Foto: Christian Eblenkamp, Mirko Moch
Alte Häuser entpuppen sich bei der Sanierung immer als Überraschungspaket. Aber sie bergen enorm viel Potenzial und sind, was die Nachhaltigkeit angeht, nahezu perfekte Bauprojekte. Das Architekturbüro Krone-Moch aus Rheda-Wiedenbrück hat es sich zur Aufgabe gemacht diese Potenziale zu entdecken, wie zum Beispiel „Marios Oppa sein Häuschen“, so der liebevolle interne Projektname, beweist.
Der etwa 100 Jahre alte Kotten liegt versteckt unter Eichen und umgeben von Feldern zwischen Rietberg und Verl. Ein Häuschen im Dornröschenschlaf, doch leider vor Beginn der Sanierung völlig verwohnt. 30 Jahre lang hatte eine Familie hier gelebt, die das Gebäude unfachmännisch umgebaut und nicht wirklich gepflegt hatte.
Auf Wunsch des Bauherrn sollte aus diesem Zweckbau eine Art Loft mit drei Kinderzimmern werden. Bei einem Gebäude in diesem desolaten Zustand stellt sich die Frage, ob sich eine Sanierung überhaupt lohnt. Da sind Fachleute mit einem entsprechend erfahrenen Blick gefragt. Und Architekt Mirko Moch entdeckte in dem alten Gebäude jede Menge Möglichkeiten. „Auf den ersten Blick sah man natürlich erst einmal die Bausünden, Kunststofffenster, Glasbausteine oder Eternitplatten. Auf der anderen Seite gab es da aber auch historische, beschriftete Holzbalken in recht gutem Zustand“, so Moch. Also: Es lohnte sich auf jeden Fall, dem Kotten neues Leben einzuhauchen.
Am Anfang standen die Entkernungsarbeiten. Das Haus musste bis auf die Statik zurückgebaut werden. Die Kunststofffenster wurden entfernt, Fundamente und Balken freigelegt, die Bodenplatte weggenommen. Und schon sah alles viel heller und freundlicher aus. Eine Überraschung war der große Dachraum, den man von außen nicht vermutet hätte und der durchaus Platz für mehrere Kinderzimmer bot. Das Haus wurde angehoben, auf Natursteinschwellen neu ausgerichtet und mit einer Betonbodenplatte versehen.
Wiederverwendung von ursprünglichen Materialien
Beim Wiederaufbau wurde darauf geachtet, möglichst viele der ursprünglichen Materialien wiederzuverwenden. Die alten Ziegelsteine wurden aus den Gefachen genommen, gesäubert und wieder eingesetzt. Beschädigte Teile des Eichenfachwerks wurden durch Stahlkonstruktionen
ersetzt. Die alten Eichenbalken wurden leicht gesandstrahlt. So kam ihre originale Farbe wieder zum Vorschein. Statt der Kunststofffenster wurden Fenster mit Eichenholz-Rahmen eingesetzt. Alle verwendeten Materialien blieben unbehandelt und können so langsam Patina ansetzen. Dieser Umgang mit dem Material entspricht dem Hauscharakter und war nur möglich, weil der
Bauherr dem Architekten weitestgehend freie Hand ließ.
Das architektonische Grundgerüst des Kottens, ein Zweiständerhaus mit durchgehender Deele, blieb bestehen. In der ehemaligen Deele wurde ein großer Essraum eingerichtet, dessen raumhohe Fenster die Sicht auf Garten und Felder eröffnen. Des weiteren befinden sich im Erdgeschoss neben dem Wohn- und Esszimmer eine Küche und ein Gäste-WC. Ins Obergeschoss führt eine Treppe. Diese liegt an der hinteren Wand und besteht aus einem Treppensockel aus Fertigbeton, der durch eine Metallkonstruktion ergänzt wurde.
Das Obergeschoss wurde so gebaut, dass im Bad eine versenkte Wanne installiert werden konnte. Zudem ist hier Platz für zwei Kinderzimmer, ein Kinderbad und -WC, Schlafzimmer für die Eltern und Ankleide. Zusätzlich gibt es im Spitzboden noch eine Schlafempore.
Die Natur in den Innenraum bringen
Auffallend sind die Gauben, die aus dem Dach herausragen. Sie schaffen zum einen zusätzlichen Raum. Zum anderen fokussieren gerade die kleinen Gauben wie ein Rahmen den Ausblick in die freie Natur und transportieren somit gleichsam die Natur – vergleichbar einem Bild – in den Innenraum. Durch das Lichtdach aus Glas kann man darüber hinaus in die Baumwipfel blicken.
Die Gebäudetechnik wurde, da das Haus nicht genügend Raum bot, in einem neu errichteten Nebengebäude untergebracht. Hier befindet sich unter anderem die Wärmepumpe. Außerdem fungiert das Gebäude als Carport.
Lebensqualität für viele Jahrzehnte
„Bei diesem Projekt ist es uns die Verbindung von Altem und Neuem im Gesamtumfeld besonders gut gelungen“, so Mirko Moch. Er ist der Überzeugung, dass sich die Bauaufgaben immer weiter in den Bestand verschieben werden. „Wir können nicht noch weiter Fläche verbrennen“, sagt er. „Wir brauchen Beispiele wie „Marios Oppa sein Häuschen“, um zu zeigen, wie viel Potenzial in alten Gebäuden steckt.“
Man müsse alte Gebäude wieder ins Bewusstsein rücken, denn der Neubau eines Gebäudes erfordere einen hohen Ressourcenverbrauch. Im Bestand zu bauen oder zu sanieren sei zwar mühsamer und vielleicht etwas risikobehafteter, aber alte Häuser böten – im Gegensatz zu vielen neu geplanten Bauten – Lebensqualität für viele Jahrzehnte und würden damit weit über Nachhaltigkeitsüberlegungen hinausgehen.