In einer dynamischen Arbeitswelt wachsen die Anforderungen an Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen. Eine Lösung, die beiden Seiten weiterhelfen kann, ist die 4-Tage-Woche. faktor3 hat mit Unternehmern gesprochen, die sich für das Arbeitszeitmodell entschieden haben, und mit ihnen Vor- und Nachteile diskutiert.

Wenn Carsten Justus am Donnerstagabend die Türen seiner Tischlereiwerkstatt in Schloß Holte-Stukenbrock abschließt, beginnen für ihn und seine beiden Gesellen das Wochenende. „Ab und zu komme ich am nächsten Tag nochmal für den Bürokram rein. Der Betrieb selbst ist aber am Freitag grundsätzlich geschlossen.“ Vor eineinhalb Jahren hat der Tischlereimeister, der sich vor sechs Jahren selbstständig gemacht hat, die 4-Tage-Woche eingeführt, eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut. „Es läuft einfach gut mit der neuen Arbeitszeitregelung. Meine Mitarbeiter ziehen voll mit, kein Kunde beschwert sich, und der organisatorische Aufwand hält sich in Grenzen. Bislang kann ich echt nicht klagen.“

4-Tage-Woche steigert Arbeitgeberattraktivität

Seit April 2022 wird an vier Tagen die Woche zehn Stunden gearbeitet, Pausen inklusive. „Ab und zu ist das schon ein ganz schönes Brett, aber dank der modernen Maschinen, mit denen wir arbeiten, ist der Job körperlich nicht mehr ganz so anstrengend wie früher. Da sind auch zehn Stunden am Tag möglich.“ Dafür haben seine Mitarbeiter regelmäßig ein langes Wochenende, das sie für Aktivitäten mit der Familie, Hobbies oder auch mal einen Kurzurlaub an der See nutzen können. „Außerdem halten wir das Ganze flexibel. Soll heißen: Wenn ein Mitarbeiter zeitliche Freiräume an einem anderen Tag benötigt, können wir das kurzfristig anpassen.“ Aber nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit ist gestiegen, sondern auch die Produktivität des kleinen Betriebs. „Ich kann es zwar nicht mit Zahlen belegen, aber seit wir die 4-Tage-Woche haben, schaffen wir einfach mehr weg. Früher mussten wir immer wieder Arbeitsgänge unterbrechen und am nächsten Tag neu aufnehmen. Dies ist bei der verlängerten Arbeitszeit oft nicht nötig.“

Schon als Angestellter war Carsten Justus von der Idee der 4-Tage-Woche begeistert. Der entscheidende Anstoß kam jedoch aus dem Tischlerverband, dem der Betrieb angegliedert ist. „Als ich von anderen Unternehmern hörte, wie das läuft und welche Vorteile es bringt, war ich begeistert.“ Auch seine Attraktivität als Arbeitgeber profitiere nachweislich von der Umstellung, berichtet Carsten Justus: „Vor einem Jahr war ich auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. Nur einen Tag nach Erscheinen eines Zeitungsartikels, in dem darüber berichtet wurde, dass bei uns nur vier Tage in der Woche gearbeitet wird, hatte ich schon sieben Bewerbungen.“ Auch wenn er derzeit keine neuen Mitarbeiter sucht, empfiehlt er das Arbeitszeitmodell auch anderen Unternehmen: „Die 4-Tage-Woche bietet eine gute Chance, die vielbeschworene Work-Life-Balance in Einklang zu bringen. Schließlich sind zufriedene Mitarbeiter in der Regel die besseren Mitarbeiter.“

Erste Studien zeigen positive Resultate

Mit seiner Meinung steht Carsten Justus nicht allein. Immer mehr Unternehmen im Kreis Gütersloh führen die 4-Tage-Woche ein oder beschäftigen sich zumindest in ihren Führungsgremien mit dem Thema. So zeigen aktuelle Ergebnisse aus ersten Pilotstudien in Großbritannien und Irland, an denen unter anderem Firmen aus der Finanzbranche, Informationstechnologie und dem Gesundheitswesen teilgenommen haben, vielversprechende Trends. Demnach steigt die Zufriedenheit der Mitarbeiter, die Zahl der Krankschreibungen geht zurück, und die Produktivität steigt, zum Teil um bis zu 30 Prozent.

Doch wo viel Licht, da ist auch Schatten. Allerdings sind die Risiken bislang nur unzureichend erforscht beziehungsweise empirisch belegt. So ist in einer 4-Tage-Woche der Anspruch an Effizienz und Flexibilität höher, was wiederum die Belastung für den Einzelnen erhöhen kann. Zudem scheint auf den ersten Blick nicht jede Branche bzw. Berufsgruppe für die 4-Tage-Woche geeignet. Gerade Unternehmen und Organisationen mit täglichem Kunden- oder Patientenkontakt, beispielsweise im Einzelhandel oder in Einrichtungen des Gesundheitswesens, verfolgen die Entwicklung mit einiger Skepsis. Dazu zählt auch das Seniorenheim St. Elisabeth in Rheda-Wiedenbrück. „Wir bieten ja bereits Teilzeitmodelle an, die es ermöglichen, bis zu maximal vier Tage in der Woche zu arbeiten. Wenn wir tatsächlich auf eine generelle 4-Tage-Woche umstellen wollten, müssten ausnahmslos alle Vollzeitkräfte damit einverstanden sein. Ansonsten wäre dieses Modell organisatorisch zum jetzigen Zeitpunkt nicht umsetzbar“, sieht Leiter Sebastian Hinzmann zumindest kurzfristig nur wenig Chancen für eine Realisierung.

Autohaus Markötter zieht Zwischenbilanz

Ist die 4- Tage-Woche also doch nur etwas für Branchen und Berufsgruppen, die wenig Außenkontakt haben? Offenbar nicht, wie das Beispiel Markötter zeigt. Das bekannte Autohaus, das auch am Standort Gütersloh eine Filiale unterhält, hat zum 1. Januar 2023 die 4-Tage-Woche eingeführt, trotz Öffnungszeiten und Ladenpräsenz. Für eine Erkundungsphase von einem Jahr wird das neue Modell von allen 200 Voll- und Teilzeitkräften Mitarbeitern an den sechs Standorten Gütersloh, Bielefeld, Herford, Paderborn, Bad Salzuflen und Detmold erprobt, bei gleichbleibendem Gehalt und einer um 10 Prozent reduzierten Arbeitszeit. Die ersten Ergebnisse, die im September bekannt gemacht wurden, sind ermutigend, sowohl mit Blick auf die Akzeptanz des Arbeitszeitmodells bei den Mitarbeitern, die laut Geschäftsführung deutlich höher sei als noch bei ersten Erhebungen, als auch beim Thema Produktivität. So sei trotz der Senkung der Arbeitszeit um zehn Prozent keine Signifikanz zu den wirtschaftlichen Zahlen zu erkennen beziehungsweise in einzelnen Segmenten seien die Kennzahlen sogar noch verbessert worden. Dennoch will das Unternehmen für die Zukunft noch flexiblere Möglichkeiten des Arbeitens, über die Konzentration auf vier Tage hinaus, anbieten.

Ausprobieren geht über studieren

So vielfältig die Anwendungsbeispiele sind, so unterschiedlich fallen die Ergebnisse der Betrachtung aus. Eines jedoch scheint offensichtlich: die 4-Tage-Woche bietet viele Möglichkeiten, eignet sich aber auch nicht für alle. Gleichzeitig lassen sich Branchen oder Berufsgruppen nicht per se ausschließen. Aber wie lässt sich feststellen, für welches Unternehmen das neue Arbeitszeitmodell eine Option ist und für wen nicht? Für Axel Runschke, Bauunternehmer aus Rheda-Wiedenbrück, gibt es nur eine Möglichkeit, das herauszufinden: „Sorgfältig vorbereiten, gut kommunizieren und dann ausprobieren.“ Seit Frühjahr 2023 arbeiten die neun Angestellten der Axel Runschke Bauunternehmung GmbH nur noch an vier Tagen in der Woche 9,5 Stunden täglich, der Freitag ist für alle frei. Eine Umstellung, die offenbar reibungslos vonstattengeht, erzählt der 55-Jährige: „Natürlich ist es gerade im Sommer schwer, bei großer Hitze 9,5 Stunden zu arbeiten. Dennoch stehen unsere Mitarbeiter voll dahinter und wollen ihren freien Freitag auf keinen Fall wieder hergeben.“ Dass die Umstellung so gut läuft, führt er aber nicht nur auf die Arbeitszeitumstellung, sondern auch auf die Art und Weise zurück, wie sie kommuniziert wurde: „Wir haben vor dem Start eine Besprechung durchgeführt, in der wir offen und ehrlich über die Vor- und Nachteile gesprochen haben. Diese Transparenz und Offenheit macht sich jetzt bezahlt“, schildert Axel Runschke die Vorgeschichte der Einführung des neuen Arbeitszeitmodells, die bis zum 1. Dezember 2023 zunächst als Probe vereinbart ist. Da die Wochenarbeitszeit im Winter niedriger ist als im Sommer, wird dann eine Neuregelung nötig sein. Eine Situation, der der Unternehmer gelassen entgegenblick: „Zum einen haben wir viele positive Erfahrungen sammeln können, die wir hier nutzen können. Zum anderen bietet die 4-Tage-Woche ja genau diese Flexibilität, die wir benötigen. Ich bin mir daher sicher, dass wir auch dann wieder eine gute Regelung für alle finden.“

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