Vor 13 Jahren gründeten zwei musikbegeisterte junge Langenberger das Musiklabel „Tonetoaster Records“. Sie hatten einfach Lust, die Musik „ihrer“ Musiker zu vermarkten. Seit 2011 führt Michael Langewender das Label alleine und hat bis heute ungefähr 35 Alben veröffentlicht.

Text: Dr. Silvana Kreyer | Fotos: Detlef Güthenke  

Wie mutig oder verrückt muss man sein,  in einem ostwestfälischen Ort mit knapp 9.000 Einwohnern ein eigenes Label zu gründen und CDs und LPs zu produzieren? Mit einem entspannten Lächeln beginnt Langewender seine Geschichte. „Musik war schon immer da. Erst die Blockflöte in der Grundschule, dann das Gitarrenspiel in einer kleinen Band“. Mit musikaffinen Freunden hat er viel Musik gehört. „Das höchste der Gefühle war zu der Zeit jedoch der Kassettenrekorder mit Doppeltapedeck“, so Langewender. Prägend war die Zeit Als Langewender anfing viel zu Konzerten zu gehen, wollte er mehr über die Hintergründe wissen, wie der Vertrieb oder die Aufnahmen von CDs funktionieren.  

Die erste Erfahrung war super

Dann ging alles sehr schnell. Sein Langenberger Freund Frank Scheller hatte ein Studio zuhause. Die Idee war geboren.  „Wir könnten doch ein paar Musiker ansprechen und über eine Labelgründung nachdenken“, so Langewender, der gerade ein Thema für seine Diplomarbeit an der Fachhochschule Bielefeld in BWL suchte. Er durfte ein „schönes, praxisnahes Thema“ wählen, das aus zwei Blöcken bestand: „Dem Thema ‚Der Wandel in der Musik durch die Einführung von MP3‘ und dem Businessplan für ein Label. Letzteres haben Scheller und Langewender dann tatsächlich 2008 umgesetzt und gründeten die eigene Firma „Tonetoaster Records“. So peppig der Namen – „man brennt ja etwas auf CD und toastet Töne darauf“ – so gut passte das Logo, das Langewenders Schwester Katharina dazu entwarf. Einer fand das Logo so gut, das er es sich sogar tätowieren ließ. „Das Ist ja schon eine Auszeichnung“, lacht Langewender herzlich.  

Ihre erste Produktion haben sie mit dem australischen Singer Songwriter Gordon Reeves mit einer Auflage von 2.000 Stück komplett selber gemacht. Dazu brauchten sie nicht viel. Die erste Erfahrung war super: „ In einem kleinen Homestudio kann man ganz gute Ergebnisse erzielen und auch schnell veröffentlichen“. Sie lernten weitere Bands und Musiker kennen, fuhren nach Irland und produzierten danach CDs mit den Iren Gordon Reeves und The Mighty Stef. Mit Begeisterung machten sie weiter. Immer mehr Singer Songwriter kamen dazu, die vor allem in Deutschland noch unbekannt waren. Bald wurden die Eigenproduktionen der CDs weniger, und sie kauften Produktionen ein. Immer stand das Persönliche im Vordergrund. „Die Musik musste uns gefallen und die sogenannte Chemie stimmen“,  so Langewender, der gleichzeitig nicht nur hier vor Ort, sondern auch Deutschlandweit Touren für seine Musiker organisierte.   

Begeisterung ist gut, aber konnte Langewender davon leben? Auch wenn er seit 2008 als „One-Man-Show“ durchgehalten hat, finanziell ist sein Unternehmen gerade einmal plus minus null aufgegangen. Trotzdem kann er von der Musik nicht lassen.  Erneut hat er den Mut gehabt und sich einen Traum erfüllt:  Im Jahr 2014 ließ „Tonetoaster Records“ seine erste Schallplatte in kleiner Auflage pressen. Dass er damit voll im Trend lag, interessierte ihn nur am Rande, obwohl die Zahlen beim Vergleich des Schallplatten- und CD-Verkaufs für sich sprachen. Aktuell sieht es so aus, dass die CD-Verkäufe in Deutschland um 22,9 Prozent zurückgegangen sind und die Vinylverkäufe mit 4,6 Prozent im Jahr 2020 seit 2006 kontinuierliche Zuwächse verzeichnen. Das ist nicht vergleichbar mit den USA, die oft als Vorboten für Trends gelten und wo die Vinylverkäufe erstmalig seit 1980 die CD-Verkäufe überholt haben.   

Faible für Vinyl

Der junge Langenberger kommt ins Schwärmen über sein Faible fürs Vinyl: „Ich mag das Format und den Hörgenuss mit allen Sinnen“. Allein das Auflegen der Schallplatte ist ein besonderer Moment, denn sie will sorgfältig behandelt werden. Er genießt den warmen Klang, die Klangfülle der Songs und das kompromisslose Eingehen auf den vom Künstler aufgebauten Spannungsbogen. „Das ist viel mehr, als nur Musik zu konsumieren“, sagt Langewender mit strahlenden Augen. In den vielen kostenlosen Downloads und im Streamen sieht er die Musik irgendwie entwertet. Für den LP-Fan ist Gesamtpaket faszinierend: „Die Ausgestaltung und Größe des Covers, vielleicht noch ein Poster als Goody, schöne Fotos und die Haptik“. Welch ein Unterschied dazu beim Auspacken einer CD aus dem Plastikcase. Fotograf Detlef Güthenke stimmt in die Begeisterung mit ein: „Die Schallplatte, das Cover, das sind einfach schöne Objekte“. Kein Wunder, dass es ihm gelungen ist,  das sinnliche Erlebnis fotografisch grandios einzufangen.   

Aber was, wenn das nur eine subjektive oder emotionale Wahrnehmung ist? Hört sich die Schallplatte wirklich besser an als eine CD? Scheinbar doch, denn Langewenders Argumente sind ebenso schlüssig und werden von Phonospezialisten bestätigt. Auch sie sprechen von einer höheren Klangdynamik der LP. Weil das Tonsignal nicht in Datenpakete zerhackt wird, sind die Unterschiede zwischen Laut und Leise größer und damit das Musikerlebnis lebendiger. Technische Details, wie die Begrenzung der Tonüberübertragung auf 20.000 Hertz bei einer CD setzen klanglich Grenzen. Bei der analogen Vinylplatte sind es die Rillen, die Original-Tonschwingungen nachzeichnen und damit das gesamte Klangbild positiv beeinflussen.   

„Plattenkäufer nicht die breite Masse“

Natürlich leugnet Langewender nicht den Riesenfortschritt der CD,  ist aber wie viele Hi-Fi-Enthusiasten überzeugt davon, dass die Klangqualität nicht an die der analogen Vinylplatte herankommt. Gleichzeitig sieht er in seinem 2020 eröffneten „Sound Store“ im Industriegebiet in Langenberg, „dass Plattenkäufer nicht die breite Masse“ sein werden.   Und er weiß, dass er mit seinem Plattenladen zu einer „fast ausgestorbenen Spezies“ gehört. Aber gerade durch seine zunehmend jüngeren Käufer,  wie sie die LPs in die Hand nehmen, lange verweilen und ganz bewusst ihre Auswahl treffen, fühlt er sich dann doch bestätigt. In seinem Laden verkauft er neben seinen eigenen Einspielungen, auch ausgefallene andere Alben, die das Besondere seines kleinen Sortiments ausmachen. Vinyl ist einfach wieder cool! 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert