Fotos: Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe
Der Schlaganfall traf Birgit Rosenberger aus heiterem Himmel und ohne jede Vorwarnung. Dass sie heute, mehr als drei Jahre danach, wieder mitten im Leben steht, verdankt sie neben ihrem großen Lebenswillen und einer konsequenten Lebensführung auch der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe.
Sprachstörrungen, Probleme beim Gehen, kognitive Einschränkungen – die Auswirkungen des Schlaganfalls sind massiv und treffen die damals 63-Jährige völlig unerwartet. In einer Situation, in der bereits „ein wenig Endzeitstimmung“ aufkommt, erhält sie unerwartet Unterstützung von Catrin Uchtmann, Schlaganfall-Lotsin im Netzwerk der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Sie unterstützt Birgit Rosenberger sowohl in der Reha-Klinik als auch später zu Hause und wird für sie zur engen Vertrauten. Gemeinsam bewältigen sie die schwierige Situation und schaffen es, der ehemaligen Gastronomin sowohl gesundheitlich als auch beruflich wieder neue Perspektiven zu eröffnen. Eine Wendung, die Birgit Rosenberger bis heute mit Dankbarkeit erfüllt: „Ich bin so froh, dass sie in dieser Situation da war. Jeder Mensch, der von einem Schlaganfall betroffen ist, sollte eine so hervorragende Lotsin an seiner Seite haben.“
Verhinderung ist der beste Schutz
Rund 270.000 Menschen erleiden jährlich in Deutschland einen Schlaganfall. Bis zu 40 Prozent aller Schlaganfall-Betroffenen versterben innerhalb des ersten Jahres. Für jene, die den Schlaganfall überleben, beginnt in der Regel ein beschwerlicher Weg zurück ins Leben, der oft Jahre dauert. „Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall ist für die Betroffenen echter Leistungssport und vergleichbar mit einem Marathon. Was diese Menschen über einen langen Zeitraum leisten müssen, um die Folgen des Schlaganfalls zu überwinden, ist enorm“ weiß Sylvia Strothotte, stellvertretende Vorsitzende der Stiftung. Seit 1993 kümmert sich die von Liz Mohn ins Leben gerufene Organisation um Schlaganfall-Patienten in Deutschland. Dabei geht es um direkte Hilfen für Betroffene und deren Angehörigen, aber auch um Prävention. Eine Ausrichtung, die nachweislich Früchte trägt: Dank Liz Mohn haben sich in Deutschland Schlaganfall-Spezialstationen etabliert, mittlerweile gibt es mehr als 350. Durch diese sogenannten Stroke Untits und eine verbesserte Aufklärungsarbeit überleben mittlerweile doppelt so viele Menschen einen Schlaganfall wie noch vor 30 Jahren.
Eine Strategie, die richtungsweisend für die Zukunft ist, sagt Sylvia Strothotte: „Der beste Weg, Menschen vor den Folgen eines Schlaganfalls zu schützen, ist die Verhinderung des Schlaganfalls. Daher ist uns Aufklärung über die Erkrankung und das richtige Notfallverhalten auch so wichtig. Schließlich entscheiden die ersten Stunden darüber, wie schwer die Folgen des Schlaganfalls und wie groß die Einschränkungen sein werden, die die Patienten dann oft den Rest ihres Lebens begleiten.“
Menschen helfen
Der Schlaganfall trifft Menschen allen Alters. Selbst Ungeborene im Mutterleib können davon betroffen sein. Unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft ist er aber für alle Betroffenen gleichermaßen ein zentraler Einschnitt in ihr Leben, weiß Sylvia Strothotte: „Der Schlaganfall stellt das Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf. Nichts ist mehr so wie es war und vieles muss wieder von Anfang an erlernt werden. Dazu gehören Sprache, Gestik und Mimik ebenso wie das Ausführen von einfachen Handgriffen oder anderen Bewegungsabläufen.“ Eine dramatische Situation für die Betroffenen, aber auch deren Angehörige und Familien, die sich unversehens mit einer Vielzahl von Regelungen und Richtlinien auseinandersetzen müssen. Oft wenden sie sich dann an die Experten der Schlaganfall-Hilfe, die ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. „Allein 2023 haben wir mehr als 15.000 Anrufe und Anfragen per Mail erhalten. Mal ging es nur um einen fachlichen Rat oder die Bestellung einer Broschüre, mal aber auch einfach darum, sich Zeit zu nehmen und zuzuhören. Schließlich steckt hinter jeder Kontaktaufnahme ein Schicksal, das oft wirklich bewegend ist“, berichtet Vanessa Dreibrodt, Referentin politische und Projekt-Kommunikation der SDSH.
Hand in Hand: Schlaganfall-Lotsen und Schlaganfall-Helfer
Bei der SDSH endet die Unterstützung von Schlaganfall-Patienten und ihren Angehörigen aber nicht mit einem Telefonat oder einer Mailnachricht. Bereits seit 2012 helfen sogenannte Schlaganfall-Lotsen Betroffenen, sich in der neuen Situation mit all ihren Herausforderungen möglichst schnell zurechtzufinden. Mit dem Start der Rehabilitationsmaßnahme stehen die Lotsen an der Seite des Patienten und kümmern sich um dessen Belange, eine Arbeit, die später zu Hause ihre Fortführung findet. Vanessa Dreibrodt: „Unsere Lotsen kommen oft aus der Pflege und haben eine entsprechende Weiterbildung als Case- und Care-Manager absolviert. Für die Patienten sind sie Coach und Kümmerer gleichermaßen. Sie kümmern sich beispielsweise um organisatorische Belange, koordinieren die Termine und kontrollieren die Medikamenteneinnahme. Gleichzeitig leiten sie Übungen an und motivieren, wenn es mal nicht so gut läuft. Ihre Aufgabe ist es, den Patienten wieder so fit zu machen, dass er mit Hilfe eines Versorgungsnetzwerkes wieder für sich selbst sorgen kann.“
Ein Jahr lang kümmern sich die Lotsen um ihre Patienten, dann endet ihr Einsatz. An ihre Stelle tritt, sofern die Patienten dies wünschen, nun der ehrenamtliche Schlaganfall-Helfer, der die Arbeit mit dem Patienten fortführt mit dem Ziel, ihn im Alltag zu unterstützen und die Entwicklung von kognitiven und körperlichen Fähigkeiten zu stabilisieren und zu fördern. Hans-Dieter Wellerdiek ist einer dieser zurzeit rund 600 ehrenamtlichen Helfer bundesweit, die für die Schlaganfall-Hilfe tätig sind. Seit der Absolvierung einer mehrtägigen Schulung kümmert sich der Ruheständler um Menschen, die unter den Folgen eines Schlaganfalls leiden. Eine Aufgabe, an deren Anfänge er sich noch gut erinnert: „Mein erster Patient, der vor dem Schlaganfall sportlich sehr aktiv war, hatte ein klares Ziel. Er wollte wieder laufen können. Also sind wir gemeinsam regelmäßig miteinander spazieren gegangen. Anfangs nur wenige Schritte, später dann dank der regelmäßigen Übung eine ganze Stunde. Für mich war das eine großartige Erfahrung, für ihn ein wichtiger Schritt zurück ins Leben.“

Aus Erfahrung lernen – systemisch helfen
Erfahrungen von Betroffenen und Helfern, die nicht nur Mut machen, sondern gleichzeitig die Grundlage für strukturelle Verbesserungen und neue Initiativen sind, weiß Frederike Prisett, Projektmanagerin Schlaganfall-Helfer bei der Stiftung: „Als Patientenorganisation suchen wir den Dialog mit den Menschen und lernen von ihnen. Nur so können wir systemisch helfen. Für viele Initiativen, die wir in der Vergangenheit angestoßen haben, kamen die Impulse von den Betroffenen selbst oder von Menschen, mit denen wir im Gespräch sind.“ Bestes Beispiel für diesen konstruktiven Austausch sei ein mehrtägiger Fahrrad-Workshop, der auf Anregung von Betroffenen seither einmal im Jahr angeboten wird. „Hier lernen die Patienten im kleinen Kreis wieder, auf das Fahrrad aufzusteigen, im Stehen das Gleichgewicht zu halten oder einfach entspannt wieder ein paar Meter zu fahren. Für die Teilnehmer/-innen ist es jedes Mal ein großartiges Erlebnis, das ihnen Mut und Kraft für die Zukunft gibt.“
Sich austauschen, Erfahrungen teilen und daraus neue Angebote entwickeln – ein Ansatz, der auch in Kooperation mit anderen Organisationen hervorragend funktioniert. Beispielsweise fördert die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe in enger Kooperation mit dem Behinderten- und Rehabilitationssportverband Nordrhein-Westfalen e.V. (BRSNW) sowie dem Landessportbund Nordrhein-Westfalen e.V. (LSB NRW) die Gründung neuer Rehasport-Gruppen für Betroffene. Verschiedene Servicematerialien helfen den Vereinen, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, Netzwerke zu bilden und neue Teilnehmer für Schlaganfall-Reha-Sportgruppen zu finden. Gleichzeitig weisen Handlungskonzepte und Leitfäden Vereinen und Netzwerkpartnern den Weg zum Sport von Schlaganfall-Betroffenen. Frederike Prisett: „Wir wollen den Menschen die Angst nehmen, sich wieder zu bewegen. Dafür brauchen wir Partner wie die Reha-Sportverbände, die sich mit dem Thema auskennen und bereit sind, uns dabei zu unterstützen.“
Unterstützung, die ankommt
Auch ein Jahr nach dem Schlaganfall bleiben rund 60 Prozent der überlebenden Patienten auf Hilfsmittel, Therapie und/oder Pflege angewiesen. Eine Zahl, die verdeutlicht, wie wichtig die Arbeit der Schlaganfall-Hilfe ist und langfristig auch bleiben wird. Ein Engagement, das in dieser Form allerdings ohne Spenden und finanzielle Zuwendungen nicht möglich wäre. „Zum Glück erfahren wir gerade hier aus der Region eine großartige Unterstützung, die es uns erlaubt, das Thema energisch voranzutreiben. Aber natürlich freuen wir uns über jede Spende, die noch hinzukommt“, hofft Sylvia Strothotte auch zukünftig auf die Unterstützung der Solidargemeinschaft, damit das Thema Schlaganfallversorgung weiter vorangetrieben werden kann. Wie dies gelingen kann? „Die Schlaganfall-Lotsen als Regelversorgung für Betroffene einführen und die Reichweite der Stiftung erhöhen – wenn uns dies in absehbarer Zeit gelingen würde, wäre schon viel gewonnen.“