Ob Kunst aus Müll oder Kreatives aus Trush, Recycling muss nicht immer praktisch sein – es kann tatsächlich auch schön sein. Inspirierend. Kulturell bedeutend. Adelheid Eimer, Grafik-Designerin aus Gütersloh, ist eine der Künstlerinnen im Kreis, die eben auch Abfälle in den Stand der Kunst erhebt.
Text: Jessica Kaup . Fotos: Detlef Güthenke
Kunst ist ihr gewissermaßen in die Wiege gelegt worden, und schon früh war der bekannten Gütersloher Künstlerin klar, dass sie ihrer Kreativität auch beruflich den möglichen Raum geben wollte: Adelheid Eimer blickt zurück: „Aufgewachsen bin ich am Kirchplatz in Herzebrock in einem kleinen historischen Fachwerkhaus. Dort, in der Bildhauerwerkstatt meines Vaters, hatte ich schon als Kind Kontakt mit dem Werkstoff Holz und seiner Bearbeitung mit dem Schnitzeisen.“
Am Beispiel der Hobelbank, dem Herzstück des väterlichen Ateliers, zeichnet Eimer den Wandel der Gebrauchsmaterialien nach, der sich nicht nur im Alltag eines jeden widerspiegelt, sondern auch in ihrem ganz persönlichen künstlerischen Schaffen: „An der Hobelbank meines Vaters, die inzwischen in Gütersloh steht, entstehen zwar immer noch die Druckstöcke für meine Holzschnitte, aber es kommt auch vor, dass ich die Schraubvorrichtung der Hobelbank für die Bearbeitung von Plastikteilen benutze. „Plastik“, so die 67-Jährige, „verdrängt den Werkstoff Holz – das ist eine historische Tatsache. Man denke an das Holzbutterfass und die erste Holzbottichwaschmaschine der Firma Miele, wie es im Stadtmuseum Gütersloh dokumentiert ist. Defekte Holzutensilien wurden früher als Brennholz benutzt, Plastikabfälle heutzutage verschmutzen die Weltmeere und sind eine Gefahr für die Umwelt.“
Einfälle für Abfälle
Wann und wie genau es kam, dass Adelheid Eimer auch und vornehmlich Ausgedientes künstlerisch adelte? „Es war 2007 eine Ausstellung im Stadtmuseum Gütersloh „Einfälle für Abfälle – Kreativität in der Dritten Welt“ im Stadtmuseum Gütersloh, die mich stark beeindruckt hat. Aus unserem Wohlstandsmüll hatte man in Afrika und Südamerika Kunst- und Gebrauchsobjekte gefertigt. Seither fanden Kronkorken, Plastikverschlüsse und Kabelreste Eingang in die museumspädagogische Arbeit mit Kindern. Dann begann ich auch selbst damit zu arbeiten, schon allein, um meinen Recyclingmüll zu reduzieren.“
Ab 2015 bekamen auch die ersten Spülmittel- und Duschbadbehälter sowie Einwegflaschen ein zweites Leben bei Adelheid Eimer – unter anderem als Grundstock für den Aufbau von kleinen Figuren. „Bei dem ‚Kleinen Patienten‘ mit Infusionsbeutel mit ‚roter Hand‘ sind die Grundelemente noch zu erahnen. Sie sind mit Papierschichten der Apothekerzeitung bedeckt und lasierend übermalt. Auch eigene, auseinander gerissene Druckpapiere meiner Holzschnitte, eigentlich Altpapier, kommen zum Einsatz“, beschreibt Eimer eines ihrer Werke. Ihre „Muschelsucher“ aus dem Corona-Jahr 2020 sind als Erinnerung an eine Neuseelandreise vor der Krise entstanden, mit echten Muscheln vom Ninety-Mile-Beach. Die Köpfe sind aus Metalldosen gefertigt, die Augen aus kleinen Magneten angeheftet. Sie stehen im Zusammenhang mit kleinen „Erinnerungskästchen“ aus gesammeltem Naturmaterial – wie Farnblättern und Holzstücken – eingefügt in Miniaturlandschaften.
„Bei meiner jüngsten Figur „Uerieta“, einer „Ankleidepuppe à la Barbie“ mit selbst gestricktem Kleid und Stulpen aus Wollresten, sollen die Grundmaterialien wie Spülmittelflasche (Körper) und angeschraubte Tablettenröhrchen (Beine) erkennbar bleiben. Sie ist eine „Influencerin“ der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft für mich, verkörpert Slow- und Fast Fashion zugleich und ist eine Hommage an den afrikanischen Kontinent.“ Ihre Recycling-Figuren zählt Adelheid Eimer zum „spielerischen Anteil“ ihrer künstlerischen Arbeit. Sie sollen die Phantasie des Betrachters anregen, aber auch nachdenklich stimmen.
Alltagsmaterialien für Kunst – und Kinder
Man müsse als Künstlerin nicht immer teure und unvergängliche Materialien verwenden und nach Stein, Bronze oder Edelstahl greifen. Häufig genüge auch Ausrangiertes, das in aller Regel schon ein praktisches Vorleben gehabt habe. „Stoffreste, Papier, Pappe oder Verpackungsmaterial aus Kunststoff“ zählt Adelheid Eimer auf. Sie sucht im Alltag immer wieder aufs Neue nach geeigneten Werkstoffen und wird dabei im wahrsten Sinne des Wortes erfinderisch.
Auch in der Museumsarbeit bei Kinderaktionen setzt Adelheid Eimer auf kostengünstige Recycling- Materialien. In der Kupferschmiede ist das vornehmlich und wenig verwunderlich: Kupferdraht. Hier im Stadtmuseum Gütersloh ist die ausgebildete Museumspädagogin auch nach ihrem Ruhestand im August des vergangenen Jahres aktiv: „Wir haben in der Kupferschmiede regelmäßig Ferienaktionen, und es ist mir ein freudiges Anliegen, mein Wissen über Natur und Handwerk an die Kinder von heute weiterzugeben und diese auch bei ihren ersten kreativen Schritten zu begleiten. Unter Adelheid Eimers Ägide biegen die aufmerksamen Kids das feine kupferne Altmetall zu Bilderrahmen, ummanteln drahtigen Reste mit Stoffflicken zu einer kleinen Vogelscheuche.
Heimat, Geschichte und Beziehungen
Die gebürtige Herzebrockerin, die Ende der 1970er-Jahre am Ratsgymnasium Wiedenbrück ihr Abitur machte, bevor sie in Bielefeld an der Hochschule Grafik-Design studierte, ist als Künstlerin tief im Kreis Gütersloh verwurzelt. Sie kennt und liebt ihre Heimat. Das zeigt sich nicht nur in ihrem lokalen und regionalen Engagement, sondern auch in ihren Werken: So präsentierte sie anlässlich der 100-jährigen Gebietsreform der Stadt Güterslohs sechs Leinwände, die kreativ darstellen, was die Stadt Gütersloh und die fünf eingemeindeten Bauernschaften eigentlich ausmacht. Geschichte – insbesondere die ihrer Umgebung, interessiert die Museumspädagogin: „Die Arbeit im Museum beeinflusst meine eigene künstlerische Tätigkeit. Die Kunst im Dienste der Historie ist daher neben dem experimentellen spielerischen Anteil ein wichtiger Aspekt meiner künstlerischen Arbeit.“ erläutert Adelheid Eimer, die bei diesem Jubiläums-Projekt Historisches und Heimatliebe verband. Doch sie setzt auch andere Schwerpunkte: „Im Mittelpunkt der Thematik steht bei mir immer wieder der Mensch in seiner Umwelt“, sagt Adelheid Eimer, die seit vielen Jahren Mitglied im FrauenKunstForum OWL und konkretisiert: „Mein Fokus liegt auf mitmenschlichen Beziehungen – Bindungen innerhalb der Familie, zwischen Mutter und Kind, zwischen Frau und Mann, Frau und Frau. Ihnen gegenüber stelle ich den einsamen Menschen.“
Aber auch archäologische und historische Themen sowie Reiseeindrücke finden sich in der Kunst von Adelheid Eimer und werden so kreativ verarbeitet. Die freischaffende Künstlerin arbeitet nicht nur plastisch mit Holz, mit Textil- und Recycling-Material, sondern lebt ihre Kreativität beim Holzschnitt, beim Zeichnen und auf der Leinwand aus.