Text: Susanne Zimmermann . Fotos: Detlef Güthenke
Sie sind die bunten Vögel in der fein austarierten Hierarchie der Führungskräfte und Sachbearbeiter. Die Spezies der Pressesprecher ist zwar inzwischen mehr oder weniger fester Bestandteil in den meisten kommunalen Verwaltungen; Aufgaben, Berufsbild, Arbeitsumfang, Status und Bedeutung changieren allerdings zuweilen noch wie das farbige Federkleid eines Papageis. Fest definiert sind dagegen die Erwartungen, und die sind vor allem eines: hoch. Ein Pionier auf dem Pressesprecherposten in der öffentlichen Verwaltung ist der Gütersloher Friedrich Fischer, Rufname Fritz. Er war der erste seiner Art beim damals jungen Kreis Gütersloh – und blieb es 26 Jahre, bis er 2001 in Rente ging – ein Blick auf 50 Jahre Kreis und einen, der seinen ganz
persönlichen Anteil an der Entwicklung hatte.
Druckreif zum Mitschreiben
86 Jahre alt ist Fritz Fischer heute, und auf das Gespräch mit faktor3 hat er sich präzise vorbereitet. Einige Unterlagen, Veröffentlichungen, ein Spickzettel mit den wichtigsten Stichworten – alle Zutaten für ein Pressegespräch liegen parat. Unterschied: Heute spricht Fritz Fischer in eigener Sache und nicht, wie in der langjährigen beruflichen Rolle, für seine Chefs, die Oberkreisdirektoren und Landräte. Eine wesentliche Tatsache, die unabdingbar ist fürs „Pressesprechen“ zeichnet ihn allerdings auch im Privatleben aus: Fritz Fischer formuliert auf den Punkt, druckreif zum Mitschreiben. Gelernt ist gelernt.
Die hanseatische Herkunft mag ebenfalls dazu beigetragen haben. Fritz Fischer ist geboren in Eckernförde, aber „gefühlter Hamburger“, der in Blankenese aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Nach Gütersloh kam er auf dem Weg über ein Französisch-Lehramtsstudium in Hamburg und Saarbrücken sowie ein Volontariat beim Westfalen-Blatt in Bielefeld. Für den „Kragenkreis Bielefeld“ sei er damals unter anderem zuständig gewesen, erzählt Fischer und liefert die Erklärung mit: Brackwede, Ummeln und das Kirchspiel Isselhorst bildeten den südlichen „Kragen“ um die Kernstadt Bielefeld. Auch Hollen gehörte dazu, wo eine junge Frau namens Christina mit ihrer Schwester bei der Einweihung der Reithalle aushalf und der Jungredakteur „von der Zeitung“ berichterstattend unterwegs war. Der Rest ist Lebensgeschichte und ein guter Grund in der Gegend zu bleiben. Seit 1968 sind Christina und Fritz Fischer verheiratet.
Parallel dazu entwickelte sich beim Westfalen-Blatt die journalistische Karriere von „ff“ – so sein Autorenkürzel. 1969 übernahm Fritz Fischer die Leitung der Gütersloher Lokalredaktion. Das war damals gegenüber dem neuen Gütersloher Rathaus ansässig, diesem Hochhaus mit neun Stockwerken, einem der Wahrzeichen für die dynamische Entwicklung, die die Stadt damals nahm. Im neuen Ratssaal, so erinnert sich Fischer, fanden auch die ersten Sitzungen des neuen Kreistags statt, als die Kreise Wiedenbrück und Halle zum Kreis Gütersloh verbunden waren.
Am Anfang fremdelte die Kreisverwaltung
Den offiziellen Startschuss für den Kreis Gütersloh hat Fritz Fischer aus der Lokaljournalisten-Perspektive begleitet. Er war dabei, als sich Punkt null Uhr am 1.1.1973 der damalige Oberkreisdirektor Hans Scheele vor der Polizeistation Gütersloh an der Königstraße 1 das erste GT-Nummernschild ans Auto heften ließ. Scheele schreibt er auch die gedankliche Urheberschaft an der Buchstabenkombination zu: „GT – das klang für ihn nach Fortschritt und Modernität.“ Schließlich hatte auch der sportliche Opel den Zusatz GT.
Mit dem Blick in die fortschrittliche Zukunft mag es auch den Verantwortlichen beim Kreis Gütersloh in den Sinn gekommen sein, dass es nützlich sein könnte, die neue Verwaltungskonstruktion mit professioneller Unterstützung ins Bewusstsein der Menschen zu bringen, um ein fühlbares Ganzes zu entwickeln. Die Einrichtung der Stelle eines Pressesprechers lag dabei durchaus im Trend. Fischer erinnert sich, dass die Stadt Gütersloh bereits Anfang der 1970er-Jahre eine Ausschreibung hierfür vornahm. Der Erfolg blieb zunächst zweifelhaft, da der ausgesuchte Bewerber nach kurzer Zeit die Stadt wieder verließ. Der junge Kreis Gütersloh ging 1975 diesen Weg, zur rechten Zeit für Fritz Fischer, der nach sechs Jahren Lokalchef Lust auf die „andere Seite des Schreibtischs“ hatte. Der Vorteil lag für beide Seiten auf der Hand: Oberkreisdirektor Dr. Werner Sturzenhecker und Landrat Paul Lakämper kannten ihren zukünftigen Mitarbeiter als fairen Journalisten, und Fritz Fischer wiederum kannte den Kreis und die in den Redaktionen arbeitenden Kollegen.
Dennoch: Am Anfang fremdelte die Kreisverwaltung. Die neue Position passte bei allem Wohlwollen der Verwaltungsspitze eher nicht ins kollektive Selbstverständnis. Fritz Fischer, immerhin mit etlichen Jahren Berufs- und Führungserfahrung, bekam ein freistehendes Büro im Kreishaus auf dem Wiedenbrücker Reckenberg zugewiesen, das mit seiner Einrichtung durchaus Amtsleitungsstatus ausstrahlte. Eine Schreibmaschine oder Papier enthielt es allerdings nicht. „Das erste halbe Jahr war nicht einfach,“ erinnert sich Fischer. Er war gewünscht, aber im klassischen Verwaltungsverständnis (noch) nicht einzuordnen. „Ein bunter Vogel“, so bezeichnet er sich selbst. Einer, dem die Mitarbeitenden aus einzelnen Abteilungen auch Misstrauen entgegenbrachten. Ein Journalist in der Verwaltung? – Trägt der nicht gleich alles nach außen, was man ihm erzählt? Für Fischer selbst war der Rollenwechsel klar, nicht aber für die neuen Kollegen.
Mit allen zusammengearbeitet
Diese Erfahrung haben auch nachfolgende Generationen gemacht, und auch für sie galt, was Fritz Fischer als Reaktion auf die Skepsis einbrachte: Vertrauen bilden durch Annäherung auf beiden Seiten. Die Basis war dabei das Vertrauensverhältnis zum jeweiligen Chef. Über die 26 Jahre seiner Tätigkeit hat Fritz Fischer mit allen zusammengearbeitet, die der Kreis Gütersloh bisher als Leitung kennt: Dr. Werner Sturzenhecker, Günter Kozlowski, Ursula Bolte, Sven-Georg Adenauer. Hinzu kamen – bis zur Abschaffung der so genannten „Doppelspitze“ 1999 – die ehrenamtlichen Landräte und Landrätinnen Paul Lakämper, Fritz Ostmeyer, Franz-Josef Balke und Ursula Bolte.
Ihnen allen hat er zugearbeitet, als erfahrener Berater mit journalistischem Gespür, als Kontaktmann zu den lokalen und regionalen Medien, als Verfasser von Pressemitteilungen und Organisator von Pressegesprächen, als Redenschreiber und Autor von zahlreichen Veröffentlichungen. Nach dem etwas holprigen Start hat Fritz Fischer schnell aus der Not eine Tugend gemacht: „Ich hatte im Grunde ja auch alle Gestaltungsfreiheit – Überzeugungsarbeit inklusive.“ Im Klartext hieß das: verständliche Texte statt Verlautbarungen in Verwaltungsdeutsch, Erzählen über die Bandbreite dessen, was in der Kreisverwaltung geleistet wird, Informationen über den Kreis Gütersloh erstellen, erspüren, was Journalisten wollen und die Pressestelle als feste Ansprechstelle für Medienanfragen etablieren. Die Pressestelle: Im überwiegenden Teil dieser 26 Jahre beim Kreis war das Fritz Fischer, unterstützt von einer Teilzeitkraft.
Auch die interne Information machte sich Fischer zur Aufgabe. Die tägliche Presseauswertung von ungefähr zehn Zeitungen und Lokalteilen war der Standard. Die Kür, Marke Fischer, war die Zusammenstellung der zentralen Informationen vierzehntägig zu einem gedruckten Exemplar, der „Presseschau“, die im Kreishaus, in der Politik, aber auch an die Lokalredaktionen verteilt wurde. Die wussten diesen Service zu schätzen, unter anderem für Jahresrückblicke.
„Herzensanliegen“ Kreisheimatjahrbuch
Die journalistische Perspektive hat Fritz Fischer bei seinen Chefs auch immer dann ins Feld geführt, wenn es galt, kritische Themen und Ereignisse zu kommunizieren. Überzeugungsarbeit war auch hier angesagt, aber aus eigener Erfahrung wusste Fischer schließlich gut, dass Transparenz meistens zielführender ist als „mauern“, wenn nicht Spekulationen ins Kraut schießen sollen. Dass hier nicht immer den Empfehlungen der Pressesprecher gefolgt wird, ist ebenfalls eine Erfahrung, die nicht nur Fritz Fischer machen musste. Doch zu seinen eindrücklichen Erinnerungen gehören die Gespräche mit den lokalen Pressevertretungen zum Jahresbeginn, die er institutionalisiert hat – Ausblick und kritischer Rückblick. „Ein Hintergrundgespräch, in dem sich beide Seiten offen austauschen konnten, über die Themen, die anstanden, aber auch über all das, was den Pressevertretern am Herzen lag.“
Doch nicht nur auf die Medien richtete sich die Arbeit der Pressestelle, Zielgruppe in Fischers Zuständigkeit waren ebenfalls die Bürger und Bürgerinnen, sprich mehr als 300.000 Einwohner des neu gegründeten Kreises. Auch hier hat Fischer eine wesentliche Aufgabe erkannt, die er mit Informationsmaterial jeglicher Art ausgefüllt hat. Legendär: das Faltblatt „Zahlen, Daten, Fakten“, regelmäßig aktualisiert und stark nachgefragt. Mit der Herausgabe des Buches „Unser Kreis Gütersloh“ hat er die Nachfrage der Schulen zu Sachkundematerial aus dem Kreis aufgenommen und zusammen mit fünf Schulleitern umgesetzt. Faltblätter zu allen denkbaren Servicethemen vom Naturschutz bis zum allgemeinen Sozialdienst gehörten ebenso dazu wie Jubiläumsschriften, ein Bildband, aber auch das Angebot von Dia-Vorträgen und Kreisrundfahrten, die Fritz Fischer selbst übernahm.
Ein Herzensanliegen war das „Kreisheimatjahrbuch“, das Fritz Fischer 1982 zusammen mit dem damaligen Kreisheimatpfleger Werner Lenz konzipierte und das seither durchgehend bis heute im Flöttmann-Verlag erscheint. Es ist ein Buchprojekt, das seinen Lesewert aus der Bandbreite engagierter Autoren und Autorinnen ebenso bezieht wie aus der Fülle der Themen, die über die Jahre ein einzigartiges Gesamtbild des Kreises gezeichnet haben.
Auch darum ging es Fischer in all den Jahren seiner Arbeit für den Kreis: dessen Vielfalt erlebbar zu machen, über den Verwaltungsakt hinaus den Mehrwert für seine Bewohner und Bewohnerinnen vor Augen zu führen und, ja, auch Heimat zu schaffen. Man darf Fritz Fischer mit dem erfreuten Werbe-„Oh“ zum Kreisjubiläum bescheinigen, dass er hier Aufbauarbeit geleistet hat, die heute noch nachwirkt.