Fotos: Detlef Güthenke
Was sollte der 1973 neu gebildete Kreis Gütersloh im Schilde führen? Die Aufgabe, der neuen Vielfalt für das mehrteilige Kreisgebilde Gütersloh in einem Wappen gerecht zu werden, gestaltete sich schwierig, war der Kreis doch, wenn man weit genug zurückblickt, aus ursprünglich sechs verschiedenen historischen Territorien zusammengefügt worden. So finden wir im Kreiswappen die Sparren der Grafschaft Ravensberg, das Osnabrücker Rad des Amtes Reckenberg mit seiner Hauptstadt Wiedenbrück, den Adler der Grafschaft Rietberg sowie Rot und Gold für die Fürstbistümer Münster und Paderborn. Außen vor blieb der Löwe der Herrschaft Rheda, der sich als zweites Tier nicht mit dem Rietberger Adler vertragen hätte.
Halle (Westf.) und Wiedenbrück Gegensätze ziehen sich an
Schauen wir mal genauer hin, was im Kreis Gütersloh alles zusammenkam. Nach der Neuordnung der politischen Landkarte durch den Wiener Kongress im Jahr 1815 wurden im Jahr darauf die Einheiten gebildet, die die wichtigsten Teile des neuen Kreises Gütersloh ausmachten: Die preußischen Landkreise Halle (Westf.) und Wiedenbrück. Noch weit über das 19. Jahrhundert hinaus waren sie äußerst verschieden, vor allem topografisch, konfessionell, politisch und wirtschaftlich.
Der Kreis Halle gehörte seit dem 17. Jahrhundert zum Kurfürstentum Brandenburg, seit 1719 zum preußischen Verwaltungsgebiet Minden-Ravensberg. Weite Teile sind dem Ravensberger Hügelland zuzuordnen, überall ist der Teutoburger Wald in Sichtweite. Seine Bewohnerinnen und Bewohner waren bis auf wenige adlige Bezirke protestantisch. Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts dominierte das textile Gewerbe. Ein relativ hoher Anteil an Industriearbeiterschaft stärkte nach 1945 die Sozialdemokratie. 1971 zählte der Kreis Halle 70.000 Einwohnerinnen und Einwohner.
Ganz anders dagegen der Kreis Wiedenbrück: Geformt aus den historischen Gebieten Rheda, Rietberg und Reckenberg, wurde der Kreis mit seiner Gründung erst 1816 preußisch. Die Bevölkerung war mehrheitlich katholisch. In der Ebene der Ems wurde seine wirtschaftliche Entwicklung seit der Mitte des 19. Jahrhundert begünstigt durch die Anbindung an die Köln-Mindener Eisenbahn, nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich durch die Autobahn 2. Der politische Katholizismus dominierte die Kreispolitik, bis in die Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts mit dem Zentrum, nach 1945 mit der CDU. Mit 170.000 Einwohnerinnen und Einwohner war er bei seiner Auflösung mehr als doppelt so groß wie der neue Fusionspartnerkreis Halle.
Die Ravensberger Sparren
Wie sahen die Wappen der alten Kreise aus? Neben den immer wiederkehrenden Sparren der Grafen von Ravensberg sitzt auf dem Wappenschild des Kreises Halle ein schwarzer Rabe auf einem goldenen Felsen. Er ist das redende Zeichen für die Ravensburg oder Rabenburg, denn Ravena wird mit Rabe übersetzt. Die Grafen von Calvelage aus dem Raum Vechta führten die Sparren in ihrem Wappen. Sie erwarben um das Jahr 1100 Gebiete im Teutoburger Wald nordwestlich von Halle und errichteten dort die Burg Ravensberg, nach der sie sich fortan benannten. Aufgrund dieses Ursprungs führt der Kreis Vechta noch heute die Sparren in seinem Wappen. Über friedliche oder feindliche Erweiterungen, Heiraten, Erbschaften und sonstige Zusammenschlüsse gelangte ihr markantes Wappenzeichen, die roten Sparren auf silbernem Grund, in immer andere Wappenkonstellationen. Mit solchen Allianzwappen verbreiteten sich die Sparren in weiten Teilen Deutschlands.
Als 1909 die 300-jährige Zugehörigkeit der Grafschaft Ravensberg zum Kurfürstentum Brandenburg auf der Ravensburg groß gefeiert wurde, kamen Gedenkmedaillen mit den preußischen Farben und dem Sparrenwappen zum Verkauf. Eine Gedenktafel, von Kaiser Wilhelm II. als letzten Grafen von Ravensberg gestiftet, endete mit dem Spruch: „So lange deutsche Eichen stehn, soll Ravensberg nicht untergehn.“ – Auch dies wiederum ein Anklang an ein beliebtes Wappenmotiv.
Das Kreiswappen von Wiedenbrück wird von drei Figuren bestimmt: dem sechsspeichigen Rad als Zeichen des Hochstifts Osnabrück, zu dem das Amt Reckenberg mit dem Hauptsitz Wiedenbrück bis 1803 gehörte, dem Löwen von Rheda für die seit 1192 lippische, seit 1364 tecklenburgische und später bentheimische Herrschaft Rheda und dem Rietberger Adler für das Territorium der Grafen von Rietberg mit den Ämtern Rietberg und Verl.
Das Osnabrücker Rad
Das Rad der Bischöfe von Osnabrück entstand um das Jahr 1200. Es steht stellvertretend für den „Wagen Gottes“, den Thronwagen, und damit für die christliche Kirche insgesamt. Das Rad war ein sehr bekanntes und nicht nur in Deutschland weit verbreitetes Wappenbild. Im 11. und 12. Jahrhundert wurden die Mainzer Erzbischöfe als „currum Dei“, also als Lenker des Gotteswagens bezeichnet. Das Rad kann aber auch als Attribut des Heiligen Martin als Patron des Erzstifts gedeutet werden.
Das Osnabrücker Rad erscheint bereits 1219 im Siegel der Stadt Wiedenbrück. Die dortige bischöflich-osnabrückische Stiftsburg wird erstmals 1250 als „castrum Redekenberg“ erwähnt. Der Name folgt unmittelbar der Verkleinerungsform des Wappenmotivs als „Rädchenburg“. Auch andere Burgnamen leiten sich von den Wappen ihrer Herren ab: Die Sparrenburg in Bielefeld von den Ravensberger Sparren, die Burg Blomberg bei Detmold von der Blume, mithin der lippischen Rose – und die Schlüsselburg bei Minden von den Schlüsseln im Wappen der Mindener Bischöfe.
Adler, Löwe und die Farben der Bistümer
Die frühen Rietberger Grafen entstammten dem Geschlecht der Grafen von Werl-Arnsberg-Cuyk. Um 1100 wurde auf dem Adlersberg oberhalb der Ruhr eine Burg erbaut, die namensgebend für die Stadt Arnsberg wurde, was nichts anderes heißt als Adlersberg, von mittelhochdeutsch „Aar“. Zur Sicherung ihrer Besitztümer an Ems und Lippe hatten die Arnsberger Grafen eine weitere Burg errichtet, die 1124 erstmals „Rietbike“ genannt wurde, also eine Burg im Riet oder Sumpf. Nach einer Erbteilung änderte Graf Konrad von Rietberg im 13. Jahrhundert das Metall des Adlers von Silber in Gold, beließ es aber beim Rot des Schildes aus dem Arnsberger Haus. Im Wege weiterer Allianzen gelangte der Arnsberger Adler über Rietberg nach Ostfriesland und ins kurkölnische Sauerland.
Der Löwe ist das Wappentier der Herrschaft Rheda. Ein städtisches Siegel aus dem Jahr 1403 zeigt einen gekrönten Löwen, zwischen seinem Rumpf und dem Schwanz befindet sich eine Rose. Sie stammt von Bernhard zur Lippe, der dem Ort 1355 die Stadtrechte verliehen hatte. Später wurde die Rose wohl falsch gedeutet, weswegen drei goldene Ringe auf dem Rumpf des Löwen landeten. Dieser Irrtum wurde 1907 im Stadtwappen korrigiert, allerdings verlor der Löwe dabei auch seine Krone. Im Wappen des Fürstenhauses von Bentheim-Tecklenburg zu Rheda hat er die Ringe jedoch behalten, sehr schön zu sehen in einer Wappendarstellung an der Neuen Mühle in Gütersloh aus dem Jahr 1731. – Ins Wappen des Kreises Gütersloh schaffte er es nicht, ihn hatte der Rietberger Adler verscheucht!
Weitere Zugaben: Teile von Bielefeld und Paderborn, Warendorf und Beckum
Oberflächliche Nord-Süd-Betrachtungen des Kreises Gütersloh führen fälschlicherweise dazu, den Kreis auf seine Hauptbestandteile Halle und Wiedenbrück zu reduzieren. An seinen Rändern aber wurde arrondiert, und das nicht immer konfliktfrei. Zum neuen Kreis Gütersloh kamen ravensbergische Anteile aus dem Kreis Bielefeld, die Gemeinden Stukenbrock aus dem Kreis Paderborn, Benteler aus dem Kreis Beckum und vor allem die neue Stadt Harsewinkel aus dem Kreis Warendorf.
Im Rahmen der Umsetzung des „Gesetzes zur Neugliederung des Kreises Wiedenbrück und von Teilen des Kreises Bielefeld“ erfolgten bereits zum 1. Januar 1970 einige Umgemeindungen. Ebbesloh, Hollen, der größte Teil von Isselhorst, Niehorst sowie ein kleiner Teil von Ummeln kamen zur Stadt Gütersloh im Kreis Wiedenbrück. Die aus den Gemeinden Schloß Holte (Amt Verl, Kreis Wiedenbrück), Stukenbrock (Amt Schloss Neuhaus, Kreis Paderborn) sowie einem kleinen Teil von Sende (Amt Verl) neu gebildete Gemeinde Schloß Holte-Stukenbrock wurde dem Kreis Bielefeld angegliedert. Exakt drei Jahre später wechselte die neue Gemeinde in den neu gebildeten Kreis Gütersloh. Ehemals ravensbergische Gemeinden wurden Bestandteil der Stadt Gütersloh, die frühere Paderborner Gemeinde Stukenbrock eine des Kreises Gütersloh.
Im Westen wurden dem neuen Kreis die aus den drei Gemeinden Greffen, Harsewinkel und Marienfeld neu gebildete Stadt Harsewinkel aus dem Nachbarkreis Warendorf angegliedert. Schließlich kam die Gemeinde Benteler aus dem Amt Wadersloh-Liesborn im Kreis Beckum ebenfalls zum 1. Januar 1970 mit Langenberg zum Kreis Wiedenbrück und somit drei Jahre später zum Kreis Gütersloh. Die Gemeinden aus den ehemaligen Bistümern Paderborn und Münster brachten ihre Farben mit ins neue Kreiswappen. Während das goldene Kreuz aus dem Wappen des Fürstbistums Paderborn Eingang im oberen Teil des Kreiswappens fand, ist das Rot des Münsteraner Balkens aus dem Bistumswappen weniger offensichtlich, denn es könnte sich schließlich ebenso um das Rot der Ravensberger Sparren handeln. Da ist man auf eine Interpretation angewiesen, oder der Betrachtende entscheidet sich nach seinem Geschmack: purpurrot bischöflich oder zinnoberrot profan. – Wie auch immer: so viele Bestandteile in einem Kreis, das ist schon selten. Und entsprechend bunt.