oder … Nachhaltigkeit, gar nicht auf die lange Bank geschoben

Der Versuch, im Unternehmen nachhaltig zu arbeiten und zu wirtschaften, gleicht dem, einen Pudding an die Wand zu nageln. Man weiß nicht so recht, wo man ansetzen soll, erkennt nicht, was Priorität hat, verzweifelt an der unendlichen Weite des Arbeitsfeldes. Es sei denn, man macht es wie beispielsweise die Volksbank Bielefeld-Gütersloh: Die gibt dem Thema Nachhaltigkeit nicht nur Raum, sondern auch ein professionelles Team, das sich mit nichts anderem beschäftigt als der Nachhaltigkeit zur Absicherung einer guten Zukunft.

Foto: Thorsten Wagner-Conert

Nachhaltigkeit allumfassend
Christina Blankert ist als Bankkauffrau seit 40 Jahren im Beruf und mit der Bank gewachsen. Elf Jahre lang hat sie das Team Vorstandsassistenz geleitet und sich da einen Bruchteil ihrer Arbeitszeit mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Nun ist es ihre Hauptbeschäftigung, und das Team zum Thema bildet sich gerade. „Wenn man Dinge neu reintragen will in die Bank, ist es gut über viel Lebens- und Berufserfahrung zu verfügen“, sagt Christina Blankert, die ihr neues 100-Prozent-Thema mit einem Satz definiert: „Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema für unsere Zukunft – für das Zukunftsmanagement, das wir umsetzen müssen, damit wir eine gute Grundlage für unser Leben haben.“
Über den Status „Grüne Büsche“ ist Nachhaltigkeit längst hinaus. Heute ist es allumfassend – auch und gerade in der Bank: Nachhaltigkeit habe da eine Querschnittsfunktion. Und so hat Christina Blankert es mit allen möglichen Kolleginnen und Kollegen zu tun. Vermutlich wird sie nicht in jedem Fall gleichermaßen gern gesehen.
„Das wird wahrscheinlich so sein“, bestätigt sie und erklärt: „Es ist so, dass wir natürlich gemeinsam Ziele festlegen müssen, wie wir in der Nachhaltigkeit weiterkommen. Das kann nur gemeinsam stattfinden mit dem entsprechenden Konsens in vielen Dingen. Wir müssen die Möglichkeiten, die da sind, eruieren und daraus das ableiten, was wir erreichen können.“ Eine Art Ambitionsniveau, wie weit man gehen wolle, was man schaffen könne, lege der Vorstand fest. „Damit steht der grobe Weg. Die Feinjustierung machen wir dann mit den einzelnen Abteilungen.“

„Bestimmte Kriterien müssen erfüllt werden“
Nachhaltigkeit ist pauschal ziemlich oft beschrieben worden. Aber was heißt sie konkret bei der Volksbank Bielefeld-Gütersloh? Viele Facetten sind es, die des eigenen Geschäftsbetriebs, wo nachhaltiges Arbeiten recht gut laufe. Im Kerngeschäft wolle man aber auch Kunden unterstützen, sich nachhaltig aufzustellen, in dem zum Beispiel stärker belohnt wird, wenn sich jemand für eine nachhaltige Finanzierung entscheidet. Doch wie geht eine nachhaltige Finanzierung? Kommt die ohne Investments bei Waffenherstellern aus zum Beispiel – oder ohne die Schädigung des Regenwaldes? Christina Blankert akzeptiert die etwas lax formulierten Beispiele: „Bestimmte Kriterien müssen erfüllt werden, die die Taxonomie definiert. Es müssen also bestimmte Ziele mit einer solchen Finanzierung erreicht werden. Umgekehrt dürfen soziale Ziele dem nicht entgegenstehen. Man kann also zum Beispiel nicht eine nachhaltige Finanzierung erreichen, aber gleichzeitig Leute entlassen. Das wäre kontraproduktiv.
Wer in der Bank nach nachhaltigen Möglichkeiten fragt, trifft auf informierte und aufgeschlossene Berater: Die nachhaltigen Angebote werden von Experten so eingeschätzt, die Berater sind entsprechend geschult. Im Übrigen habe es eine komplette Nachhaltigkeitsschulung für alle Mitarbeitenden gegeben.
Seit 2017 veröffentlicht die Volksbank Bielefeld-Gütersloh Nachhaltigkeitsberichte. Darin stehen dann viele unstrittig gute Dinge, aber auch selten Punkte, an denen die Bank noch nicht so weit ist, wie sie gerne sein wollte. In Summe klingt es so, als wolle die Bank vorne draufschreiben: „Seht her, wir sind die Guten.“ „Nein“, relativiert die Expertin: „Da steht sinnbildlich drauf: „Wir bemühen uns, uns nachhaltig aufzustellen.“ Nachhaltigkeit sei ein sehr langer Weg. „Den kann man gemeinsam gehen und darüber immer wieder berichten, was wir auf dem Weg getan haben. Das haben wir erreicht, das haben wir uns vorgenommen. Und wir schreiben auch davon, was wir vielleicht noch nicht erreicht haben. Natürlich soll das bei Kunden und in der Gesellschaft ankommen.“ Man wolle überzeugen.

Eine Höllenarbeit
An einer Stelle wird im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht angegeben, wie viel Papier die Volksbank verbraucht. Man könnte zweifeln, ob derlei Detailverliebtheit die Welt zu retten vermag. Christina Blankert sieht solche Dinge im Wettbewerb: „Ein paar Dinge müssen Sie einfach berichten, das ist gesetzliche Vorgabe. Im Gesamtüberblick kann man dann auch sehen, dass hier Dinge eingespart werden, dass wir uns bewegen, wie wir uns bewegen. Das soll vergleichbar mit den Vorjahren und auch mit anderen sein.“ Praktisch gesehen ist der so präzise Bericht eine Höllenarbeit, für den Daten aller Art zusammenzutragen sind. Aber es geht noch intensiver: „Die EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) beschreibt die Berichterstattung, die wir ab diesem Jahr machen müssen. Die ist noch einmal deutlich umfangreicher und macht Unternehmen miteinander vergleichbar.“

Die Volksbank Bielefeld-Gütersloh wächst durch Fusion und soll schon bald Volksbank in Ostwestfalen heißen. Dadurch wird es nicht leichter, als Nachhaltigkeitsmanagerin auch die hintersten Ecken und Winkel der Bank zu kennen. Christina Blankert setzt auf die Kolleginnen und Kollegen: „Das geht nur über Verbündete. Ich brauche Abteilungen, mit denen ich zusammenarbeite, die diesen Blick mit uns gemeinsam haben. Das ist viel crossfunktionales Teamwork.“
Man stelle sich einen Firmenkundenbetreuer vor, der in der Bank Unternehmenskunden ab 50 Millionen Euro Umsatz berät. Der muss sich bemühen, ganzheitlich zu betreuen und gute Finanzdienstleistungen zu vermarkten. Umsatz führt zu Provision – also will er Umsatz machen. Ob der sich durch eine Nachhaltigkeitsmanagerin eher gestört fühlen könnte? „Im Gegenteil“, reagiert Christina Blankert. „Wir sind in gutem Austausch mit den Firmenkundenberatern und die sind auch in der ESG-Beratung geschult.“ ESG steht dabei für Environmental, Social, Governance”, also für eine ganzheitliche Wirtschaftspraxis.
„Wir haben noch kein Bonus- oder Malus-System für Finanzierungen, aber wir haben schon mal festgelegt, was eine nachhaltige Finanzierung ausmacht. Das wissen die Kollegen natürlich und bieten gerne nachhaltige Finanzierungen an. Das ist ein noch junger Prozess, aber um diese Finanzierungen werden sich die Banken in Zukunft reißen, weil man damit nicht zuletzt im Bericht ganz gut dasteht“, argumentiert die Fachfrau.
Nachhaltige Anlagen könnten eine so gute Rendite bringen wie die bisherigen konventionellen: „Mit unserem eigenen Investmentfonds „Nachhaltigkeitsinvest“, den wir 2009 gemeinsam mit der Union Investment aufgelegt haben, stehen wir gut da und haben viele neue Kunden hinzugewonnen. Aber man kann auch mit Genossenschaftsanteilen an einer Energiegenossenschaft zum Beispiel gute Renditen erzielen.“

Über Nachhaltigkeit kontrovers streiten
Ihren privaten Freunden muss Christina Blankert nicht lange erklären, was sie in der Volksbank macht. Weil die Bankkauffrau Nachhaltigkeit nicht nur nine-to-five lebt. Es ist ihr eine Herzensangelegenheit. „Natürlich gibt’s da im Freundeskreis auch die ein oder andere Diskussion, na klar. Man kann über Nachhaltigkeit eben auch kontrovers streiten. Aber wer nachhaltig sein möchte, muss ja auch nicht gleich perfekt sein.“
Ein Riesenveränderungsprozess bedeute die Nachhaltigkeit, und da verlange niemand, dass, wer sich nachhaltig verhält, nicht mehr fliegen darf, auf Fleisch verzichten muss.
Wichtig sei das „auf dem Weg“ sein. Man könne nicht alles auf einmal umkrempeln, nicht privat, nicht in der Bank, beschreibt Christina Blankert, dass Nachhaltigkeit nicht Radikalität, sondern das Ausloten von Kompromissen bedeutet. Das neue Nachhaltigkeitsteam wird schon bald genau das tun: Der erste Schritt wird sein, sich mit allen Bereichsleitungen zusammenzusetzen, den aktuellen Stand zu besprechen – und dann die gemeinsame Zielsetzung zu entwickeln, Kompromisse zu finden.
Hat das Sperrige an der Nachhaltigkeit eher mit der Politik zu tun – oder mit der Unfassbarkeit dieses Begriffs? Das Problem des an die Wand zu nagelnden Puddings ist der Managerin nicht verborgen geblieben: „Nachhaltigkeit ist einfach sehr komplex. Das macht es so wenig greifbar. Was die Politik dazu versucht, können die Menschen oft gar nicht verstehen. Aber auch Politik muss sich auf den Weg machen. Und da ist nicht immer einfach, das Richtige zu tun.“ Um deren Haut beneidet sie Nachhaltigkeits-Politiker nicht.

Stolz ist Christina Blankert – auf ihren Job und darauf, an dieser Stelle etwas für die Volksbank bewegen zu können: „Am stolzesten bin ich darauf, dass wir Nachhaltigkeit in der Gesamtbank breit aufgestellt haben. Das ist die Basis, um nun erfolgreich weiterzumachen.“ Und wenn ihr jemand unterstelle: „Das, was Sie da machen, damit kann man doch kein Geld verdienen“, ist der dann von gestern? Die Expertin reagiert klar und selbstbewusst: „Ja, denn: Nachhaltigkeit bietet sehr viele Chancen. In Zukunft wird es viel mehr um nachhaltiges Wirtschaften gehen. Und damit werden wir Geld verdienen.“ Gutes tun und davon profitieren.

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