Wegwerfen? Denkste! Das ist das Motto vom Repair Café Rheda-Wiedenbrück, das einmal monatlich während der Schulzeit die Türen zum Foyer der Osterrath-Realschule öffnet. Hier, am Burgweg, wird dann zwischen 14 und 17 Uhr genagelt, geklebt und geklammert; gelötet, gestopft und geflickt – aber bitte mit Sahne, Torte und Kaffee und mit ganz viel Zwischenmenschlichem.
Foto: Detlef Güthenke
Eigentlich ist Reparieren im schnelllebigen Technikzeitalter der 2020er aus der Mode gekommen – defekte Gegenstände werden in der Regel entsorgt. Kein Wunder: Der Preis für eine sachkundige Reparatur im lokalen Fachhandel übersteigt die Anschaffungskosten häufig. Die Repair Cafés stehen hier für eine Trendwende, setzen sich ein für mehr Nachhaltigkeit und gegen den Wegwerfwahn. Die Nachfrage nach ihrem Konzept, kaputten Dingen ein zweites Leben einzuhauchen, ist hoch, viele Besucher kommen regelmäßig. „Wir vermitteln, dass man ein Produkt nicht sofort aufgeben muss, nur weil es eine Macke hat, sondern zeigen: Es lohnt sich, ein bisschen Zeit zu investieren, sich mit dem Gegenstand zu befassen und nach einer Lösung zu suchen“, erklärt Wilfried Schwabe, Ansprechpartner vom Repair Café in Rheda-Wiedenbrück. Das Angebot gebe Menschen die Möglichkeit, beispielsweise Elektrogeräte, Kleidung und sogar kleine Möbelstücke, an denen oft viele Erinnerungen hängen, zu reparieren: Ob der Verstärker krächzt, der Rasenmäher stottert, der Toaster nur noch mit halber Leistung glüht, ob der Lieblingspullover fadenscheinig zu löchern beginnt oder der geliebte Teddy an Füllung verliert – das, was im Repair Café auf die Werkbank gelegt wird, hat zumeist nicht nur eine Funktion, sondern eine ganz eigene, persönliche Geschichte,
Hilfe zur Selbsthilfe
„Begutachtet und – wenn möglich – in Stand gesetzt wird alles, was die Besucher selbstständig in ihrem Kofferraum transportieren und eigenhändig in unsere „Werkhalle“ tragen können, erklärt Wilfried Schwabe. „Die Dinge werden während der Treffen nicht einfach zur Reparatur abgegeben. Wir leisten eher Hilfe zur Selbsthilfe“, betont der Ehrenamtler und erläutert, wie er das Prinzip des Repair Cafés verstanden haben möchte: „Ein Repair Café ist ein Reparaturtreffpunkt für Menschen, die defekte Gegenstände unter Anleitung erfahrener Experten selbstständig zu reparieren versuchen. Hierbei werden liebgewonnene Schätze erhalten und unnötige Neukäufe vermieden.“ Schwabe weiter: „Jeder Teilnehmer eignet sich dabei nützliches Wissen an, weil er bei der Reparatur dabei ist und, wenn er den Gegenstand nicht selbst unter Anleitung repariert, dann doch zumindest als Assistent der Experten in Aktion tritt, Schrauben reicht, Kabel oder die Lampe hält.“ Auch die Fähigkeit zum Tüfteln würde im Café Repair hochgehalten, und den Besuchern würde eine echte Alternative zum vorschnellen Wegwerfen aufgezeigt. Sie lernten, dass Nachhaltigkeit durchaus im Alltag lebbar ist – Spaß und stolz machen kann. Last but not least: Stellt sich ein Gerät doch einmal als nicht reparabel heraus, hat man zumindest kostenfrei eine neutrale Expertise erhalten und erfährt fachgerechte Entsorgungshinweise. „Manch einer hängt sein Herz so an das uralte Kofferradio, dass dieses einfach als Deko seinen Platz im Haushalt behauptet“, schmunzelt der Initiator des Repair Café Rheda-Wiedenbrück.
Gemütlichkeit und ein bisschen Bürokratie
Und noch eine Komponente darf im Repair Café nicht zu kurz kommen. Das Miteinander: „Sich regelmäßig zu treffen, um in einer gemütlichen Runde zusammen mit ehrenamtlichen Fachleuten scheinbar unreparierbare Dinge wieder in Gang zu bringen, das ist eine wirklich schöne Sache“, findet Mitarbeiter Hubert Kohner, der die Gäste am Eingang der Empfangshalle zur Osterrath-Realschule mit einem freundlichen Lächeln willkommen heißt.
Eine Reparaturgarantie, darauf weisen die Betreiber ausdrücklich hin, wird nicht gegeben, und jegliche Haftung ist ausgeschlossen. Das steht blau auf weiß in der Hausordnung, die jedem zum aufmerksamen Studieren in die Hand gedrückt wird und auf deren Vorderseite sich eigens ein Kästchen befindet, in dem die Bestätigung dieser Lektüre anzukreuzen ist. Hier werden nicht nur Daten zur Person, sondern auch Angaben zum Reparaturgegenstand abgefragt – ein bisschen Bürokratie darf also trotz gemütlicher Atmosphäre nicht fehlen.
Repair Café Rheda-Wiedenbrück im Blick
» 25 feste Mitglieder und weitere Unterstützer, in wechselnder Besetzung
» Qualifikationen: Elektromeister, Elektroinstallateure, Elektroingenieure, Radio- und Fernsehtechniker, Elektromaschinenbaumeister, Tischler, Schneiderin, Projektmanager und andere
» Das jüngste feste Teammitglied ist 25, das älteste 78 Jahre
» Reparaturquote: 43 bis 74 Prozent, im Mittel 58 Prozent
» Reparaturobjekte etwa 80 bis 90 Prozent Elektrogeräte, gefolgt von Kleidungsstücken und sonstigen Textilien (2 bis 8 Prozent) sowie Holzobjekten
Weitere Anlaufstellen
Das Repair Café in Rheda-Wiedenbrück ist nicht das einzige seiner Art im Kreis. Auch in Gütersloh erfährt Kaputtes – wenn möglich – ein Revival: An jedem ersten Samstag im Monat von 11 bis 14 Uhr findet ein Repair Café in der Stadtbibliothek Gütersloh statt. Treffpunkt ist der digitale Werkraum im zweiten Obergeschoss. Auch die evangelische lutherische Kirchengemeinde in Halle lädt regelmäßig zur Kombi aus Reparieren und Kaffeeklatsch.
online suppport
Übrigens: Wer über die Kreisgrenzen hinaus „Hilfe beim Heilemachen“ benötigt, kann sich online supporten lassen: Ehrenamtliche Reparaturhelferinnen und -helfer aus dem gesamten Bundesgebiet bieten digitale Reparatursprechstunden an. Menschen mit defekten Gegenständen können sich in eine zentrale Videokonferenzschaltung einwählen und erhalten Beratung und Tipps zur eigenständigen Reparatur. Darüber hinaus ist das Netzwerk-Online-Repair Café der perfekte Ort für den Austausch zu besonders kniffligen Reparatur-Herausforderungen. Hier finden sich alle weiteren Informationen und der Zugang zum virtuellen Werkraum.