Erhard Kanicki ist mit seinem Traveller Studio in der Welt der Musik zuhause. Ein Besuch in Gütersloh.

Es dauert nicht lange, da hält Erhard Kanicki eine Single von den Hopfen & Malz Supporters in der Hand. Einer Bluesband aus Bielefeld, die Insidern ein Begriff ist. 1991 ist das Vinyl mit vier Songs erschienen und längst vergriffen. „Das ist die erste Platte, die ich aufgenommen habe“, erklärt Erhard Kanicki. 30 Jahre später hat er sie zum Geburtstag geschenkt bekommen. „Das war wirklich eine gelungene Überraschung.“
Wer auf dem digitalen Marktplatz „discogs“ nach Aufnahmen von Erhard Kanicki und seinem Traveller Studio sucht, kommt auf über 30 Treffer. Die Hopfen & Malz Supporters tauchen auf, ebenso die zahlreichen Veröffentlichungen der Bielefelder Kinderrockband „Randale“, für deren guten Ton Erhard Kanicki von Beginn an sorgte. Viele regionale Künstler aus unterschiedlichen Genres von Pop über Blues bis zu Jazz und Kindermusik und Metal sind darunter. Manche von ihnen, wie Xandria oder Marco Heggen, haben später beachtliche Erfolge in der Musikbranche erzielt.
Längst nicht alle Produktionen, an denen der Gütersloher beteiligt war, werden auf der discogs-Webseite aufgeführt. Da sind zum Beispiel Hörbücher wie „Antonius Primelmann“ oder die Musical-CD der Musikschule Gütersloh „Grüße aus der Antarktis“. Letztgenannte CD ist während der Corona-Pandemie entstanden. „Das war schon ein enormer Aufwand, da wir aufgrund der Hygienebestimmungen die Sänger und Musiker einzeln aufnehmen mussten,“ so der Studioinhaber. Überhaupt brauchte er sich in den Corona-Monaten nicht über Aufträge zu beklagen. „Viele haben zuhause Musik aufgenommen und dann die Sachen zur Bearbeitung zugeschickt.“

Ob für Kassetten, Schallplatten, CDs oder Streaming-Portale: Erhard Kanicki hat in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche musikalische Ideen von Bands oder Solokünstlern umgesetzt. Angefangen hat alles in Bad Oeynhausen. Dann ging es mit dem Traveller Studio auf Reisen. Mehrere Jahre lang betrieb er es mit einem Kompagnon in Halle/Westfalen. Seit nunmehr 14 Jahren ist das Studio in Gütersloh beheimatet, wo Erhard Kanicki gemeinsam mit seiner Frau lebt. Das Tonstudio für Sprachaufnahmen, Band-Recording, Mixing und Pre-Mastering ist im Laufe der Jahre mal gewachsen, mal geschrumpft. Mittlerweile unterhält Kanicki unter seinem Dach einen Raum voller Aufnahmegeräte, Bildschirme, Lautsprecher, Mikrofone und unzähligen Kabeln sowie ein kleines schallisolierbares Nachbarzimmer. Eben was man so braucht, um Musik hör- und genießbar zu machen. „Für größere Aufnahmen fahre ich mittlerweile in die Proberäume und baue dort mein Equipment auf.“ Mitunter mietet er für Aufnahmen ein Studio wie das von Watt Matters in Gütersloh an. Meistens aber reist er zu den Bands zum Beispiel nach Warendorf, Bielefeld oder Minden. Die verschiedenen Aufnahmeorte zu erleben, sei sehr spannend. Ein einsames, im Wald gelegenes Wohnhaus ist ebenso vertreten wie ein Kriegsbunker, der in den Alptraum-Charts ganz oben steht.

Egal an welchem Ort: Der Austausch mit den Musikern ist nicht immer einfach, aber meistens fruchtbar. Erhard Kanicki nimmt sich viel Zeit für die Beratung. Bereits im Vorfeld gilt es wichtige Fragen zu klären: Wofür sind die Aufnahmen gedacht? Gibt es Vorbilder für den Sound? Dass seine Expertise geschätzt wird, zeigt die Tatsache, dass sich viele seiner Kunden kennen. Aufträge erhält er nicht zuletzt aufgrund von Empfehlungen.
Einer seiner treuen Kunden ist Jochen Vahle, Sänger der Kinderrockband „Randale“. Er erinnert sich: „In den neunziger Jahren wollten wir mit meiner damaligen Band Thirty Dirty Birdz ein Album aufnehmen, das wie die Musik von Rage Against The Machine klingt. Also bin ich zu Erhard Kanicki gegangen. Doch der hat nur mit dem Kopf geschüttelt und haarklein erklärt, warum das nicht klappen wird.“ Rage Against The Machine hätten die Instrumente komplett anders eingesetzt als die Crossover-Band von Jochen Vahle. „Wenn ihr so klingen wollt wie die, müsst ihr auch so spielen“, lautete der Rat vom Soundfachmann. Erhard Kanicki lacht, als die Rede auf das lange zurückliegende Gespräch mit Jochen Vahle kommt. „Vergleichbare Diskussionen habe ich mit einigen Künstlern geführt.“

Wer mit Erhard Kanicki spricht, merkt gleich, dass hier jemand von einer großen Leidenschaft für Musik angetrieben wird. Und dass hier einer für alle Kunden, seien es Hobbymusiker oder ambitionierte Acts, das Bestmögliche herausholen möchte. Dabei führte ihn sein ursprünglicher Beruf gar nicht auf musikalische Pfade. Kanicki hatte Maschinenbau gelernt, bis er über eine Anstellung bei einem Beschallungsunternehmen zur Musik fand. Er begleitete Big Bands auf Tourneen – seine Leidenschaft war geweckt. „Wenn ich daran denke, wie viele wunderbare Künstler ich in all den Jahren erleben durfte“, blickt er zurück. Außergewöhnliche Events wie „Jazz on Sea“ oder das Jazz Festival in Vlotho waren darunter. „Ich durfte auch bei der Reihe ‚Jazz in Gütersloh‘ unter dem langjährigen Organisator Josef Honcia arbeiten und habe dort namhafte Künstler wie Maceo Parker kennengelernt.“ Überhaupt hat er bei vielen Jazz-Größen am Mischpult gestanden: bei Klaus Doldingers Passport oder Nils Peter Molvaer etwa.

Ob Jazz, Pop, Singer-Songwriter oder Kindermusik: Kanicki hört Musik nicht nur als Fan oder einfacher Konsument, sondern immer auch mit dem Blick des Tonexperten. „Das innere Ohr lässt sich nicht einfach ausschalten“, sagt er. Und das innere Ohr will geschult sein. Der Gütersloher liest viel Fachliteratur, besucht Tontechnikertagungen oder tauscht sich mit Kollegen aus. Da geht es um Trends beim Pre-Mastering oder ums Equipment.
Denn geändert hat sich in dem dynamischen Musikmarkt in den vergangenen Jahren jede Menge. „Die Digitalisierung hat viel bewegt“, führt der Besitzer des Traveller Studios aus. „Früher habe ich 16.000 D-Mark in eine Bandmaschine investiert, heute mache ich mir Gedanken über neue digitale Mischpulte oder Softwarelösungen.“

Am liebsten hört der Fachmann trotz aller Trends übrigens immer noch CD, schließlich handele es sich bei den vor allem von jungen Menschen konsumierten Streaming-Dateien um eine vielfach reduzierte Komprimierung einer CD-Aufnahme. Allerdings werde es in Zukunft auch auf diesem Feld bessere Lösungen geben, so Kanicki, und verweist auf das sogenannte FLAC-Format. Anders als MP3 oder AAC lassen sich mit dem Free Lossless Audio Codec Audiodateien verlustfrei speichern.

Wenn Erhard Kanicki über Musik spricht, kennt er beide Seiten – die vor und die hinter dem Mischpult. Denn der Gütersloher hat selber hinterm Schlagzeug oder dem Keyboard gesessen. Er hat früher in Bands wie The Real Big Deal gespielt und unterstützt auch heute noch Musiker wie Astrid Berenguer bei der Aufnahme eines neuen Songs am Cajon.

Obwohl die Musik ein so wichtiger Bestandteil seines Lebens ist, hat er sich vor ein paar Jahren ein zweites Berufsfeld gesucht: Mehrere Tage in der Woche arbeitet er seitdem als Reha-Berater im Gesundheitsbereich, zwei Tage pro Woche sind für Musikaufträge eingeplant. Die Unwägbarkeiten in der Musikwelt waren ihm damals zu groß. Bereut hat er die Entscheidung nicht. Vielmehr genießt er es, sich ohne großen finanziellen Druck um verschiedene Musikprojekte kümmern zu können. Damit auch künftig Bands aus der Region Schallplatten oder CDs veröffentlichen können.

Autor: Andreas Beune

Foto Person
Erhard Kanicki im heimischen Traveller Studio in Gütersloh.

Foto Studio
Viel Technik für gute Audioinhalte.

Foto Plattencover
So sah die erste Vinyl-Single der Hopfen & Malz Supporters aus, die Erhard Kanicki 1991 abgemischt hatte.

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