Text: Dr. Elisabeth Menke/Dr. Silvana Kreyer
Fotos: Detlef Güthenke

Sie wiegen 12 bis 15 Gramm. Sie werden von einem Züchter aus Belgien geliefert und mitten im Kreis Gütersloh gemästet. Christina und Simon Schulte-Döinghaus betreiben auf ihrem Hof in Varensell eine Zanderzucht. Ein Süßwasserfisch, der in Gourmetküchen ganz oben auf der Speisekarte steht, dessen feiner Geschmack begeistert.

Die Fischzucht liegt in der Hand von Christina Schulte-Döinghaus. Sie ist nicht nur die Mutter von Leon, Emilie und Paul, sondern auch Fachfrau, wenn es um die Aufzucht der Zander geht. Es gibt 15 Aufzuchtbecken, die auch der Quarantäne dienen, und 24 Becken in der Masthalle. Sechs- bis achtmal werden die Fische sortiert, bevor sie mit 800 bis 1000 Gramm verkaufsfähig sind. „Das ist aufwendig,“ sagt Christina Schulte-Döinghaus. Aber die Sortierung ist unerlässlich, denn der Zander ist ein Räuber, und wenn man nicht aufpasst, frisst der Größere den Kleinen.
Für die Sortierung werden die kleinen Fische mit dem Kescher aus den Aufzuchtbecken herausgeholt und durch Kästen, die mit Stäben versehen sind, sortiert. „Die Kleinen fallen durch, die Großen bleiben oben.“ In der Masthalle, in die die Fische nach etwa zwei bis drei Monaten umgesetzt werden, wird per Hand sortiert. „Es kommt darauf an, zu sehen, zu fühlen und sich blitzschnell für eine Zuordnung in vier Größen zu entschieden: klein, mittel, groß und ganz groß“, so Christina Schulte-Döinghaus. Von morgens bis abends sortiert das Ehepaar 10.000 Fische. Beim Sortieren trägt man Handschuhe und einen Unterarmschutz, denn der Zander hat sogenannte Kampfschuppen und Stacheln, an denen man sich verletzen kann. „Wenn ich einen Zander falsch anfasse, gerät leicht ein Stachel in die Hand. Das schwillt schnell an, entzündet sich. Jede kleinste Verletzung merkt man“, ist die Erfahrung von Simon Schulte-Döinghaus.

Herausforderung für Quereinsteiger
Von der Idee, eine Aquakultur zu betreiben, bis zur Anlieferung der ersten Fische war es ein weiter Weg. „Schweine lohnen sich nicht mehr, gehen Sie auf Fische“, diesen Tipp hatte Simon Schulte-Döinghaus von einer Messe mit nach Hause gebracht. Er war ohnehin auf der Suche nach einem weiteren Standbein für den Hof. Außerdem hatte er seit 2004 bereits eine Biogasanlage errichtet, deren überschüssige Wärme sinnvoll eingesetzt werden sollte. Als Quereinsteiger in die Fischzucht hat sich das Ehepaar an einen Fischberater gewandt, um die Anlage zu planen, durchzurechnen und zu bauen: Eine 40 mal 17 Meter große Halle, in der jetzt 48.000 Fische Platz finden. „Bis zur Baugenehmigung hat es drei Jahre gedauert“, sagt Christina Schulte-Döinghaus. Die ersten Fische wurden im November 2019 angeliefert.
Um Fische überhaupt halten zu dürfen, musste sich das Ehepaar erst einmal schlau machen und das auch belegen, mit einem so genannten Sachkundenachweis, damit man die Fische auch gewerblich transportieren darf. Seitdem hat das Ehepaar Tag für Tag seine Erfahrungen gemacht und ständig dazugelernt.

Wasserplätschern, Rauschen, Gurgeln
Wo der Zander wächst, ist es laut. Zwölf Pumpen und Lüftungsanlagen. Es brummt. Alle Anlagen verfügen über Trommelfilter, Biofilter und Frischwasserzufuhr, so kann auf Antibiotika verzichtet werden. Zudem wird die Bakterienausbreitung dank UV-Anlagen auf natürliche Weise verhindert. Die Wassertemperatur liegt bei 23 Grad. Es wird immer wieder Wasser aus dem eigenen Brunnen hinzugegeben. Tagsüber bleiben die Hallen ohne Licht. Ab 13 Uhr beginnt die Fütterung: schwimmende Pellets, viel Fischmehl, Öl und Sojaschrot in verschiedenen Zusammensetzungen. Beim Zander können 75 Kilogramm Fisch auf einem Kubikmeter gehalten werden. Das sei relativ wenig im Vergleich zu anderen Fischarten, erklärt Simon Schulte-Döinghaus. Rund um das Becken gibt es einen Trittschutz, denn die Fische mögen keine Erschütterungen. Jeden Tag sind Routinearbeiten zu erledigen. Feiertage oder Wochenenden inklusive. Zur Routine gehört es auch, tote Fische herauszunehmen und nach Problemen zu forschen. „Es gibt viele Gründe, warum ein Fisch verendet. Es könnten Bakterien sein, die auf den Kiemen sitzen. Es könnte der Stress sein, weil ein Pumpe nicht richtig funktioniert oder der Wasserstand niedrig ist. „Man muss die Augen offen halten“, sagt Christina Schulte-Döinghaus.

Von der Zucht in den Teich
Der Zander, der Sander lucioperca, ist der größte einheimische barschartige Fisch und kann bis zu 70 Zentimeter und drei Kilo schwer werden. Weil er als Speisefisch so beliebt ist, gehört er zu den wichtigsten einheimischen Fischarten. Es gibt aber immer weniger geeigneten Lebensraum, die Fangerträge sind rückläufig. Geschätzt wird der Fisch auch von Anglern, und deshalb ist er als Besatzfisch in Fischteichen gefragt.
„Wir züchten die Fische nicht selbst, wir mästen sie“, sagt Christina Schulte-Döinghaus, „und verkaufen sie als Speise- oder Besatzfische, wobei etwa 80 Prozent als Besatzfische und 20 Prozent als Speisefische verkauft werden. Kunden in ganz Deutschland setzen die Fische in Teiche und verkaufen sie schließlich als Speisefische. Es werden nur lebende Fische verkauft. Denn um die Fische ausgenommen und filetiert auf den Markt zu bringen, braucht es einen Schlachtraum, der vom Veterinäramt zugelassen sein muss – und über einen solchen Raum verfügen die Varenseller nicht.
Auch die Speisefische werden lebendig verkauft, transportiert in Wassercontainern – sogar bis in die Schweiz. Das sind die Fische, die nicht ganz so edel aussehen, weil sie zum Beispiel einen Knick in der Schwanzflosse haben.
Simon Schulte-Döinghaus meint, dass frisch an der Theke gekaufter Fisch nicht gleichzusetzen sei mit frischem Fisch. Der Thekenfisch werde meistens zweimal angetaut und verarbeitet, bevor er auf dem Teller lande. Und deshalb möchte er für seine Zanderzucht werben: Mit frischem Fisch.

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