Akustische Kamera lokalisiert Schallquellen
Fotos: Detlef Güthenke
Es beginnt wie eine Fahrt ins Grüne mit Blicken über die Felder und eine entspannte Landschaft. Aber unser Ausflug an den südöstlichen Rand von Gütersloh führt uns zu einer Denkfabrik, einer Ideenschmiede und Produktionsstätte, die seit 2014 in Spexard ihren Firmensitz hat. In dem Unternehmen CAE Software und Systems treffen wir ein Expertenteam, das Töne zu Bildern macht. Hier wird eine Kamera weiterentwickelt, produziert und vertrieben, die Geräusche sichtbar macht. Mit der SoundCam verbinden die Experten Hören und Sehen und zeigen, wo etwas nicht rund läuft, ob in Industriebetrieben, an Motoren, an der Waschmaschine oder in Gebäuden.
Am Firmensitz in der Linteler Straße 23 reichen sich Historie und Hightech die Hand. Wo es vor hundert Jahren aus Fässern dampfte und Schnaps gebrannt wurde, arbeitet heute das Team von CAE Software und Systems an der Entwicklung von Akustik- und Schwingungs-Messsystemen. Außen historische Fassade der ehemaligen Brennerei Spexard, innen eine Kombination von altem Gebälk, Glas, modernen Büroräumen und Produktionsflächen. Auf 450 Quadratmetern bieten die Gebäude der alten Brennerei Raum für die Hard- und Softwareentwicklung und Montage. Der kleinste Raum hat eine besondere Ausstattung erhalten, ist schalltot und dient der Prüfung und Produktabnahme.
Mit den Augen hören
Mit der akustischen Kamera lassen sich Schallquellen orten. Anders als eine herkömmliche Kamera beruht der Einsatz der akustischen Kamera auf sehr vielen Mikrofonen, die in konzentrischen Kreisen angeordnet sind. Jedes einzelne Mikrofon erfasst die Schallwellen. Eine kleine Kamera zeichnet die Bilder auf. Eine komplexe Software verarbeitet die Informationen und entwickelt ein farbiges Bild oder ein Video, das die Schallquellen aufzeigt. „Die bildliche Darstellung ist ähnlich wie bei einer Wärmebildkamera, die anzeigt, an welchen Stellen Wärme entweicht“, sagt Tim Dannat, Maschinenbau- und Wirtschaftsingenieur. Der 50-Jährige ist Prokurist des Unternehmens und verfügt über eine langjährige Erfahrung in der Produktentwicklung, Akustik und Messtechnik.
CAE Software und Systems kann mittlerweile acht verschiedene Standardprodukte anbieten. Die SoundCam Ultra ist eines davon. Sie ist im laufenden Produktionsbetrieb einsetzbar, liefert Echtzeitbilder, stellt sie farblich dar und ist leicht bedienbar. Ein Ortungsgerät für Geräuschquellen, das auch dem Unerfahrenen gut in der Hand liegt und sofort betriebsbereit ist. In Gütersloher Industrieunternehmen, in ganz Deutschland und weltweit ist die SoundCam im Einsatz, um vor allem Leckagen zu orten, um so die Energiekosten im Unternehmen zu senken. „Durch das Aufspüren von Leckagen und deren Beseitigung können durchschnittlich 12 Prozent der Energiekosten eingespart werden“, so Tim Dannat.
Die Nase vorn haben
Auch wenn die akustische Kamera zurzeit noch schwerpunktmäßig in der Leckagen-Ortung, der Raum-Gebäude-Akustik oder in der Automobilindustrie Anwendung findet, sind die Einsatzmöglichkeiten nahezu unbegrenzt. Zum Beispiel im Umwelt- und Naturschutz. Mit Hilfe der akustischen Kamera kann man auch Fledermäuse aufspüren. Bei Europas Fledermauskonferenz, die in diesem Jahr online durchgeführt wurde, war das Team von CAE Software und Systems mit von der Partie. Egal, welche Fragen sich stellen, die Mitarbeiter nutzen alle Kontakte, die zu neuen Herausforderungen führen, die sie gerne annehmen. Je spezieller der Auftrag, desto größer der Ehrgeiz, Lösungen zu finden, die dem Kunden weiterhelfen. Die Weiterentwicklung der SoundCam sieht Tim Dannat als dialogischen Prozess zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden. Auch Fachmessen, wie die Akustiktagung DAGA in Wien oder die Messtechnik-Messe Sensor und Test in Nürnberg gehören zum Austausch dazu.
Mittlerweile verfügt das 2008 in Ahlen gegründete und von 2011 bis 2014 in der James-Watt-Straße in Gütersloh ansässige Unternehmen über eine 20-jährige Erfahrung mit der Akustik und physikalischen Tests. Zu den Kunden gehören Unternehmen aus den Bereichen Maschinenbau, Automobiltechnik, Energietechnik bis hin zur Luft- und Raumfahrt. Auch die akustische Vermessung der Ariane 5 stand bereits auf dem Programm. Bei CAE Software und Systems gehört die Innovation zum Tagesgeschäft. Das Unternehmen wurde bereits mit dem OWL-Innovationspreis und dem i-NOVO Design Award 2017 ausgezeichnet.
Geschäftsführer Nico Zurmühlen setzt auf die Blue-Ocean-Strategie, indem er das Ziel verfolgt, eigene Wege zu finden und neue Märkte zu eröffnen. Gelungen ist das unter anderem durch eine Projektpräsentation auf der Crowdfunding Plattform „Kickstarter“, bei der man sich mit Ideen und Projekten mit Spielen, Technik, Musik und Kunst um den Kontakt zu Interessierten und finanzielle Unterstützung bemühen kann. Das Unternehmen hat es probiert und hatte Erfolg. Es gab Rückmeldungen aus aller Welt.
Von Anfang an dabei
Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens ist auch die Erfolgsgeschichte von Maik Kuklinski, 29, und des dualen Studiums an der Fachhochschule Gütersloh. Der Student kam vor zehn Jahren in das damals fünfköpfige Team. „Wir haben ihn angeworben“, sagt Tim Dannat, der immer schon Wert darauf gelegt hat, mit den Fachhochschulen, Universitäten und mit der Forschung zusammenzuarbeiten, Gastvorträge zu halten und Studenten für Projekte zu begeistern. Maik Kuklinski, der damals eine Leidenschaft für Mathe und Physik hatte, gerne am DJ-Mischpult experimentierte, aber keine konkreten Berufsvorstellungen hatte, begeisterte sich als Werkstudent schnell für die Anwendungs- und Entwicklungsmöglichkeiten der SoundCam. Heute ist er im Unternehmen verantwortlich für den internationalen Vertrieb.
Jedes Jahr stellt das Unternehmen einen neuen Werkstudenten oder eine Werkstudentin sowie einen Auszubildenden ein. Das Team ist jung, das Durchschnittsalter der 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen liegt bei 30 Jahren. Eine Vielzahl von Qualifikationen aus den Bereichen wie Mathematik, Physik und Mechatronik trifft hier zusammen.
Jedes Jahr geht CAE Software und Systems mit einem neuen Produkt auf den Markt. Das Unternehmen sucht weiterhin nach Mitarbeitern, die sich für die spezielle Technik begeistern. Räumlich wird es an der Linteler Straße 23 allmählich zu eng. „Wir wollen wachsen“, sagt Tim Dannat.