Fotos: Detlef Güthenke
Die Talentakademie (TA) richtet sich an die Schülerinnen und Schüler, die sich vorstellen können, Musik später einmal zu ihrem Beruf zu machen. Außergewöhnliche Talente, die die Musik lieben, diese als einen enorm wichtigen Bestandteil ihres Lebens schätzen und die auf überdurchschnittlichem Niveau musizieren, finden hier eine besondere Förderung.
Förderung mit Weitblick
Langfristiges Ziel ist es, jungen Talenten, die ein Musik- oder Tanzstudium ins Auge fassen, ihren Weg zu ebnen, indem sie frühzeitig und umfassend auf die Anforderungen eines Studiums vorbereitet werden. Denn: Wer nach der Schule tatsächlich eine Karriere als Musiker oder Tänzer anstrebt, muss in seinem Fach bereits in jungen Jahren ein wirklich hohes Niveau vorweisen – unter anderem wenn es darum geht, die anspruchsvollen Eignungsprüfungen der Hochschulen erfolgreich zu passieren.
Ob man in den erlauchten Kreis der Geförderten aufgenommen wird, entscheidet eine Kommission. „Wir hatten beim ersten Jahrgang fast 30 Anfragen: Pianisten, Streicher, Bläser, aber auch Sänger und eine Harfenspielerin. Sechs Talente haben wir letztlich aufgenommen“, berichtet Holger Blüder, Leiter der Kreis-Musikschule Gütersloh. Sie ist – wie die Schulen in Bünde, Minden, Löhne und Bielefeld – Teil der „Musikakademie OWL“, die von der Zusammenarbeit zahlreicher Musikschulen und Kooperationspartner wie beispielsweise der Hochschule für Musik Detmold oder der Hochschule Osnabrück profitiert. „In der Kreis-Musikschule offerieren wir Unterrichtsangebote für die Breite und mit der Teilnahme an der Musikakademie, der wir seit vergangenem Jahr angehören, nun auch für die Spitze. Das halte ich für ganz wichtig, und ich freue mich, dass diese Form der Begabtenförderung auf so großes Interesse stößt“, so Blüder.
Start in der Quarta
Die Teilnahme an der Talentakademie beginnt mit dem Einstieg in die Quarta. Hier profitieren die Absolventen der TA unter anderem von zusätzlichen Unterrichtseinheiten in ihrem Hauptfach, vergünstigtem Unterricht für ein zweites Instrument sowie kostenfreiem Theorie-Unterricht.
Nach maximal zwei Jahren beginnt die Tertia: Die jungen Musiker besuchen nun auch Workshops an Musikhochschulen, nehmen an Vorspielen mit externer Expertise teil und besuchen ausgesuchte kulturelle Veranstaltungen. In Sekunda und Prima ziehen die Anforderungen an, die Vorbereitung für die schwierige Aufnahmeprüfung an einer renommierten Hochschule wird in Angriff genommen. Bis dahin ist es für Lili und Sönke noch einer weiter Weg: Die ersten Schritte haben die zehnjährige Pianistin und der zwölfjährige Trompeter allerdings gemeistert. Mit Bravour! Die beiden Schüler des Ratsgymnasiums in Rheda-Wiedenbrück gehören zu den Aushängeschildern der hiesigen Musikschule und vertreten den Kreis erfolgreich bei Wettbewerben wie dem renommierten „Jugend musiziert“.
Talentierte Persönlichkeiten
Lili, die sich von ihrer älteren Schwester Qiqi zum Klavierspiel inspirieren ließ, hat ihre familiären Wurzeln in China, ist aber gebürtige und überaus stolze Wiedenbrückerin. Sie konnte sowohl als Solo-Pianistin als auch als Begleiterin bereits erste Preise gewinnen. Unterrichtet wird sie in ihrem Hauptfach von Reiko Nagai. Die schwärmt von ihrem kleinen Wirbelwind an den Tasten: „Lili ist so ein lebhaftes Mädchen mit ganz viel Fantasie – ich mag, wenn sie diese Fantasie, ihren freien Geist in ihr Klavierspiel einfließen lässt.“ Was die Pädagogin zudem schmunzelnd bemerkt: „Man kann Lili zu nichts zwingen – sie muss von einer Übung, einem Stücke überzeugt sein. Dann übt sie voller Hingabe und mit ganz viel Herz.“
Sönke wollte als Steppke unbedingt einem coolen Freund der Familie an der Trompete nacheifern. Der Nachwuchs-Armstrong brilliert ebenfalls in mehreren Kategorien klassisch und – improvisierend – in der Stilrichtung Jazz. Solo, in Bands und orchestral.
Trompetenlehrer Eckhard Vinck attestiert dem Blondschopf das außergewöhnliche Talent, Musik ganz frei zu gestalten: „Sönke empfindet die Musik wie kaum ein Zweiter, er spielt völlig ohne Noten und bleibt dabei in harmonischem Rahmen – er ist ein echter Künstler“. Und ein authentischer noch dazu. Dass Sönke seine Jazz-Vorspiele mit Baseball-Cappie und lässigem Look der goldenen Zwanziger des vergangenen Jahrhunderts gibt, ist ganz typisch für den talentierten Bläser, der nicht nur die Trompete ,sondern auch das Flügelhorn beherrscht – übrigens selbst gekauft und bezahlt mit unzähligen Groschen vom „Klimpergeld“ – aus der Straßenmusik.
Musik macht Spaß
Wenn Lili ihre Finger im Minutenwalzer von Chopin über die Tasten tanzen, Sönke „frei Schnauze“ seine Trompete grooven lässt, fühlt man eines bei diesen beiden Teilnehmern des ersten Jahrgangs der hiesigen TA ganz genau: Klassik muss nicht immer ernst, Kultur kein Korsett und das Lernen von Instrumenten kein verbissener Drill sein. Lili und Sönke spielen ihr Instrument – mit Leidenschaft, mit Fleiß und ganz viel Vergnügen.
faktor³ fragt – Lili Monk antwortet
Sag mal Lili …
Seit wann machst du Musik – und warum hast du dich für das Klavier als dein Instrument entschieden?
Da meine große Schwester Klavier gespielt hat, hatten wir zu Hause immer ein Klavier. Das fand ich schön. So fing ich mit etwa sechs Jahren auch an, Klavier zu spielen. Am Anfang hat meine Schwester mit mir zusammengespielt: Ich spielte die einfachen Töne, sie die eigentliche Melodie. Das hat Spaß gemacht, und ich kann mich noch gut daran erinnern. Nun kann ich die schwierigen Passagen selber spielen…
Wie viele Stunden übst du pro Tag?
Klavier übe ich mindestens 45 Minuten pro Tag und Geige rund 20 Minuten. Ich übe jeden Tag!
Welche Musik hörst du gerne? Nur Klassik oder auch andere Genres?
Also natürlich mag ich Klassik sehr, aber auch andere Genres. Ich höre zum Beispiel gerne Michael Jackson, Blackpink oder die Stray Kids.
Wann spielst du besonders gerne?
Wenn mich ein Stück besonders interessiert.
Ist das Üben manchmal anstrengend?
Ja! Es kommt aber auf das Stück an. Wenn das Stück einfach ist, nicht. Aber wenn es schwierig ist, zum Beispiel mit vielen Oktavengriffen, dann finde ich es schon anstrengend.
Ist deine Musiklehrerin streng?
Nein, gar nicht. Überhaupt nicht, nicht das kleinste bisschen.
Spielst du lieber Konzerte oder für dich allein?
Wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass ich lieber Konzerte spiele – also vorausgesetzt, dass ich die Stücke gut beherrsche.
Hast du auf der Bühne schlimmes Lampenfieber, gerade auch bei Wettbewerben?
Lampenfieber ja, aber nicht schlimm. Bei Wettbewerben habe ich eigentlich weniger Lampenfieber, weil weniger Leute im Publikum sitzen als bei Konzerten.
Machen viele Kinder in deinem Umfeld (klassische) Musik?
Nein. Die Kinder, die auch Musik machen, habe ich sowieso beim Musizieren kennengelernt.
Was machst du neben Schule und Musik?
Tanzen, Schwimmen, Zumba, Fernsehen gucken und Basteln. Und ich lese ziemlich viel.
Möchtest du Berufsmusikerin werden? Wo und in welcher Position?
Oh, das weiß ich noch nicht. Aber ich kann es mir schon auch vorstellen.
Musik von welchen Komponisten spielst du besonders gerne?
Ich glaube, Mozart, weil er am frechsten und aufgewecktesten ist.
Gibt es Stücke, auf die du unbedingt hinarbeiten möchtest?
Ja, irgendwann den dritten Satz der „Mondscheinsonate“ von Beethoven.
Wo würdest du gerne einmal auftreten?
Im Fernsehen.
Gibt es Komponisten, die du gar nicht gerne hörst?
Bisher noch keine, aber ich finde Bach irgendwie zu schwer für mich.
Hast du Vorbilder?
Ja, meine Klavierlehrerin Frau Nagai, weil sie so gut Klavier spielt – und weil sie sich immer bemüht, andere Kinder zu fördern und zu unterstützen.
Was fällt dir beim Musizieren besonders leicht, was ist eher anstrengend?
Es fällt mir leicht, auf andere zu achten und mich an sie anzupassen. Was mir nicht so leicht fällt, ist, schwere Stücke zu bewältigen.
Erzähl etwas über dein Instrument.
Mein Instrument ist das Klavier. Es ist ein Tasteninstrument, hat 88 Tasten, ist recht groß und schwer. Im Inneren befindet sich ein Mechanismus, bei dem durch Drücken der Tasten ein oder mehrere Hämmerchen auf eine Saite beziehungsweise mehrere Saiten schlagen. Dadurch entsteht der Ton. Mit den Pedalen kann man die Töne verlängern oder dämpfen. Außerdem gibt es zwei Arten von Klavieren: Flügel oder ein normales Klavier, das man an die Wand stellen kann, so wie es bei uns ist. Da ich seit einigen Monaten auch Geigenunterricht nehme, weiß ich, dass das Klavier für den Anfang wirklich nicht schwer ist. Mit etwas Rhythmusgefühl kann man fast von Beginn an schon kleine Stücke spielen, während man bei der Geige nach einigen Wochen noch nach den richtigen Tönen sucht.
Wobei kannst du am besten entspannen?
Beim Lesen.
Welche Superkraft hättest du gerne?
Die Superkraft, beliebig viele andere Superkräfte bekommen zu können.
faktor³ fragt – Sönke Scheumann antwortet
Sag mal Sönke …
Seit wann machst du Musik?
Seitdem ich vier Jahre alt bin. Meine Mutter ist Musiklehrerin an einer Grundschule: Wir hören daheim viel klassische Musik und haben am Klavier zusammen viele Kinderlieder gesungen Meine große Schwester spielte schon Geige
Warum hast Du Dich für die Trompete entschieden?
Der ältere Sohn einer befreundeten Familie spielte Trompete, das war mein Vorbild. Das wollte ich auch. Meine Mutter gab mir erst eine Blockflöte und versuchte mit mir zu üben. Weil ich ja erst vier Jahre alt war. Die habe ich aber fast durchgestoßen. Dann hat Benni, der Junge mit der Trompete, mir seine alte Taschentrompete verkauft. Meine Mama kannte Herrn Vincke schon von der gemeinsamen Arbeit an einer Grundschule.
Wie viel Stunden übst du pro Tag – wie viel Zeit nimmt die Musik insgesamt ein?
Jeden Tag zirka anderthalb Stunden. Nur im Urlaub mache ich frei, aber da vermisse ich die Trompete dann spätestens nach ein paar Tagen.
Welche Musik hörst du gern? Nur Klassik oder auch andere Genres?
Ich höre vor allem Big Band Jazz. Klassik mag ich auch. Aber nur, wenn das Blech auch richtig was zu tun hat beispielsweise bei Filmmusik oder Musik von George Gershwin oder bei „Die Planeten“ von Gustav Holst.
Wann spielst du besonders gerne?
Wenn ich mich auf Konzerte vorbereite.
Ist das Üben manchmal anstrengend?
Ja, wenn ich Etüden spielen muss. Herr Vincke hat ein quälendes Buch – Die Stegmannschule. Das sind Etüden, die super anstrengend sind und wo man immer so viel Noten lesen muss. Das hasse ich.
Ist dein Musik-Lehrer streng?
Nur wenn es um die Stegmannschule geht.
Spielst du gerne Konzerte oder lieber für Dich alleine?
Ich liebe Konzerte mit meinen Big Bands oder mit meiner Soulband zu spielen. Ich spiele aber auch solo gerne vor.
Auf der Bühne – hast du Lampenfieber – gerade auch bei Wettbewerben?
Nein, ich bin nur ein bisschen aufgeregt. Wenn man zu aufgeregt ist, hat man zu wenig Luft, und dann klappt das Vorspiel nicht. Das ist mir auch schon passiert …
„Machen“ viele Kinder in deinem Umfeld (klassische) Musik?
In meinem Freundeskreis außerhalb der Musik eigentlich keiner. Allerdings habe ich einen Haufen Freunde durch die Musik kennengelernt. Die spielen alle auch Klassik. Ich haben einen befreundeten Posaunisten, mit dem mache ich immer Straßenmusik in Bielefeld, Gütersloh, Münster. Ein Freund spielt ziemlich gut Cello.
Was machst du neben Schule und Musik?
Ich spiele Handball und treffe mich gerne mit Freunden zum BMX fahren
Möchtest du Berufsmusiker werden? Wo und in welchem Umfeld in welcher Position?
Ja, mein Ziel ist es, in der WDR Big Band zu spielen. Erste Trompete mit ganz vielen Solos …
Musik von welchen Komponisten spielst du besonders gerne?
Ich mag vor allem Jazz-Komponisten. Da haben sehr viele einige coole Stücke geschrieben. Henry Mancini hat den Pink Panther geschrieben. John Williams hat coole Sachen geschrieben. Aber barocke Sachen finde ich zum Teil auch ganz cool. Henry Purcell beispielsweise.
Gibt es Stücke, auf die du unbedingt hinarbeiten möchtest?
Ich habe für die Aufnahme in die Talentakademie die Konzertetüde von Alexander Goedicke gespielt. Die möchte ich irgendwann mal so richtig gut können. Jeder große Trompeter hat sie schon gespielt, und es gibt so gute Aufnahmen im Internet. So gut will ich sie auch spielen können Das ist mein Ziel!
Wo würdest du gerne einmal auftreten?
Ich möchte gerne mal Straßenmusik auf der Domplatte in Köln machen. In Rheda gibt es einen neu gegründeten Jazzclub. Im Abrahams. Da möchte ich auch mal spielen. Zusammen mit meinem Freund.
Gibt es Komponisten, die du gar nicht gerne hörst?
Ich hasse geistliche Chormusik. Meine Schwester hört im Zimmer nebenan immer Bruckner- und Bachkantaten. Da gibt es schon mal Streit um die Lautstärke.
Hast du Vorbilder?
Meine Vorbilder sind die großen Jungs aus meiner Big Band, die unglaublich gut improvisieren können und Im JJO (Jugend Jazz Orchester) NRW spielen. Mein nächstes Ziel ist es, dort mitspielen zu können. Außerdem ist Herr Vincke mein Vorbild, weil er als Kind schon morgens vor der Schule geübt hat und so ein guter Lehrer ist.
Was beim Musizieren fällt dir besonders leicht, was ist eher anstrengend?
Improvisieren ist leicht für mich. Mir fallen beim Üben immer neue Sachen ein. Das ist unerschöpflich. Ich könnte das den ganzen Tag machen. Schwer fällt mir das Spielen von Blatt und das schnelle Notenlesen. Wenn man besser werden will, muss man richtig viel schnelle und hohe Sachen spielen. Das ist dann so anstrengend wie Sport.
Berufswunsch?
Jazzmusiker!