Berufliche Weiterbildung in der Volkshochschule Gütersloh
Text: Susanne Zimmermann . Fotos: Detlef Güthenke
Arbeit 4.0, New Work, KI, Work-Life-Blending – die Nomenklatur der aktuellen Arbeitswelt kann Schnappatmung auslösen. Ein wenig Resilienz wäre hier willkommen, aber was ist das nun wieder genau? Fragen über Fragen, berufliche Weiterbildung verspricht Antworten, aber das Feld ist weit. Gutes wiederum liegt nahe, denn im großen Kreis der Anbieter haben die Volkshochschulen ihren festen Platz – mit einem Programm, das ebenso berufliche Alltagsanforderungen ins Visier nimmt wie Grundsatzfragen zur Zukunft der Arbeit, die ja bekanntlich immer schon begonnen hat, wenn wir beginnen, darüber nachzudenken. Ein „Bildungs-Check“ mit Dr. Elmar Schnücker, dem Leiter der Gütersloher Volkshochschule, über Anforderungen an berufliche Weiterbildung, über das Ohr am Puls der Zeit und einen Imagewandel, den die VHS für sich selbst längst vollzogen hat.
Rhetorik im digitalen Bereich“, „Selbstorganisation und Zeitmanagement“: Online-Konferenzen und Home Office erfordern eine andere Kommunikation als Präsenzarbeit. Den Bedarf für Weiterbildung in diesem Bereich hat die Volkshochschule laut Elmar Schnücker bereits vor der Pandemie erkannt, Corona brachte hier eine zusätzliche Dynamik. Der Bedarf schloss auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der VHS mit ein, denn als Alternative vor Ort wurden seinerzeit kurzfristig Online-Kurse entwickelt. Für viele Dozenten und Dozentinnen war das ebenfalls ein neues Arbeitsfeld. Etabliert hat sich daraus das Angebot „vhs@home“ – komplette Online-Veranstaltungen oder die Möglichkeit, sich zu Präsenzveranstaltungen zuschalten zu können.
„Damit haben wir den Kreis der Teilnehmenden noch einmal erweitern können,“ sagt Schnücker. Neue Formate für die berufliche Weiterbildung sind ebenfalls auf diesem Weg entstanden: kompakte Kurzseminare etwa zu speziellen Rechtsfragen, die an einem Vormittag am Arbeitsplatz absolviert werden können. Die VHS im denkmalgeschützten Gebäude an der Hohenzollernstraße in Gütersloh verfügt in den Unterrichtsräumen über die entsprechende Ausstattung: schnelles WLAN, Smartboards und die sogenannte „Eule“, eine mobil einsetzbare 360-Grad-Kamera, die jeweils die Sprechenden ins Blickfeld nimmt.
Doch der im Programm namentlich ausgewiesene Bereich „Beruf und Digitales“ deckt laut Schnücker nur einen Teil des Angebots ab. „Im Grunde zieht sich die berufliche Weiterbildung durch das gesamte Angebot der Volkshochschule”, betont der VHS-Leiter und nennt als Beispiele Fremdsprachen, Gesundheit und Persönlichkeit, aber auch die Kreativkurse. Das Thema „Resilienz“, mentale Stärke in belastenden Situationen, hat hier einen Ort: „Entspannung durch Achtsamkeit und Meditation“ ist dabei nur ein Angebot der Wahl, Yoga oder gezieltes Rückentraining könnte ein anderes sein. „Wie Stress unser Denken und Handeln beeinflusst“ bietet Ursachenforschung und zeigt Möglichkeiten zum Gegensteuern auf. Ein „Tag der Kreativität und Entspannung“ schafft mit kleinem Teilnehmerinnenkreis Freiräume im Malen und in Entspannungsübungen.
Freiräume hält sich auch die Volkshochschule offen mit „Bildung auf Bestellung“. Das sind individuell nach den Wünschen der Kunden zusammengestellte Fortbildungen, Trainings oder Workshops. Hier zeigt sich besonders deutlich, welche neuen Wege die Volkshochschulen generell in den vergangenen 20 Jahren eingeschlagen haben: Mit maßgeschneiderten Angeboten an Unternehmen und Institutionen erschließen sie neue Teilnehmerkreise. „Unsere Kompetenz sind nicht die rein fachspezifischen Fortbildungen in den einzelnen Berufen,“ antwortet Elmar Schnücker auf die Frage, inwieweit die VHS hier in Konkurrenz zum Kreis der übrigen Anbieter tritt. Ihre Stärke sei die Vermittlung von Basis-Skills und die Stärkung der Kompetenzen Fähigkeiten für den Arbeitsalltag.
Ein weiterer Baustein komplettiert das Angebot der VHS im Bereich der beruflichen Bildung: die Bildungsberatung – landesgeförderte Unterstützung für Fachkräfte, die gezielt nach umfassenden Fortbildungsmöglichkeiten in ihrem Beruf Ausschau halten oder auch nach ganz neuen beruflichen Perspektiven suchen.
Trends erspüren, Bewährtes erhalten und Neues
wagen: Sich immer wieder neu erfinden bleibt Motor einer mehr als 100 Jahre alten Institution, die „Bildung für alle“ in ihrem Leitbild festgeschrieben hat. Die Bandbreite der Themen und der gewollte niedrigschwellige Zugang zu allen Angeboten hat den Volkshochschulen im Lauf der Jahrzehnte immer wieder mal das Image eines bildungsbürgerlichen Gemischtwarenladens eingebracht. Das Gegenteil ist der Fall . Rund 7.500 Menschen haben seit 2018 die Kurse „Deutsch als Zweitsprache“ bei der VHS gemacht, rund 2.500 haben in dieser Zeit eine Prüfung absolviert. Allein den Lockdowns während der Pandemie ist geschuldet, dass diese Kennzahlen zwischenzeitlich zurückgegangen sind und sich nun wieder langsam auf das gewohnte Niveau einpendeln.
Kursabschlüsse mit europäischer Anerkennung gehören ebenfalls zum Portfolio der beruflichen Weiterbildung. Dafür steht unter anderem „Xpert“, eine vom deutschen VHS-Verband entwickelte und eingetragene Marke. Ihr Merkmal: zertifizierte Standards für fachliche und persönliche Kompetenzen in der beruflichen Weiterbildung von Business Skills bis Nachhaltigkeit („Xpert Green Future“).
Zertifizierte Qualität zeichnet auch die Volkshochschule Gütersloh selbst aus. Seit 2005 – damit war sie eine der ersten ihrer Zunft – lässt sie ihre eigenen Standards regelmäßig nach ISO-Norm überprüfen. Entwicklungsprozesse neuer Themen, Kommunikation nach innen und außen, Beschwerdemanagement, Planungszyklen, Evaluation der Angebote und Kennzahlen-Entwicklungen sind Kriterien, nach denen das gesamte Angebot von extern Prüfenden unter die Lupe genommen wird. Im Drei-Jahres-Rhythmus steht jeweils die nächste Zertifizierung an.
Die Zukunft hat VHS-Leiter Elmar Schnücker fest im Blick. Volkshochschule Gütersloh 2030 inklusive ihrer beruflichen Weiterbildung ist für ihn ein Ort der „Bildung und Begegnung in einem zeitgemäßen Ambiente“ („und damit meine ich wirklich auch den realen Ort“), ein Ort mit einem „guten digitalen und hybriden Angebot auf hohemtechnischen Niveau“, eine Institution, „die noch besser vernetzt ist als heute“. Und, so möchte man hinzufügen, als Ort an dem Work-Life-Balance gelehrt und gelebt wird.