Wahlheimat Kreis Gütersloh
Text: Jessica Kaup . Fotos: Detlef Güthenke
Auf der Beliebtheitsskala der begehrtesten Wohnorte gibt es Länder wie Schweden und Kanada; da gibt es Regionen wie das Allgäu und Städte wie Hamburg. Und, es gibt ihn: den Kreis Gütersloh. Der ist zwar nicht gelistet, ist aber – ganz ohne Frage – der „beste“ Kreis der Welt. Das empfinden Insider und Zugezogene offenbar gleichermaßen: Jan Focken von der Pressestelle des Kreises verrät mit einem Schmunzeln: „Es gibt ein Zitat, das bei uns im Kreishaus häufiger fällt: Alle behaupten, sie seien eine Region, in der es sich gut leben und arbeiten lässt. Der Unterschied ist: Für den Kreis Gütersloh stimmt das.“ Kein Wunder, dass selbst Skeptiker sich vom rauen Charme des ostwestfälischen Kraftpakets, wie der Kreis auch genannt wird, erobern lassen und anfängliche Vorbehalte einer großen Zuneigung weichen. Nein, er ist vielleicht nicht spektakulär, der Kreis im goldenen Westen Ostwestfalens, aber diese heimelige Lebensqualität macht ihn dann doch sehr kommodig. Unsere Autorin Jessica Kaup spricht mit Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in den Kreis Gütersloh verlegt und an ihn ihr Herz verloren haben.
Sven-Georg Adenauer
„Wo es mir gefällt, da bleibe ich“
Er ist Landrat des Kreis Gütersloh und seines Zeichens Emigrant aus dem Rheinland. Seit mehr als 24 Jahren lebt und regiert Sven-Georg Adenauer nun dort, wo er seine Heimat des Herzens verortet. Eine innige Zuneigung – allerdings mit Startschwierigkeiten
Nein, es war nicht die berühmte Liebe auf den ersten Blick, schmunzelt Landrat Sven- Georg Adenauer, wenn er an seine erste Begegnung mit der Dalke-Stadt und ihrem Kreis zurückdenkt. „Es war so ein düsterer Tag. Ich bin am Kamener Kreuz auf die A 2 abgebogen. Richtung Bielefeld. Dann zog und zog sich die Strecke, und es fühlte sich ein bisschen so an, als würde ich gleich in Sibirien landen. In Spexard bin ich runter von der Autobahn und immer stadteinwärts. Es regnete, und alles war irgendwie grau in grau. Dann tauchte plötzlich das Rathaus vor mir auf in diesem wenig fröhlichen Ocker – und von Optik und Anstrich ein bisschen in die Jahre gekommen … Da habe ich schon gedacht, ob ich nicht lieber gleich umdrehe. Aber eigentlich wollte ich ja hierher – die Alternative war Berlin, und das schien mir zu urban. Das wollte ich nicht“, so Adenauer, der seinerzeit von Ottfried Henning (CDU) auf die vakante Stelle des Landrates im Kreis Gütersloh hingewiesen wurde und außer Miele und Bertelsmann noch nicht viel mehr mit diesem Fleckchen Erde in Verbindung bringen konnte. „Freunde hatten mich zudem vor der Region gewarnt: ‚Der Ostwestfale sei die verschärfte Form des Westfalen‘, hatte man mir gesagt und nicht ganz verstanden, dass ich diese relativ ländliche Region tatsächlich der aufstrebenden Bundeshauptstadt vorziehen wollte.“ Diesen Schritt hat Adenauer, der zunächst im ältesten Fachwerkhaus von Rheda-Wiedenbrück Logis bezog und sich ob seiner Körpergröße an den tiefhängenden Deckenbalken immer wieder den Kopf anschlug, nie bereut.
„Als Politiker würde ich jetzt anführen, dass wir der wirtschaftlich stärkste Kreis in Nordrhein-Westfalen sind, dass wir mit dem Mix aus ländlich und beschaulicher Urbanität attraktiv für junge Familien sind und über eine Top-Infrastruktur verfügen. Als Privatmann empfinde ich, dass wir hier wirklich in einer vergleichsweise heilen Welt leben“, begeistert Adenauer sich und ergänzt: „Ich sage bewusst nicht, dass unser Kreis der schönste Kreis in Deutschland ist – da gibt es sicher eine ganze Reihe, die uns hier den Rang ablaufen. Aber: Ich sage aus vollem Herzen: Der Kreis Gütersloh ist der beste Kreis in unserem Land.“ Das liege auch – oder gerade – an den als schroff und leicht sturköpfig geltenden Ostwestfalen.
„Es gibt den Spruch ‚Der Westfale hält, was der Rheinländer verspricht‘ – und es ist diese Verlässlichkeit, die ich schätze und mit der es sich wirklich gut und verbindlich arbeiten lässt.“ Deshalb denkt der 63-Jährige auf Sicht auch gar nicht daran, seine Eigentumswohnung in zentraler Lage von Rheda-Wiedenbrück zu räumen.
„Wo es mir gefällt, da bleibe ich“, bekräftigt er sein Vorhaben. Nur ein wirklich idyllisch gelegenes Häuschen am Meer zwischen Öland und Kalmar könnte den Sohn einer Schwedin und eines Deutschen möglicherweise aus dem Kreis locken. Was er als Herausforderung im Kreis Gütersloh empfindet? „Mir macht es große Sorgen und Kopfzerbrechen, dass die Zahl der Verkehrsunfälle bei uns relativ hoch ist – für mein persönliches Empfinden deutlisch zu hoch. Woran das genau liegt, wissen wir noch nicht, wollen aber alles dafür tun, dass wir hier die Zahl zeitnah deutlich senken.“
Sarah Süß
Von der Zeche ins Königreich
„Der Kreis Gütersloh ist wirklich ein schönes Fleckchen Erde! Er verspricht Vielfalt und Abwechslung, wohin man auch blickt: Historische Ortskerne treffen auf moderne Infrastruktur, Wirtschaftsstärke auf Naherholung, Urgesteine auf Zugezogene“, so beschreibt Sarah Süß, Bürgermeisterin von Steinhagen“, die Besonderheiten des Kreises, der seit nunmehr fast neun Jahren ihre Wahlheimat ist
Hamm, das „Tor zum Ruhrgebiet“, war ihr Daheim – ein von Bergbau geprägter Stadtteil ihr Zuhause. Nun ist die beschauliche Schnapsstadt am Fuße des Teutoburger Waldes ihre Heimat. „Dass ich in Steinhagen im Kreis Gütersloh gelandet bin, war eher ein Zufall. Nach dem Studium war meine erste dienstliche Station als Rechtspflegerin das Amtsgericht Bielefeld. Eine Wohnung möglichst in der Nähe musste her – aber bitte nicht mitten in der Stadt, sondern eher etwas ruhiger gelegen“, erinnert sich Sarah Süß, die dann die „perfekte Lage und Wohnung“ in Steinhagen fand und sich dort von Beginn an rundum wohl fühlte. „Es war nicht nur die natur- und stadtnahe Lage, die mich und meinen Mann überzeugt hat, sondern vor allem der Zusammenhalt der Menschen, die hier leben. Und die schienen Sarah Süß auch ganz besonders in ihr Herz geschlossen zu haben: Sie wählten die Zugezogene kurzerhand zu ihrer Heidekönigin! Nicht nur als Regentin erschloss sich die inzwischen 31-Jährige das Wohlwollen ihrer Mitbürger. Auch mit ganz viel persönlichem Engagement: „Als Paar in einer neuen Umgebung Fuß zu fassen und außerhalb der Arbeit Menschen kennen zu lernen, finde ich gar nicht so einfach. Wir haben uns daher kurzerhand zu einem Tanzkurs angemeldet und ehrenamtliche Ämter übernommen. Ich habe mich zunehmend in der Kommunalpolitik engagiert, und mein Mann hat sich als Schiedsmann engagiert“, erzählt Süß, deren politische Laufbahn sie inzwischen bis ins Rathaus von Steinhagen geführt hat, wo sie seit drei Jahren hauptamtlich das Zepter schwingt und ihre Heimat des Herzens verortet. „Das Gefühl von Heimat habe ich das erste Mal auf dem gemeinnützigen Steinhagener Weihnachtsmarkt so ganz bewusst erlebt: Ob es die heiße Ströher Liebe oder das Konzert des Posaunenchors vom Kirchturm zum Abschluss des Weihnachtsmarktes waren – das weiß ich gar nicht mehr genau – wahrscheinlich eine Kombination aus beidem“, lächelt Süß bei der Erinnerung an dampfenden Punsch und adventliche Klänge.
Heimatgefühle und ein bisschen Fernweh
Inzwischen haben Süß und ihr Gatte die Wohnung gegen ein Haus mit großem Garten getauscht und lassen nur selten ihre Gedanken in die Ferne schweifen: „Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, auf einer tropischen Insel ein Aussteigerleben zu führen? Aber Spaß beiseite, wenn ich nicht im Kreis Gütersloh leben könnte und mir eine Region aussuchen dürfte, dann läge diese ganz sicher mit Blick auf’s Meer. Der Kreis Gütersloh konkurriert also mit unserer Hochzeitsinsel Pellworm und einem tropischen Insel-Paradies. Aber egal, wo ich auch hinreise, und ich liebe es, neue Orte zu entdecken und fremde Kulturen kennenzulernen, ist es genau das heimelige Gefühl des Nachhausekommens, wenn das Ortseingangsschild erscheint, das man sonst eben nirgendwo anders hat und
was ich nicht missen möchte. Auch hier gibt es ja für mich
jede Menge zu entdecken, denn: Der Kreis Gütersloh ist nicht nur besonders vielfältig, sondern auch sehr weitläufig. Viele Orte im Kreis sind mir daher noch unbekannt, was die Schwäche wohl gleichzeitig zur Stärke macht, denn: So gibt es immer noch neue Ecken zu entdecken, im schönsten Kreis der Welt!“
Sandra Schlimm-Pieper
Alleine gekommen – Freunde und Familie gefunden
Für sie war es ein Kennenlernen auf Raten. Stück für Stück kam Sandra Schlimm-Pieper, Geschäftsführerin der aov IT.Services GmbH, dem Kreis Gütersloh näher und hat hier nicht nur ihre eigene Familie, sondern auch ihre Wohlfühl-Heimat gefunden.
„Dass es genau richtig war, mich für den Kreis Gütersloh als Arbeits- und Wohnort zu entscheiden, habe ich empfunden, als ich eine ganz besondere E-Mail bekam. Als nämlich klar war, dass ich zur aov in den Bartholomäusweg wechsele, schrieben mir die Mitarbeiter aus Gütersloh: ‚Wir freuen uns auf dich!‘ Das war so herzlich und direkt – da war meine Vorfreude auf mein künftiges Arbeiten hier riesig, und ich empfinde diese Willkommens-Mail noch heute als ersten schönen Moment, den ich mit dem Kreis in Verbindung bringe“, schwärmt Sandra Schlimm-Pieper von der enormen Kollegialität an ihrem Arbeitsplatz.
Doch nicht nur die nennt die begeisterte Walkerin als besonders positive Erfahrung mit Gütersloh und Umgebung – schließlich lernte sie auch ihren jetzigen Ehemann hier kennen. Vor vier Jahren haben wir geheiratet, und ich bin seitdem nicht nur „Gattin“, sondern auch Partnerin und Beraterin zweier erwachsener Kinder und liebe dieses Leben“, beschreibt Schlimm-Pieper ihr Patchwork-Familien-Glück mit Domizil in zentraler Lage in ihrem Herzensort Isselhorst. Dort wohnte sie zunächst allein und wurde als Zugezogene von den Nachbarn mit einem „Versorgungs-Korb“ aufs Beste empfangen. „Da waren Sekt, Süßigkeiten, Pumpernickel und westfälischer Schinken drin“, erinnert sich die gebürtige Westerwälderin. Neben hiesigen Delikatessen – beim Potthast kommt die studierte Wirtschaftsingenieur aus dem Schwärmen nicht heraus – liebt die 53-Jährige die dichte Bewaldung der Region und die Nähe zum Teutoburger Wald.
„Früher habe ich in Bremen gewohnt, musste aus beruflichen Gründen häufig nach Paderborn, da bin ich die noch im Aufbau befindliche A 33 längs und hier an der Nord-Ost-Achse des Kreises entlanggefahren. „Ich fand es landschaftlich herrlich und habe mich so richtig in diese Gegend verliebt. Dann habe ich hier als externe Beraterin ausprobieren können, ob sich das Leben genauso gut anfühlt, wie ich es erhoffte und konnte sagen: Ja! Die Integration, die Heimatverbundenheit, der Zusammenhalt, das hat mich überzeugt. Hier ist der Ort, an dem ich bleibe, an dem ich alt werde“, berichtet Sandra Schlimm-Pieper und erzählt vom gemeinsamen „Kränzen“ für eine Silberhochzeit an einem Wochenende. Genau solch einen Zusammenhalt würde sich Schlimm- Pieper, Beisitzerin des Vorstands der Wirtschaftsinitiative im Kreis Gütersloh, von den hier ansässigen Unternehmen auch wünschen. „Wir müssen näher zusammenrücken, uns intensiver austauschen und zusammenarbeiten”, plädiert die Wirtschaftsexpertin für das Nutzen von Synergien, um den Kreis, aber auch die einzelnen Unternehmen zu stärken. „Da bin ich dran – da leiste ich Überzeugungsarbeit!“, sagt sie, die stürmisches Terrain liebt – denn „im Westerwald, da pfeift der Wind so kalt“, zitiert sie, und dem trotzte sie auch schon in ihrer letzten Wahlheimat in Norddeutschland, ohne ihre Pläne jemals aufzugeben.
Volker Ervens
Wirtschaftlich stark – mit genügend Trubel
Familienfreundlich, wirtschaftsstark und für ihn „einfach lebenswert“ – so gestaltet sich der Kreis Gütersloh für Volker Ervens, Geschäftsführender Gesellschafter der Wirtschaftsprüfungs-
und Steuerberatungsgesellschaft Wortmann & Partner. Ihn zog es vor einem Vierteljahrhundert vom turbulenten Frankfurt ins beschauliche Wiedenbrück.
„Ich bin aufgrund meines Berufes als Steuerberater sehr wirtschaftsaffin. Mir gefällt tatsächlich diese einzigartige Verbindung von starker Wirtschaft, hervorragender Infrastruktur und einem wirklich sehr lebenswerten Umfeld.“ Es ist vielleicht nicht spektakulär, aber: Hier im Kreis finden wir alles, was wir für uns als Familie brauchen: Schöne Natur, sehr gute Freizeitangebote und – so empfinde ich es – herzliche und sympathische Menschen“, ist Volker Ervens voll des Lobes für den Kreis Gütersloh. Er blickt zurück: „Wir sind 1998 aus Frankfurt nach Wiedenbrück gezogen, also direkt aus der Großstadt in die Kleinstadt. Ich erinnere mich noch ganz genau: Es war ein Samstagnachmittag im Dezember als wir in Wiedenbrück eintrafen. Sehr sonnig war es, aber kalt. Wir hatten offenbar eine besonders ruhige Stunde erwischt und uns gewundert, dass alles so still und leer war. Das kannten wir aus Frankfurt nicht. Es fühlte sich dennoch gleich sehr heimisch an“, erinnert sich der 54-Jährige und ergänzt: „Mittlerweile wissen wir, dass die Stille in der Tat eher eine Ausnahme war. Es gibt durchaus viele Gelegenheiten, um hier auf Stadtfesten, Schützenfesten, der Kirmes und anderen bunten Events auch tollen Trubel zu erleben.“
Doch Ervens, der in einem Dorf in der Nähe von Aachen geboren wurde, mag es nicht nur turbulent, auch sportlich kommt er hier auf seine Kosten – zumindest teilweise: „Ich bike gerne – und das kann ich beispielsweise im Rhedaer Forst fantastisch. Mir fehlen jedoch die nahen Berge zum Rennradfahren …“
Bereut haben Ervens und seine Familie den Umzug in den Kreis Gütersloh nie: „Wir haben hier unsere drei Kinder großgezogen und die Kinder- sowie Familienfreundlichkeit der Region mit einer Vielzahl an Unterstützungseinrichtungen und einer großen Offenheit für Kinder genießen können“, erzählt Volker Ervens, der am Stadtrand von Wiedenbrück wohnt. „Sehr grün und ruhig“, so der Wahl-Westfale. „Es ist beschaulich, aber wir waren von Anfang an gut integriert und haben uns an vielen Aktivitäten beteiligt, so dass es keinesfalls eintönig ist“, sagt Ervens, der durch Familie und Beruf perfekt im Kreis Gütersloh vernetzt ist und über den Menschenschlag hier nur Positives zu berichten weiß: „Viele der hier lebenden Menschen sind einfach sehr stark verwurzelt, bekennen sich zu ihrer Region und den Menschen und engagieren sich zeitlich, aber häufig auch finanziell. Das imponiert mir. Strukturell mag ich die große Branchenbreite der vielen bodenständigen Unternehmer im Kreis Gütersloh. Was manchmal fehlt, ist etwas Sonne. Deshalb: Wenn ich wegmüsste – was ich definitiv nicht will – dann ginge es in den Süden: dorthin, wo es eine Schönwetter-Garantie gibt.“