkriterium ist zunächst „ob uns die Arbeiten ansprechen und etwas Neues einbringen, was wir selbst nicht machen“, so Beate Freier-Bongaertz. Natürlich sollte auch die „Chemie“ stimmen. Wohnen müssen die Künstler zuhause, und so fällt aus praktischen Gründen die Wahl auf Künstlerinnen und Künstler aus der Region. Neben einem großzügigen
Atelierraum können sie von der Werkstatt bis zur Kantine alle Räume nutzen.
Anschaulich und begeistert erzählen eine dieser Stipendiatinnen und ein Stipendiat von ihren Erfahrungen, sieben Monate lang Mitglied eines Künstlerkollektivs gewesen zu sein und einen Ort gehabt zu haben, an dem sie jederzeit arbeiten konnten. Für beide war es ein „tolles Beziehungsangebot“, bei dem sie im fruchtbaren Austausch viel lernen konnten. Anna Bella Eschengerd hat das „nochmals dafür sensibilisiert, wie die Zeit im künstlerischen Sein vergeht“ und betont die „schöne Art, sich wohl zu tun, indem man die geistig kreativen Kugeln anklickt und jeder etwas davon mitnimmt“.
Klingt etwas philosophisch, Marvin Knopf kann das aber nur bestätigen. Er hatte gerade seine Atelierräume verloren. Hinzu kam nach der Erlangung seines Masters an der Universität Osnabrück die Coronazeit. Der „ganze Input“ war plötzlich weg. Seine Rettung war das Angebot von DaunTown. „Besser hätte es nicht laufen können, ich bin hier wahnsinnig produktiv geworden“, betont Marvin Knopf. Beide DaunTown Atelier-Stipendiaten haben sich mit sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen eingebracht: Anna Bella Eschengerd als Zeichnerin und Performance-Künstlerin und Marvin Knopf mit abstrakter Malerei und Skulpturen.
Im Anschluss an das Stipendium wurde Marvin Knopf als jüngstes Mitglied in die Gemeinschaft aufgenommen. Auch das passt, denn der Austausch zwischen den Generationen ist allen wichtig. Das dies ungewöhnlich ist, wurde den DaunTown-Mitgliedern erst bei einem Besuch von Vertretern des Landes Nordrhein-Westfalen richtig bewusst. „Sie waren erstaunt über die Altersspanne in DaunTown“, lacht Beate Freier-Bongaertz.

Zusammenarbeit mit Lübbering

Eine weitere, besondere Art der Förderung von Kunstverständnis erfolgt in einer außergewöhnlichen Zusammenarbeit mit dem kunstaffinen Unternehmen Lübbering in Herzebrock-Clarholz. Seit Jahren absolvieren alle Auszubildenden zu Beginn ihrer Ausbildung einen dreitägigen Kunstkurs in DaunTown. In diesem wachsen sie zu einer Gruppe zusammen und lernen außerdem mittels künstlerischen Arbeitens, unkonventionelle Lösungen für Aufgaben zu finden. Vergangenes Jahr war es der Wunsch, dass im Teamwork eine große Arbeit entsteht. Eine herausfordernde Aufgabe, da die meisten zuvor weder ein Atelier noch viel Kunst gesehen hatten. Die Ergebnisse dieses Projekts sind immer interessant und werden im Unternehmen ausgestellt.
Gerade in den vergangenen zwei Jahren gab es viel Neues in DaunTown. Nachdem bereits Symposien mit Lettischen Künstlerinnen und Künstlern stattfanden, wurde im Sommer 2022 eine weitere Möglichkeit geschaffen, internationale Künstler einzuladen. André Smits – ein befreundeter Künstler aus den Niederlanden – schuf die soziale Skulptur HUBSA im Garten von DaunTown. Er gestaltete einen Wohnwagen mit Graffiti. Hier können auswärtige Kunstschaffende als Artist in Residence wohnen. „Das unterstützt unseren Gedanken von Vernetzung“, freut sich Beate Freier-Bongaertz. „So bekommen wir Kontakt zu internationalen Bildhauerinnen und Bildhauern, die dort 14 Tage lang arbeiten.“ Die hier geschaffenen Werke bleiben im Skulpturengarten.
Ganz aktuell ist das Thema Kunst im ländlichen Raum. Dazu gab es im Herbst 2022 unter dem Titel „Zukunft(s)land“ eine vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe LWL und dem Deutschen Kulturrat veranstaltete Konferenz in Münster. Als interessantes Beispiel für Kunstarbeit auf dem Lande war DaunTown eingeladen, sein Konzept vorzustellen. Beate Freier-Bongaerz berichtete auf dem Podium von ihren gemeinsamen, durchweg positiven Erfahrungen. Wen sollte das wundern? Staunend gehen die Besucher, wozu vor allem Galeristen und Kunstvereine gehören, durch die Ateliers und sind fasziniert von der Vielfalt und Qualität des künstlerischen Schaffens.

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