Was nun folgt, ist kein KI-generierter Text, sondern tatsächlich noch von Hand in die Tastatur gehackt worden. Das kann man von dem abgebildeten Foto hingegen nicht behaupten. Was Sie hier sehen, ist das Werk einer künstlichen Intelligenz, entstanden aus den Berechnungen eines Computers, der lediglich mit ein paar Prompts gefüttert wurde. Das klingt erstmal simpel, aber der Schein trügt. Die Erstellung dieses Bildes hat seinem Ideengeber, Detlef Güthenke, langjähriger Fotograf des faktor3-Magazins, nämlich mindestens genauso viel Kopfzerbrechen bereitet, wie das, worüber auch immer der darauf zu sehende Herr nachzugrübeln scheint. Denn um zu diesem Ergebnis zu kommen, war ein zeitweise durchaus nervenaufreibender Lernprozess vonnöten. Es ist dann eben doch nicht so, dass man einfach ein paar Befehle in irgendein Textfeld tippt und das Programm mit einem einzigen Klick dazu bringt, etwas zu produzieren, das den ursprünglichen Vorstellungen entspricht.
Mit der störrischen KI angelegt
Herr Güthenke hat sich diesem Prozess gestellt, eigens für diese Ausgabe. Bisher stand er der KI eher skeptisch gegenüber. Es erschien ihm überaus mühsam, sich nun wieder neue Fertigkeiten anzueignen, nur um etwas, was er schon seit Jahrzehnten von Hand aus dem Effeff beherrscht, zu automatisieren. Schließlich hat er in seiner Karriere schon so einige Entwicklungen kommen und gehen sehen. Längst vergangen sind die Zeiten des Fotolabors, in dem er Chemikalien zusammenmischte, um brauchbare Abzüge seiner Projekte zu erhalten. An die Digitalisierung der Fotografie hat er sich inzwischen gewöhnt. Und den Moment, in dem das Wunderwerkzeug der digitalen Bildbearbeitung in seinen Werkzeugkoffer wanderte, kann er inzwischen gar nicht mehr festmachen. Jede dieser neuen Errungenschaften ist mit ihrem eigenen Lernprozess einhergegangen, an jede musste er sich langsam herantasten, jedes Mal auf’s Neue die eigene Skepsis überwinden – und auch die Sorge, dass sein schöpferisches Können dieses Mal wirklich obsolet wird, weil alles, was sich die Mitglieder seiner Gattung durch viel Erfahrung angeeignet hatten, nun plötzlich jeder zu können schien. Das macht auf Dauer müde. Und trotzdem hat Herr Güthenke die Herausforderung angenommen. Kann doch nicht sein, dass man sich auch da nicht irgendwie reinfuchsen kann!
Und so hat er sich immer wieder mit der störrischen KI angelegt. Hat mit seinen durchaus ausbaufähigen Englischkenntnissen Prompts geschrieben, also Anweisungen, die der KI sagen, was von ihr erwartet wird und was sie tun soll. Das war eine teils abenteuerliche Reise, denn nur sehr präzise formulierte Prompts führen zu einem passenden Ergebnis. Auch hier gilt: Jede Computeranwendung ist nur so gut, wie ihr User. Was die KI ausspuckt, basiert auf dem, was wir ihr füttern. Da kann es schonmal zu Verwirrungen kommen, wenn man beispielsweise das Wort „Pflaster“ mit „bandaid“ übersetzt, obwohl man eigentlich einen Straßenbelag meint und nicht ein medizinisches Verbandmittel. Wird die KI darüber hinaus mit zu wenig Informationen versorgt oder mit unpräzisen Aufforderungen, fängt sie auch gerne an, diese Lücken selbst zu füllen. Wo im hier abgedruckten Foto die Dame an der Spüle herkommt, bleibt daher ein Mysterium – Herr Güthenke hat sie jedenfalls nicht bewusst dort hinbeordert.
Art von Akzeptanz
Zwar gab es in der Folge einige Bemühungen, dieses Rätsel zu lösen und auch, die Gute wieder loszuwerden, am Ende musste er sich dem Willen der KI jedoch beugen und sich mit der Anwesenheit einer fremden Person in seinem Bild abfinden. Eine Art von Akzeptanz, die er während der Bearbeitung auch an anderen Stellen innerlich erreichen sollte, denn der Weg zu einem geöffneten und noch dazu leeren Kühlschrank erwies sich als nicht minder holprig, und auch weitere Details in dieser überfluteten Küche sind nicht unbedingt bewusst dort platziert worden. Trotzdem kann man wohl nicht behaupten, dass sein Werk nicht eine besondere Atmosphäre ausstrahlt. Düster ist es, ein bisschen beunruhigend und gleichzeitig ästhetisch ansprechend. Was also ist es, was Herrn Güthenke nun an dieser ganzen KI-Sache so stört?
Zum einen, das berichtet er im Nachgang, ist es die fehlende Authentizität. Das Bild hat keine Geschichte, außer der, die er sich vielleicht vorab in seinem Kopf zusammengesponnen hat. Die Menschen darauf sind nicht echt – es gab keine reale Situation, die mit seiner Entstehung verbunden wäre. Was hat der Mann am Küchentisch wohl gedacht? Wie hat er sich bewegt, was hatte er während der Produktion zu sagen? Wonach riecht es in dieser Küche? Das sind alles Fragen, die sich nicht beantworten lassen, die für Herrn Güthenke aber eigentlich essenzieller Bestandteil seiner Arbeit sind. Denn Fotografie bedeutet für ihn nicht nur die Produktion eines Werks, sondern immer auch Begegnung: mit Menschen und Orten, mit Stimmungen und Witterung, mit Kommunikation und Bewegung. Diese Form der Interaktion findet bei der computergestützten Generierung eines Fotos einfach nicht mehr statt. Stattdessen sitzt man in einem Büro vor einem Monitor und denkt.
Wenn die Authentizität flöten geht
Das macht natürlich manches einfacher. Niemand muss motiviert werden, in die Kamera (oder gerade nicht dorthin) zu schauen, es gibt nur noch Schokoladenseiten, Zeit, Ort und äußere Bedingungen für die gelungene Komposition werden irrelevant, und auch eine DSGVO-konforme Datenschutzerklärung kann man sich sparen. Aber will man das? Ein perfektes Bild, das keinerlei Werksspuren mehr aufweist, keine Hinweise auf kleinere Missgeschicke gibt? Herr Güthenke will das nicht. Er braucht keine künstlich geschaffenen Wirklichkeiten, denn er hat sich an der realen Welt noch gar nicht sattgesehen!
Und auch wir als Betrachter scheinen es zu spüren, wenn die Authentizität flöten geht. Wäre dem nicht so, gäbe es schon seit der Erfindung von Photoshop ausschließlich glattgebügelte Hochglanz-Fotografie. Es scheint uns aber dann doch ein Bedürfnis zu sein, die Welt ein bisschen so zu sehen, wie sie ist und Geschichten erzählt zu bekommen, die tatsächlich so passiert sind. Daher ist sicher nicht nur Herr Güthenke besorgt, dass wir in Zukunft vielleicht von Künstlichkeit überflutet werden, wie der Küchenfußboden im Bild. Werden wir schon bald gar keine Zeit mehr haben, zwischen all den KI-generierten Makellosprodukten unserem Bedürfnis nachzuspüren und nach dem Echten zu graben? Und werden wir überhaupt noch unterscheiden können, was nun echt ist und was nicht? Dieses Misstrauen gegenüber der neuen Wirklichkeit ist nicht nur Herrn Güthenke eigen – auch der Durchschnittsbürger kennt es. Dass dem Fotografen nun hin und wieder Menschen, die er ablichtet, unterstellen, er würde die KI zu ihren Ungunsten einsetzen, denn er könne damit schließlich „alles“ machen, ist ein weiterer Effekt, auf den er gut hätte verzichten können. Und durch den er das Ganze dann doch ein bisschen verteidigen muss.
Ganz so düster, wie hier auch bildlich dargestellt, sieht die Zukunft dann nämlich doch nicht aus, das hat auch Herr Güthenke trotz allen Widerwillens festgestellt. Schließlich hat er im Verlauf seiner Selbsterfahrung nicht nur in der Handhabung von KI einen Lernprozess durchgemacht, sondern auch in seiner Beziehung und Einstellung zu ihr. Das alles nur schlecht zu finden und hemmungslos dem eigenen Kulturpessimismus zu frönen, kommt ihm dann doch zu kurz gedacht vor. Denn zum einen ist auch KI keine Magie. Sie kann nicht aus dem Nichts schöpfen, macht Fehler, vertut sich, kann am Ende eben doch nicht denken und agieren wie ein Mensch. Auch die Angst vor Täuschung ist dementsprechend möglicherweise überzogen. Unsere Augen haben sich längst daran gewöhnt, überzählige Finger und irgendwie unstimmige Gesichtszüge auf Werbefotos zu entdecken.
Echter Zugewinn
Letztlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass uns mit der KI auch ein nützliches Tool an die Hand gegeben wurde. Denn selbst die motivierteste Version eines Herrn Güthenke hat wenig Freude an den lästigen Fleißarbeiten der Bildbearbeitung. Dass kleinere Reparaturen und Retuschen nicht mehr mühsam von Hand vorgenommen werden müssen, kann wohl als echter Zugewinn verbucht werden, verschafft es ihm doch sogar mehr Zeit, rauszugehen in die echte Welt und dort nach Motiven zu suchen, die eine Geschichte erzählen. Darüber hinaus lässt sich nicht abstreiten, dass die Möglichkeiten, die einem die KI im kreativen Schaffen bietet, etwas für sich haben. So konnte auch Herr Güthenke nicht umhin, eine gewisse Freude daran zu entwickeln, verschiedene Prompts auszuprobieren, sich auf die scheinbare Zufälligkeit der Ergebnisse einzulassen und das, was ihm die KI da zwischenzeitlich auch mal in eher absurder Manier anbot, willkommen zu heißen. Deren eigensinnige Interpretation des alternden Künstlers am Küchentisch eröffnet nicht zuletzt auch eine ganz neue Perspektive auf sich selbst, über die zu sinnieren vielleicht ja lohnenswert ist. Auf eine Frau an der Spüle war Herr Güthenke zwar nicht vorbereitet, im Nachhinein schien sie ihm dann aber doch irgendwie stimmig und dazu berechtigt, dort herumzugeistern.