Fotos: Detlef Güthenke

Behutsam trägt Albrecht Schoder noch eine letzte, hauchdünne Lackschicht auf die vormals beschädigte Stelle auf, dann ist das Werk vollendet. Der kleine, grazil verarbeitete Nussbaumtisch, den ihm der Kunde vor wenigen Tagen gebracht hat, erstrahlt nun wieder in seinem alten Glanz. Zufrieden wendet sich der erfahrene Restaurator, den wir mit unserem Besuch kurz in seiner Arbeit unterbrochen hatten, nun wieder uns zu: „Also, meine Herren, was kann ich für Sie tun?“

Wir befinden uns in der Restaurierungswerkstatt des 66-Jährigen in der Breite Straße, im Herzen von Wiedenbrück. Seit fast vier Jahrzehnten restauriert Albrecht Schoder hier zusammen mit seiner Frau Ellen im Auftrag von Privatkunden sowie öffentlichen und kirchlichen Auftraggebern Möbel und antike Holzobjekte. Neben bereits bearbeiteten Stücken, die darauf warten, von ihren Besitzern abgeholt zu werden, und Exponaten, die noch in ihren alten Zustand zurückversetzt werden wollen, bestimmen Tischlerwerkzeuge, Holzreste und -verschnitte sowie Behälter mit Farben, Lacken und Lösungsmitteln das Bild. „Eine Werkstatt ist und bleibt eine Werkstatt, auch wenn dort alte Möbel restauriert werden. Daher achte ich darauf, dass alles an seinem Platz ist, damit ich mich auf das Wesentliche konzentrieren kann“, erteilt Albrecht Schoder romantischen Vorstellungen eine klare Absage.

Die Leidenschaft zum Beruf gemacht
Dennoch sind die kalkweiß getünchten Räume über die Jahre seine zweite Heimat geworden. Hier, in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem Wohnhaus, hat er bereits unzählige Stunden verbracht und zahllosen Möbeln aus unterschiedlichsten Jahrhunderten und Epochen neues Leben eingehaucht – mit exzellentem Fachwissen, in akribischer Kleinarbeit und auf Basis sorgfältiger Recherchen zum jeweiligen Exponat. Zwar ist aus dem Beruf mittlerweile eher eine Liebhaberei geworden, die dem Kunstliebhaber immer noch einen auskömmlichen Nebenverdienst ermöglicht. An der Leidenschaft für Restaurierungsarbeiten hat sich aber nichts geändert. „Ich habe schon als Jugendlicher gerne an alten Möbelstücken herumgebastelt und meine ersten Reparaturen durchgeführt. Insofern habe ich in dieser Tätigkeit tatsächlich meinen Traumberuf gefunden, auch wenn sich nach mehr als 40 Berufsjahren schon ein paar Routinen eingeschlichen haben“, erzählt uns Albrecht Schoder, der bis heute in der Möbelforschung tätig ist und dank seiner großen Expertise nach wie vor gerne für Restaurierungsvorhaben hinzugezogen wird, wie in der Vergangenheit beispielsweise bei der Restaurierung von zwei spätgotischen Chorstühlen in Lippstadt und Warburg.

Dass er seine Werkstatt Anfang der 1980er-jahre in die Doppelstadt an der Ems eröffnete, in der er bereits während seiner Schulzeit vorübergehend gewohnt hatte, war kein Zufall, wie er schmunzelnd eingesteht: „Natürlich wollte ich meine Leistungen da anbieten, wo Menschen leben, die nicht nur Interesse an alten Möbeln haben, sondern auch die nötigen Finanzmittel, um entsprechende Aufträge zu vergeben.“ Eine Klientel, die sich Albrecht Schoder mittlerweile fast vollständig erschlossen hat. „Wer sich im Kreis Gütersloh für antike Möbel interessiert, der war auch schon mal Kunde bei mir.“ Insbesondere in den 1980er- und 1990er-Jahren war die Nachfrage nach Restaurierung von Möbeln groß. Einige Hundert Exponate gingen in dieser Zeit durch die Hände von Albrecht Schoder und seiner Frau Ellen, die seine erste Praktikantin war und seitdem in der Werkstatt in eigenen Aufgabenbereichen tätig ist. Erst im neuen Jahrtausend ebbte die Begeisterung für antike, zeitgenössische Möbel ab, erst recht nach der großen Finanzkrise 2009/2010. An eine Renaissance dieser Ära glaubt Albrecht Schoder nicht: „Möbel aus echtem Holz werden heute doch kaum noch hergestellt. Darunter leidet das Tischlerhandwerk ebenso wie die Arbeit des Restaurators.“

Handwerkliches Wissen alleine reicht nicht
Das Rüstzeug für seine erfolgreiche Karriere holte sich der in Weimar geborene Albrecht Schoder im Rahmen einer Tischlerlehre, die er in den 70er-Jahren in Krefeld absolvierte. „Damals konnte man sich nicht zum Restaurator ausbilden lassen, sondern musste den mühsamen Umweg über eine Handwerksausbildung nehmen. Erst der Initiative meiner Generation ist es zu verdanken, dass an deutschen Fachhochschulen mittlerweile Restauratoren ausgebildet werden.“ Da es immer sein Ziel war, Restaurator zu werden, hat Albrecht Schoder nie in dem erlernten Beruf gearbeitet: „Ich wollte immer mein eigener Herr sein, daher war der Schritt in die Selbstständigkeit eine logische Konsequenz. Hinzu kam die Tatsache, dass es für Restauratoren Anfang der 80er-Jahre kaum freie Stellen gab.“. Folglich gründete er 1984 seinen eigenen Betrieb. Dessen anhaltenden Erfolg verdankt Albrecht Schoder vor allem seiner Herangehensweise an das Thema: „Das technische Wissen eines Tischlers ist das notwendige Rüstzeug, aber bei weitem nicht ausreichend, um solche Arbeiten ausführen zu können. Als Restaurator muss ich wissen, warum ein Objekt so ist wie es ist und in welchem historischen Kontext bzw. unter welchen Umständen es entstanden ist. Erst dann kann ich es entsprechend konservieren, restaurieren und in seiner Nutzbarkeit wiederherstellen.“ Gute Gründe also, parallel zur eigenen Gesellen- und später auch Meisterausbildung ein Studium der Kunst- und Volksgeschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster aufzunehmen. Drei Jahre sammelte er hier historisches Wissen, das bis heute in seine Arbeit einfließt.

Der Nachwuchs fehlt
Davon profitieren bis heute nicht nur seine Kunden, sondern auch nachfolgende Generationen. Rund zwei Dutzend Praktikanten absolvierten in seiner Werkstatt gemäß Richtlinie des Verbandes der Restauratoren (VDR) studienvorbereitende Praktika „Nach wie vor will ich die Kunst des Restaurierens möglichst lebendig halten. Dafür braucht es aber auch junge Menschen, die diese Leidenschaft teilen.“ In Zeiten von Fachkräftemangel und fehlender Nachfrage sind diese allerdings eher Mangelware. Für Albrecht Schoder aber noch lange kein Grund, seiner Leidenschaft nicht weiterhin mit viel Begeisterung nachzugehen: „Ich arbeite einfach so lange, wie es mir Freude macht. Alles weitere werden wir noch früh genug sehen.“

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