Landespokal, Deutsche Meisterschaft, Champions League. Gleich drei Titel hat der Sportclub Verl 2022 gewonnen – im Trendsport eFootball. Die Abteilung des Vereins ist in kurzer Zeit rasant gewachsen.

Text: Andreas Beune

Im Juni 2020 stiegen die Fußballer des Vereins SC Verl nach einem wahren Relegationskrimi gegen Lok Leipzig in die 3. Liga auf – der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Seither behaupten sich die Ostwestfalen aus der 25.000-Einwohner-Stadt wacker gegen große und ambitionierte Traditionsvereine wie 1860 München, Dynamo Dresden oder Waldhof Mannheim. Und das, obwohl der Sportclub Verl seine Heimspiele in der 3. Liga wegen der ausbaufähigen Infrastruktur noch nicht an der heimischen Poststraße, sondern in Lotte oder Paderborn austragen muss.

Sofort Deutscher Meister
Bayer Leverkusen, FC St. Pauli, VfL Bochum – all diese klangvollen Teams haben Fußballer der Sportclub Verl in den vergangenen Spielzeiten locker hinter sich gelassen. Allerdings nicht auf einem grünen Rasen, sondern an der Gaming-Konsole. Die 2021 ins Leben gerufene eFootball-Abteilung des Vereins sammelt Erfolge wie andere Leute Überraschungsei-Spielzeuge. In der ersten virtuellen Saison wurden die Verler gleich Deutscher Meister, 2022 folgte das Triple aus Deutscher Meisterschaft, Pokal und Champions League.
„Das war eine sensationelle Teamleistung“, blickt eSports-Abteilungsleiter Abdurrahim Sener nicht ohne Stolz auf die jüngsten Erfolge zurück, an denen er als Spieler seinen Anteil hatte. Ein Jahr nach der Gründung kommt die Abteilung auf drei Mannschaften mit mehr als 60 aktiven Spielern, darunter befindet sich ein U21-Team, bei dem auch schon 14- und 15-Jährige mitwirken. Selbst Spieler der ersten Fußballmannschaft haben schon beim virtuellen Kick mitgemacht. Damit sind die Verler einer der größten eFußball-Abteilungen in Deutschland.
Virtuelle Wettbewerbe gibt es in der wachsenden Branche einige. Der Sportclub Verl nimmt sowohl an „1 gegen 1“- Duellen teil als auch an den anspruchsvollen „11 gegen 11“-Wettbewerben. In diesem Mehrspieler-Modus haben sie auch ihre großen Erfolge erzielt. Gespielt wird die Sportsimulation FIFA im sogenannten Pro Clubs Modus, bei dem für jede Mannschaft elf Akteure auf dem virtuellen Platz dem Ball hinterherjagen. Jeder Spieler wird von einem anderen Teammitglied gesteuert.
„Neben den mentalen und körperlichen Fähigkeiten braucht jeder eSportler dafür auch ein taktisches Verständnis vom Fußball“, betont Abdurrahim Sener. In seinen Augen ist eFußball auf jeden Fall ein echter Sport. Die Spieler hätten umfangreiche Trainingspläne. Dazu gehören Sporteinheiten an der frischen Luft, schließlich gelte es beispielsweise Reaktionsschnelligkeit und Konzentrationsvermögen zu schulen. Auch auf die Ernährung wird geachtet. Eben ganz so wie bei vielen anderen Profi-Sportlern auch.

„Es gibt natürlich Berührungsängste“
Doch nicht jeder, der das Fußballspiel im Stadion liebt, hat Verständnis für den eSport. Verbandssitzungen, in denen gerade ältere Funktionäre ihre Skepsis gegenüber der gerade bei jungen Menschen enorm populären Freizeitbeschäftigung äußern, sind keine Seltenheit. Der Deutsche Olympische Sportbund verfolgt den eSport ebenfalls eher kritisch, wünscht aber immerhin, dass Vereine virtuelle Sportarten anbieten, um auf diesem Weg Kinder und Jugendliche für den reellen Sport zu begeistern.
„Es gibt natürlich Berührungsängste, für viele ist eFootball immer noch unbekanntes Terrain“, stimmt Abdurrahim Sener zu. Dabei ist es nicht zuletzt die Begeisterung für den Fußballsport, die die eSportler reizt. Etwa die Hälfte der Spieler aus seiner Abteilung hätte früher einmal selber Fußball gespielt, schätzt der Abteilungsleiter. Er selber kommt aus dem Sauerland und ist früher gegen den Sportclub Verl angetreten. „Daher kenne ich den Verein auch aus meiner aktiven Zeit.“
Der Club habe die eFußballer mit offenen Armen empfangen und die Gründung der Abteilung ermöglicht, als man 2020 erstmals auf ihn zugegangen sei. „Wir haben heute eigene Räumlichkeiten für Trainingseinheiten und können Events veranstalten.“ Dabei achtet der Verein auf Verbundenheit und Identifikation. Ein bestimmter Anteil der eSportler muss daher aus der Region kommen. „Diese Verbundenheit wird von uns auch gelebt“, bestätigt der Abteilungsleiter. „Wir sind zum Beispiel regelmäßig bei den Heimspielen in der 3. Liga zu Gast.“

Weitere Professionalisierung
Einer der regionalen Konkurrenten in den Bildschirm-Fußballwelten ist der SC Paderborn. Arminia Bielefeld hat seinen kurzen Ausflug in den eSport wieder beendet. Daran soll sich künftig etwas ändern. Denn die Deutsche Fußball Liga (DFL) möchte den eSport noch weiter fördern. Im Jahr 2012 hatte die DFL mit der Virtual Bundesliga als erste professionelle Fußballliga überhaupt einen eSport-Wettbewerb ins Leben gerufen. Zwischenzeitlich nahmen 26 Clubs aus der Bundesliga und der 2. Bundesliga am Ligabetrieb teil. Ab der Spielzeit 2023/24 sollen sogar alle Bundesligisten der 1. und 2. Liga verpflichtend um den virtuellen Meistertitel spielen – mit eFootball-Teams, die aus drei bis fünf Spielern bestehen.
Die Teilnahme am eFootball soll künftig sogar zu den Lizenzauflagen gehören. Die DFL verspricht sich davon eine weitere Professionalisierung und mehr Marktanteile. Denn eSport boomt. In Südkorea beispielsweise genießen die besten eSportler ein Ansehen wie Leo Messi oder Kylian Mbappé in Europa. In China ist eSport sogar schon Schulfach. Deutschland hinkt da noch etwas hinterher. „Hier hat sich in den vergangenen Jahren jedoch schon einiges getan“, sagt Sener. „Gerade bei jungen, Social-Media-affinen Menschen genießen E-Sportler ein sehr hohes Ansehen.“ Und nicht nur das. Einige von den Sportlern verdienen als Profis auch hierzulande richtig viel Geld. Mit dem eSport-Bund Deutschland e.V. (ESBD) existiert seit 2017 ein Fachsportverband, der sich für die Belange der Aktiven im Spitzen- und Breitensport einsetzt.
Die von der DFL geplante Neuregelung des eFootballs betrifft die Verler als Drittligisten übrigens nicht unmittelbar. In ihrer Paradisziplin – dem „11 gegen 11“ – können sie weiterhin erstklassig mitmischen und noch mehr Erfolge an die Verler Poststraße holen.

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