Dem Müll auf der Spur
Von A wie Altglas bis Z wie Zigarettenstummel – es gibt nichts, was die Menschen nicht mir nichts dir nichts wegschmeißen. Aus den Augen aus dem Sinn, egal wo sie gehen und stehen. Und da sind leergesoffene Flachmänner und vermeintlich lässig weggeschnippte Kippen noch das Normalste, was Trash Hunter Ralf Külker und seine Saubermacher aus der freien Natur räumen. Seit wann er Schweineköpfe und Sextoys, Kühlschränke und Kloschüsseln vom Wegesrand sammelt und warum er im Kreis Gütersloh statt gegen Windmühlen gegen wilden Unrat kämpft? Wir haben mit dem engagierten Müllsammler gesprochen.
Zerdrückte Bierdosen, durchweichte Fastfoodpappen, grellfarbene Plastikfetzen – nicht nur in sozialen Brennpunkten, an Autobahnausfahrten oder zwischen den Bahngleisen verdreckt tonnenweise Müll die Umgebung auch an den Rändern von Landstraßen und in idyllischen Bachläufen, in verwunschenen Tümpel und auf grünen Wiesen, in bestellten Felder und ruhigen Wäldchen. Viele Passanten sind davon zwar genervt, spazieren jedoch tatenlos an zerstreutem Müll und illegalen Kleindeponien vorbei. Einer nicht: Ralf Külker aus Langenberg. Er ist von Beruf Bäcker und liebt Insekten. Und was er noch liebt: sich zu engagieren anstatt sich nur zu ärgern: „Politisch kann man nicht viel bewegen, das habe ich versucht. Politik ist meiner Erfahrung nach nur ein Verwaltungsapparat der großen Interessen“, moniert der rührige Aktivist. Die Politiker müssten von außen Druck bekommen, „Naturschutz-Druck“, wie Külker ihn nennt.
Seit zehn Jahren setzt der Mann mit dem Hut sich nun aktiv für die Natur ein. „Eines meiner Hauptthemen ist der Schutz der Insekten. Deshalb baue ich Wildbienen-Nisthäuser und habe einen Natur-Wildgarten für Insekten und andere Tiere gestaltet. Der Schwerpunkt allerdings, mit dem Külker zunehmend in der Öffentlichkeit steht: Trash Hunting. Und so sieht man den 52-Jährigen zumeist mit seinem Fahrrad samt Anhänger und gut ausgerüstet mit robusten Handschuhen, Müllzange, Eimer und Abfallsäcken durch die Gegend ziehen.
WDR mit Kickoff-Idee zu Trash Hunting
„Ich habe schon als 16-Jähriger mit meinem Kumpel Schrott und Müll in der Natur gesammelt – damals in den 1980er-Jahren. Aber so richtig dringend wurde das Müllproblem aus meiner Sicht in den 2010er-Jahren. Also begann ich 2015 alleine mit dem Aufsammeln von Müll in der Landschaft.“
Es sei schlichtweg die Empörung über so viel Gleichgültigkeit gegenüber der Natur, die Külker vor einer Dekade zur Müllzange greifen und zum Sammler üblen Unrats werden ließ. „Ich habe zunächst Müll in dem Wald gesammelt, in dem ich oft spazieren ging. Das war in der Nähe meines Schrebergartens. Dann habe ich meine Touren nach und nach erweitert.“
2018 wurde das Fernsehen auf den Müllaktivisten aus Langenberg aufmerksam und drehte zunächst einen kleinen Beitrag in der Lokalzeit-Beitrag über ihn und seine Sammelaktionen an und in der Ems in Rheda. Tatsächlich war es der Reporter, der seinerzeit vorschlug eine ganze Gruppe von Müllsammlern zusammenzustellen. „Ich fand das eine wirklich gute Idee, und bei der zweiten Gruppensammlung im Sommer 2018 in der Ems drehte die Lokalzeit dann einen Folgebericht. So entstanden die Trash-Hunters“, erinnert sich der Naturliebhaber an die Anfänge seiner Initiative, die ihn auch schon mal mit der Polizei in Kontakt brachte: „Nein, wir haben uns nichts zu Schulde kommen lassen. Ganz im Gegenteil. Aber wir haben beim Magnetangeln in der Ems eine Halbe Pistole an Land gezogen. Die haben wir natürlich ordnungsgemäß an die Polizei übergeben. Ob dieser aus dem Wasser gefischte Fund die Kriminologen auf eine heiße Spur geführt haben? Bislang hat Külker darüber keine Auskunft erhalten.
Er kann persönlich indes Auskunft geben – und zwar über die Menge Müll, die er samt Helfer und Helferinnen seit 2018 aus der Landschaft geborgen hat: „Bis Ende 2023 wurde von den Trash-Hunters 6.305 Kilo Müll aus der Natur gesammelt“, bilanziert er nicht ohne Stolz. Und er weist auch darauf hin, dass die Gruppe der Trash-Hunters trotz der wenig schönen Tätigkeit einen engen und guten Zusammenhalt pflegt. Und so zieht man nicht nur müllbeladen, sondern auch mit heißem Tee, frischen Keksen und dem ein oder anderen guten Gespräch durch Stadt und Land.
faktor³ fragt nach
Was war Ihr ungewöhnlichster Fund?
→ Gebiss am Glascontainer.
→ Zwei Feuerlöscher in der Ems.
→ Volle Tüte mit verschlossenen Babynahrungs-Gläsern.
→ Fritteuse im Wald.
→ Computer in der Ems.
→ Einige Plastikflaschen mit Urin drin am AUREA-Park.
→ Schülerzeugnisse, Versicherungsdokumente.
→ Zwei Kloschüsseln im Gebüsch.
→ Circa 60 Kilo aufgeschnittene Kabel ohne Kupfer drin, in der Ems liegend.
War war Ihr ekligster Fund?
→ Schlachtabfälle (Schweineköpfe in einer Plastiktüte) am Fahrradweg (ehemalige Bahntrasse).
→ Sextoy- und zwar ein imitiertes Frauenbecken aus schwerem Weichgummi.
→ Salatgurke mit Kondom überzogen.
→ Ein großer Sack voller Windeln in der Ems mit Wasser vollgesogen.
Was war Ihr Schönster Fund?
→ Ein Portemonnaie, das zuvor einer Frau gestohlen worden war. Dank der Ausweise darin konnten wir ihr es zurückbringen.
→ Durchaus zu gebrauchende Kochtöpfe und Trinkgläser, die habe ich auch mal gefunden.
Was war Ihr größter Fund?
→ Komplett zerlegter Hühnerstall.
→ Komplette Dusche.
→ Circa 200 Kilo in Plastiksäcke gegossener Beton.
→ Straßenschild mit Zwei- Meter- Mast in der Ems.
→ Zweimal Sondermüll-Fund: eine Sammlung von Farbeimern und Chemie-Kanistern am Wegesrand sowie Batterien in der Ems.
Was haben Sie als Trash Hunter für Pläne und Wünsche für eine saubere Zukunft?
Ich werde einfach weitermachen und Müll sammeln. Was ich mir wünsche? Dass endlich mit modernen Methoden eine funktionierende Recycling-Wirtschaft aufgebaut wird. Ich wünsche mir, dass man aufhört, das gängige Recycling-Märchen weiter zu verbreiten und dass unser Müll nicht weiter ins Ausland exportiert wird.
Ist der Kreis Gütersloh sauber oder eher schmuddelig?
Der Kreis Gütersloh ist schon sehr müllbelastet, aber in anderen Kreisen sieht es ähnlich aus, ganz zu schweigen von Großstädten wie Köln oder Berlin oder den Hochburgen im Ruhrgebiet.
Was sind die Top Five der Müllgegenstände, die sie finden und entsorgen?
Wir finden praktisch alles, was man so im Haushalt hat. Fritteusen, Toaster, Computer, Fahrräder, Geschirr, Kochtöpfe, Sofas, Stühle, Sessel, Handys, Schirme, Fernseher, Radios, Batterien und, und, und … Am meisten aber finden wir ohne Zweifel: Fast-Food-Verpackungen, Coffe-to-go-Becher, Flachmänner, Glasflaschen, Getränkepackungen und Kleinplastik.
Können Sie sagen, wieviele Tausend Kippen Sie im Schnitt einsammeln?
2020 haben wir mal in zwei Stunden 2,2 Kilo Zigarettenkippen am Bahnhof in Rheda und ein bisschen in
die Innenstadt hinein aufgesammelt! Das ergibt bei 0,3 bis 0,4 Gramm pro Kippe eine Summe von rund 5.000 bis 6.000 Giftstummeln! Wirklich heftig.