Das in die Jahre gekommene Braun-Aufnahmegerät des Vaters mit der abgegriffenen Record-Taste, mit dem er als Jugendlicher Anfang der 80er-Jahre seine ersten Tapes zusammenbastelte, hat Ralf Neitzel inzwischen gegen ein hoch professionelles Tonstudio in Herzebrock Clarholz eingetauscht. An seiner Leidenschaft für die Produktion von Musikaufnahmen hat sich in den vergangenen 40 Jahren aber nicht geändert.
Fotos: Detlef Güthenke
Wenn der 53-Jährige an seine ersten Gehversuche im Musikgeschäft denkt, muss er selbst heute noch schmunzeln: „Weil ich damals kein passendes Kabel zur Verfügung hatte, habe ich die Aufnahmen mit zwei Kassettenrekorder unter der Bettdecke überspielt. Die größte Herausforderung war für mich aber immer das Abschreiben der englischen Texte. Was dabei rauskam, hatte mit Englisch wahrscheinlich nicht mehr viel zu tun.“ Und doch waren es gerade diese Erfahrungen aus den Anfängen seiner Beschäftigung mit der Musik, die ihn nachhaltig geprägt haben. „Musik wurde bei uns zu Hause großgeschrieben. Als Familie haben wir oft zusammengesessen und gemeinsam musiziert. Die Erinnerungen daran sind für mich bis heute mit Wertschätzung und Aufmerksamkeit verbunden. Dieses positive Gefühl versuche ich auch an meine Kunden zu vermitteln, die sich oft mit sehr persönlichen Wünschen an mich wenden.“
Vieles ist möglich, aber nicht alles
Deren Motive sind oft ebenso unterschiedlich wie die Klienten selbst. Ob das gesellige Party-Stück für den Junggesellinnen-Abschied oder die professionelle Aufnahme eines ambitionierten Privatmanns, in seiner knapp zehnjährigen Arbeit als Inhaber eines Tonstudios hat der gebürtige Paderborner schon viel erlebt, darunter oft Kurioses: „Mein ungewöhnlichster Auftrag war das Erstellen von Stimmen und Klängen für ein Gruselkabinett. Dafür habe ich mit Schauspielern zusammengearbeitet, die das Skript sehr eindrücklich umgesetzt haben. Das war schon gruselig. Auch das Einspielen von Mediationssprüchen oder Übersetzungs-Apps waren schon dabei. Aber natürlich liegt mein Fokus auf dem Aufnehmen und Einspielen von Musikstücken.“ Dabei setzt er für sich klare Grenzen, wenn es um die Auswahl und Annahme von Kundenanfragen geht. „Zum einen produziere ich keine Dance Pop Musik. Nicht etwa, weil ich es nicht mag, sondern eher, weil ich diese oft sehr moderne Form der Soundgenerierung Musik- Arrangements nicht so gut beherrsche. Zum anderen lehne ich beispielsweise Aufträge ab, bei denen es um „Gangster“ Rap-Musik geht. Das habe ich einmal gemacht und festgestellt, dass mir die Texte und Inhalte des Genres einfach zu krass ist. Daher kommt die Annahme solcher Anfragen für mich nicht mehr in Frage.“
Lieber sind ihm da schon Aufträge wie der von Maria Lübbert, die ihren Schwiegereltern zur Diamantenen Hochzeit im September gemeinsam mit ihrem Mann ein selbstgetextetes Lied zum Geschenk machen wollte. Wie üblich, wurde der Auftrag am Telefon zunächst durchgesprochen und ein Aufnahmetermin vereinbart. „Das ging in diesem Fall schnell, da die beiden den Text bereits geschrieben und auch den Titel schon ausgewählt hatten. Dadurch konnten wir uns voll und ganz auf die Studioarbeit konzentrieren“, erinnert sich Ralf Neitzel. Zu Melodie von Marianne Rosenbergs „Du gehörst zu mir“ wurde der Text zunächst einzeln eingesungen und aufgezeichnet. Nach einer ersten gemeinsam Klangprobe noch im Studio erfolgte der Feinschliff durch Ralf Neitzel. Keine 48 Stunden später konnte das Ehepaar das gemeinsame Werk als mph-File in Empfang nehmen. Für Maria Lübbert eine neue, aber absolut lohnenswerte Erfahrung: „Zum einen haben wir damit meinen Schwiegereltern eine große Freude gemacht. Gleichzeitig war es aber auch für uns als Ehepaar ein tolles Erlebnis. Schließlich gehen wir ja auch nicht jeden Tag ins Tonstudio.“
Unvergessliche Momente schaffen
So wie das Ehepaar Lübbert-Horn, kommen rund 70 Prozent seiner Kunden nur für eine einzelne Session ins Soundgroove. Aber immer öfter kann Ralf Neitzel auch Hobbymusiker begrüßen, die sich die Aufnahme eines eigenen Liedes gönnen oder im Einzelfall sogar eine ganze Platte einspielen wollen. Bis zu maximal vier Stunden dauert ein Recording. Allerdings kann dies im Einzelfall auch durchaus mal abweichen, erläutert Ralf Neitzel: „So wie im Fall von Maria, haben die meisten eine Vorstellung davon, welche Musik sie unterlegen wollen. Aber der ein oder andere stand schon hier und hatte keine Ahnung, wie das Arrangement aussehen soll. Dann überlegen wir gemeinsam, welche Melodien gut passen würden. In der Regel finden wir auch schöne Lösungen.“ Die fertigen Dateien erhalten die Kunden per E-Mail oder Filesharing. Bei Korrekturbedarf und Änderungswünschen bearbeitet Ralf Neitzel die Stücke, bis das Resultat den Vorstellungen des Auftraggebers entspricht. Die digitale Nachbearbeitung erfolgt in „Protools“, mittlerweile ein international anerkannter Industriestandard für Tonstudios. „Mir ist wichtig, dass meine Kunden nicht nur ein Ergebnis in Händen halten, was sie begeistert, sondern dass sie auch eine schöne und unvergessliche Zeit im Studio verbringen. Schließlich ist die Aufnahme eines Liedes ein sehr persönlicher Moment, dessen Umsetzung viel Mut und Courage bedarf. Einen solchen Augenblick gemeinsam mit den Menschen zu realisieren, bedeutet mir schon sehr viel.“
Hochwertige Technik schafft Klangwelten
Um die Wünsche seiner Kunden, aber auch die eigenen Ansprüche an Qualität und Technik zu erfüllen, hat Ralf Neitzel über die Jahre einiges Geld in das „Soundgroove“ investiert. „Da ist mit der Zeit schon eine Summe im hohen fünfstelligen Bereich zusammengekommen“, lautet seine eigene Einschätzung. Ein finanzieller Einsatz, der sich gelohnt hat. Dank Mikrofone, Kabel, Vorverstärker, Analog-Digital-Wandler in höchster Qualität verfügt das Studio heute über eine hohe Klangqualität. Besonders stolz ist Ralf Neitzel auf die Raumakustik, die er in akribischer Kleinarbeit kontinuierlich weiterentwickelt hat. „Neben der Stimme bzw. den Instrumenten entscheidet letztlich auch der Aufnahmeraum über die Qualität der Aufzeichnung. Gerade in diesem Bereich habe ich über die Jahre viel ausprobiert. Heute verfügt der Aufnahmeraum über eine neutrale, aber dennoch lebendige Akustik.“ Gerade letzteres ist für den dreifachen Vater, der seine Kunden bei Bedarf und auf Wunsch gerne auf der Gitarre begleitet, das entscheidende Kriterium für seine Arbeit. „Natürlich haben auch Sounds ihre Berechtigung. Schließlich ist die Erzeugung eines guten Sounds eine Kunst, die man erstmal beherrschen muss. Mir geht es in meiner Arbeit aber vor allem um den Klang. Klang ist für mich Natürlichkeit, Reinheit und die unverfälschte Wiedergabe von Tönen mit lediglich etwas Dekoration wie beispielsweise Hall oder Kompression. Diese Sichtweise versuche ich meinen Kunden zu vermitteln – und ich glaube, es gelingt mir mittlerweile ganz gut.“
Seine Begeisterung für die „reinen“ Töne hat Ralf Neitzel, der nie im Tonstudio gearbeitet und sich sein Wissen um die Einrichtung eines Tonstudios als Selfmade-Musiker und Autodidakt selbst beigebracht hat, als junger Mann in einem HiFI-Highend-Geschäft entdeckt, wo er nach seiner Ausbildung zum Radio- und Fernsehmechaniker beschäftigt war. „Mein damaliger Chef hat mich dabei unterstützt, mein Gehör auszubilden und zu schulen. Ansonsten würde ich die Unterschiede im Klang wahrscheinlich bis heute überhaupt nicht wahrnehmen und hören. Diese Fähigkeit, gepaart mit meiner Leidenschaft für das Recording und dem Wissen um das Arrangement und Setting von Songs, ist die Basis, um das Tonstudio erfolgreich zu betreiben.“
Klangvoll durch die Krise
Eine Karriere, die allerdings in den vergangenen 18 Monaten auf eine harte Probe gestellt wurde. Auch das „Soundgroove“ litt unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie und verzeichnete in dieser Zeit Umsatzeinbußen von bis zu 80 Prozent. „Zum Glück habe ich trotz der Selbstständigkeit meine Anstellung bei Arvato, wo ich seit 1995 angestellt bin, nie ganz aufgegeben, auch wenn ich im Zuge der Verselbstständigung die Stundenzahl zum Teil schon erheblich reduziert habe. Heute bin ich froh, dass ich dieses zweite Standbein noch habe, was für mich eine perfekte Ergänzung zu meiner Arbeit im Tonstudio ist.“ Inzwischen läuft das Geschäft zwar wieder an, aber bis er wieder die alten Umsatzzahlen erreicht, dürfte es noch eine Weile dauern. Für Ralf Neitzel kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, zumal seine Kundschaft ihm die Treue hält. Dies zeigen auch die zahlreichen positiven Kommentare auf seiner Website, die den 53-Jährigen jeden Tag aufs Neue motivieren, in seinem Engagement als „Klangkünstler“ nicht nachzulassen: „Ich mache meinen Job nach wie vor mit viel Herzblut. Das merken auch die Menschen, die zu mir kommen. Es ist diese Verbindung, die das oft sehr persönliche Produkt überhaupt erst möglich macht, welches am Ende jeder Sitzung steht und für die Menschen oft einen hohen emotionalen Stellenwert hat. Mir macht es sehr viel Freude, sie auf diesem Weg zu begleiten, und ich hoffe, dass bleibt noch möglichst lange so.“
Unabhängig von ihrem individuellen Wunsch eint ein Kennzeichen allerdings alle seine Kunden: „Egal, wie oft sie im Studio waren: Jeder, der sich bei mir meldet, ist erstmal nervös. Meist legt sich diese Nervosität aber nach dem Einsingen und dann wird die Session für die Person, die am Mikrophon steht, fast immer zu einem unvergesslichen Erlebnis.“