Von kleinen Nixen und Neptuns im Mini-Format

Fotos: Detlef Güthenke

Die Zahl der Nichtschwimmer ist in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen, und die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) schlägt Alarm. Insbesondere Kindern fehlt diese überlebensnotwendige Fähigkeit: 20 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren können nicht schwimmen. Im Kreis Gütersloh indes gibt es gute Schulungsorte, um Schwimmen zu lernen. Ohne Angst und mit viel Spaß.

Schwimmschule neu gegründet
Die gute Nachricht vorweg: Wer einmal schwimmen kann, der verlernt es nie mehr. Doch: Diejenigen, die sich im kühlen Nass tatsächlich sicher und souverän obenauf halten können, werden immer weniger. Gerade nach der Corona-Epidemie wird die Gesellschaft von Nichtschwimmern überflutet – und das, obwohl Schwimmen an unseren Schulen zu den sogenannten Pflichtsportarten gehört. Damit diese Welle gebrochen wird, haben Daniel Kowollik und Jonas Benjamin eine Schwimmschule mit mehreren Standorten im Kreis Gütersloh gegründet. Ihre Schwimmschule ist Teil des Franchise-Unternehmen Flipper. Das Netz dieser Schwimmschulen, das unter dem Motto „Spielend schwimmen lernen“ steht, zieht sich an vielen Standorten über Deutschland und erstreckt sich auch auf Urlaubs-Resorts.

Plitsch platsch, rein ins Nass
„Pitsch!“, rufen die Trainer – „Nass!“, ertönt es zurück aus zehn lautstarken Kinderkehlen, die nur darauf warten, das Wasser zu erobern. Und dann geht es auch schon los: Sicher ausgerüstet mit quietsch-orangenen Schwimmflügeln und -Luftsäckchen stürzen sich die Kleinen begeistert in die Fluten des Bassins im LWL Gütersloh: Zunächst wird gespielt, dann „richtig trainiert“. „Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser?“, gehört zu den Dauerbrennern unter den Begrüßungsspielen, aber auch „Feuer und Wasser“ ist beliebt und das Imitieren von Meerestieren.
Während des 30- bis 45-minütigen Kurses kümmern sich drei bis vier Trainer um bis zu zehn Kinder und Schulen in Kleingruppen an verschiedenen Stationen. Die Eltern warten vor einer großen Glasscheibe und beobachten die fröhlichen Wasserratten, die sich gerade bei der „Affenrunde“ amüsieren und mit starken Armen und lautem Lachen den Rand des Beckens entlang hangeln.

Spielerische Akzente
Im Wasser kratzen vier Kinder eine riesige unsichtbare Schüssel aus – als wenn sie beim Backen die letzten Reste naschen – so jedenfalls verbildlicht Trainerin Alina die Armebewegung fürs Brustschwimmen, wie ein Frosch ziehen und strecken die Kids ihre Beine.
Mit einem mutigen Satz springt die Gruppe von Coach Jakob nacheinander ins 31 Grad warme Wasser und beweist: Es ist gar nicht schlimm, wenn das Wasser rund um einen herum aufspritzt. Dass man unter Wasser die Augen öffnen und auch richtig sehen kann, führen Thilo, Elias und Emily bei der Station „Fischauge“ vor, bei der bunte Ringe im Wasser farblich benannt werden.
„Kinder erlernen bei uns Grundfertigkeiten des Schwimmens, wie Tauchen, unter Wasser ausatmen, Schweben, Gleiten und Springen. Am Ende des Kurses sollten sie in der Lage sein, sich mit Brustschwimmbewegungen ein paar Meter im Wasser vorwärtszubewegen. Besonders wichtig ist dabei der Gedanke der Selbstrettung. Schwimmabzeichen wie das Seepferdchen sind kein Ziel dieses Kursea“, beschreibt Daniel Kowollik. Zurzeit sind im Kreis Gütersloh 180 Kinder in Flipper- Kursen auf verschiedenen Levels eingeschrieben, betreut von zehn Trainern, auf deren Qualität Daniel und Jonas besonderen Wert.

Kinderlachen statt Tränen
Daniel Kowollik: „Wir setzten beim Schwimmenlernen auf Spielpädagogik. Das heißt, die Kids werden spielerisch mit speziellen Aufgaben und Übungen an das Schwimmen herangeführt und zwar genau passend zu ihrem Leistungsstand und ihrer individuellen Reife. Unsere Schwimmlehrer begegnen den Schwimmschülern Kind mit Einfühlungsvermögen, Empathie und vor allem viel Geduld.“ Ganz wichtig und oberste Priorität: Die Kinder werden zu nichts gezwungen.
Und so kann es schon mal vorkommen, dass Kinder zunächst wieder nach Hause geschickt werden, wenn das Team um Daniel und Jonas feststellt, dass es mit dem Schwimmenlernen derzeit noch überfordert ist: „Viele fragen sich, wie es kommt, dass bereits kleine Kinder regelrecht Panik vor dem Wasser haben“, erläutert Jonas Benjamin und erklärt: „Das ist keine Frage der Erziehung, sondern es kommt viel öfter als gedacht zu Schreckmomenten, die Kinder am und im Wasser erleben: Ob das am Strand ist, wo ihnen plötzlich eine Welle Füße weg- und sie ins Wasser zieht, der Sprung durch den Schwimmring, der in die Tiefe führt, der Fall ins Wasser am Rande des Schwimmbeckens. Plötzlich landen die Kinder im – und noch schlimmer – unter Wasser.“ Solch ein Schock könne ein regelrechte Wasserphobie nach sich ziehen. Nun ist viel Fingerspitzengefühl und Geduld gefragt, um aus dem wasserscheuen Nachwuchs einen künftigen Wasser-Fan zu machen: Kontakt mit dem Wasser im Eimer, in der Wanne, beim Abduschen, Schritt für Schritt wird Vertrauen aufgebaut, bis diese Gewöhnung eine Teilnahme am Schwimmkurs ermöglicht.

Cooles Baby unter Wasser
Alles andere als wasserscheu ist Leano. Der Einjährige ist bereits ein „alter Hase“ im Wasser und dort in seinem Element – dafür lässt er sogar seinen Schnuller an Land.
Im hellblauen Swimsuit plantscht, paddelt und taucht (!) der Pampers-Schwimmer und genießt jeden Moment in den sicheren Armen von Mama Leanne. Die 21-Jährige ist lizenzierte Trainerin und hat den Kleinen schon mit drei Monaten mit ins Schwimmbad genommen. Die Altersangaben, die Fachleute fürs Babyschwimmen empfehlen, variieren mitunter deutlich. Die DLRG findet einen Start ab drei Monaten durchaus okay. Sobald die ihr Köpfchen selbstständig halten können, können sie mit ins Wasser genommen werden. Das wirkliche Schwimmenlernen steht nun noch nicht im Fokus. Zunächst einmal wird beim Babyschwimmen die Eltern-Kind-Beziehung gestärkt. Das frühe Schwimmenlernen bietet Babys, Kleinkindern und Schulanfängern zudem eine Reihe von weiteren Vorteilen: Die anatomische und organische Entwicklung wird gefördert, der Gleichgewichtssinn geschult. Darüber hinaus werden unterschiedliche motorische Erfahrungen durch die Vielzahl an Bewegungsmöglichkeiten im Wasser gesammelt.

Abtauchen oder nicht?
Halt doch mal die Luft an – das ist der Grundgedanke, mit dem Säuglinge in manchen Baby-Schwimmkursen unter Wasser gedükert werden. Aus ihrer Zeit im Mutterleib umgeben von Fruchtwasser, haben Säuglinge nämlich den Tauchreflex mit in die Welt gebracht, ein angeborener Schutzmechanismus, der auch beim Untergehen im Wasser einsetzt. Die Babys können dabei allerdings nicht – wie fälschlicherweise oft geglaubt wird – unter Wasser atmen und sich mit Sauerstoff versorgen. Aber: Sie schlucken immerhin kein Wasser, denn die Atmung setzt umgeben von Wasser aus. So beliebt und anerkannt das Babyschwimmen inzwischen ist, so umstritten ist dieses Babytauchen. Gegner monieren einen Vertrauensmissbrauch, denn das Baby könne dem Untertauchen nicht zustimmen und würde womöglich nachhaltig verschreckt. Zudem könne man gar nicht genau abschätzen, bis zu welchem Alter der Atemschutzreflex funktioniert. Würden die Babys also anders als geplant Wasser einatmen, könne es zum sogenannten „sekundären Ertrinken“ kommen. Dem widerspricht Daniel Kowollik: „Um so viel Wasser zu verschlucken, dass es gefährlich wird, müsste man das Baby schon 30 Sekunden unter Wasser halten, mindestens – und das tut bei uns keiner!“ Damit Leanne sicher sein kann, dass Leano nicht doch aus Versehen unter Wasser einatmet, pustet sie ihm zuvor ins Gesicht – dieser Trick, so verrät die Schwimmausbilderin, habe sich bewährt. Beachtet man das strahlend-stolze Lächeln, mit dem der Knirps wieder auftaucht, kann man ziemlich sicher sein: Nass macht Spaß!

Nachgefragt bei Daniel Kowollik

Können die Kleinen im Anschluss an einen Schwimmkurs tatsächlich schwimmen?
„Wenn wir an Schwimmen denken, hat jeder von uns bestimmte Bilder im Kopf – geprägt von eigenen Erfahrungen und Erwartungen. Für ein gemeinsames Verständnis vom Schwimmen brauchen wir deshalb eine klare Definition: Sicheres Schwimmen bedeutet, das Deutsche Schwimmabzeichen in Bronze zu bestehen. Darin sind sich alle wichtigen Institutionen, die sich mit Schwimmen und Wasser beschäftigen, einig. Wir folgen diesem Ansatz und unterteilen den Begriff „Schwimmen“ in zwei Kategorien, nämlich die sogenannte Schwimmfähigkeit und die Schwimmfertigkeit.
» Schwimmfähigkeit bedeutet, mit dem Wasser vertraut zu sein und sich sicher und
zielgerichtet im Wasser bewegen zu können, ohne Hilfsmittel zu benötigen.
» Schwimmfertigkeit ist die Fähigkeit, eine längere Strecke von mindestens 200 Metern
in einer der vier Schwimmstile mit der richtigen Technik zu schwimmen. Um Schwimmfertigkeit zu erlangen, muss man zuerst die Schwimmfähigkeit beherrschen.“

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